Außenminister Gabriel kündigt neue Türkei-Politik an

DAILY SABAH MIT DPA
ISTANBUL
Veröffentlicht 20.07.2017 00:00
Aktualisiert 20.07.2017 13:53
DPA

In der schweren diplomatischen Krise zwischen Deutschland und der Türkei hat die Bundesregierung eine neue Eskalationsstufe eingeleitet.

Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher werden die Reisehinweise des Auswärtigen Amts für das Land verschärft, wie Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) heute in Berlin sagte.

Berichten zufolge planten sie illegale Aktionen, um in der Türkei erneut Unruhen heraufzubeschwören, ähnlich den Gezi-Protesten im Jahr 2013.

Laut einem Artikel der türkischen Tageszeitung „Akşam", planten die Verdächtigen in einem Hotel in Büyükada bereits verschiedene Unruhen, die während dem vergangenen Protestmarsch des Chefs der „Republikanischen Volkspartei" (CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, angestachelt werden sollten.

Das Außenamt rät Türkei-Reisenden nun zu «erhöhter Vorsicht». Außerdem stellt Deutschland die staatliche Absicherung von Türkei-Geschäften der deutschen Wirtschaft durch auf den Prüfstand. Die «Neuausrichtung unserer Türkei-Politik» sei mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz abgestimmt, sagte Gabriel.

Aufgrund der zugespitzten Lage hatte er am Mittwoch seinen Urlaub abgebrochen. Für Aufsehen sorgte auch ein Bericht, wonach Ankara mehrere deutsche Firmen der Terrorunterstützung beschuldigt.

Wie die «Zeit» berichtet, sind auf einer entsprechenden Liste 68 Unternehmen und Einzelpersonen, darunter Daimler und BASF, aber auch ein Spätkaufladen sowie ein Döner-Imbiss in Nordrhein-Westfalen aufgeführt. Die genannten Unternehmen sollen dem Bericht zufolge Verbindungen zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen haben. Diese wird in der Türkei als Drahtzieher des gescheiterten Putsches im Juli 2016 beschuldigt und als Terrororganisation verfolgt. Eine Stellungnahme der türkischen Seite bezüglich den deutschen Firmen, gab es bisher noch nicht.

Reisehinweise veröffentlicht das Auswärtige Amt im Internet für jedes Land und aktualisiert sie regelmäßig. Die schärfere Stufe ist allerdings eine Reisewarnung, bei der es um eine konkrete Gefahr für Leib und Leben geht: Deutsche, die in dem betroffenen Land leben, werden dann gegebenenfalls zur Ausreise aufgefordert; Urlauber können gebuchte Reisen leichter stornieren.

In den neuen «Aktuellen Hinweisen» heißt es auf der Seite des Auswärtigen Amts nun, privat oder geschäftlich Reisende in der Türkei werde «zu erhöhter Vorsicht geraten und empfohlen, sich auch bei kurzzeitigen Aufenthalten in die Listen für Deutsche im Ausland bei Konsulaten und der Botschaft einzutragen». Grund dafür sei, dass «in einigen Fällen Deutsche von freiheitsentziehenden Maßnahmen betroffen» gewesen seien, «deren Grund oder Dauer nicht nachvollziehbar war». Teilweise sei der konsularische Zugang «entgegen völkerrechtlicher Verpflichtung» verweigert worden.

Am Mittwoch war der türkische Botschafter ins Auswärtige Amt zitiert worden. Dabei wurde ihm nach Angaben des Ministeriums «klipp und klar» mitgeteilt, dass die Verhaftungen des Deutschen Steudtner und fünf weiterer Menschenrechtsaktivisten in Istanbul «weder nachvollziehbar noch akzeptabel» seien. Die türkische Staatsanwaltschaft wirft den Inhaftierten vor, eine «bewaffnete Terrororganisation» zu unterstützen.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sie zuvor in die Nähe von Putschisten gerückt. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete die Vorwürfe als «durchschaubaren Versuch», Andersdenkende zu diskreditieren und zu kriminalisieren.

Im Zusammenhang mit dem Putschversuch in der Türkei vor einem Jahr sind dort nach Erkenntnissen der Bundesregierung bislang 22 deutsche Staatsbürger festgenommen worden. Aktuell seien noch 9 in Haft - darunter der deutsch-türkische «Welt»-Korrespondent Deniz Yücel sowie die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu Corlu.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mahnte, den Zugang zu den inhaftierten Deutschen in der Türkei trotz nötigen Drucks auf die Regierung in Ankara nicht zu gefährden. «Die Gangart gegenüber der Türkei muss härter werden», sagte Maas der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es sei daher richtig gewesen, den türkischen Botschafter einzubestellen. Maas mahnte aber: «Genauso müssen wir im Blick haben, dass in der Türkei deutsche Staatsbürger in Gefängnissen sitzen, zu denen wir einen Zugang brauchen. Ich fände es falsch, wenn man der Türkei im Moment Argumente liefert, uns das auch noch zu verwehren.»

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