Deutsches Gericht untersagt Ausfuhr historischer Bücher und Handschriften von Fuat Sezgin

DAILY SABAH MIT AFP
ISTANBUL
Veröffentlicht 02.02.2018 00:00
Aktualisiert 03.02.2018 18:04
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Die von den hessischen Behörden beschlagnahmten Handschriften und Bücher einer historischen Sammlung über arabische Wissenschaften dürfen vorerst nicht in die Türkei gebracht werden. Das entschied das Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main am Freitag. In dem juristischen Streit geht es um umfangreiche Bestände des Orientalisten Prof. Dr. Fuat Sezgin, der diese während seiner Tätigkeit als Leiter des Instituts für Arabisch-Islamische Wissenschaften an der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität dort aufbewahrt hatte.

Der ehemalige Leiter des Instituts wollte den Großteil der mehr als 25.000 Bände sowie 300 historischen Handschriften demnach im Mai vergangenen Jahres in die Türkei bringen, um sie dort in seine Stiftung einzubringen. Ihm gelang es, eine erste Ladung zu verschicken. Eine zweite wurde von Zollfahndern gestoppt. Das hessische Wissenschaftsministerium verbot danach die Ausfuhr.

Gegen diese Verfügung wehrt sich Prof. Sezgin juristisch. Nach Angaben des Verwaltungsgerichts vertritt er dabei die Auffassung, dass es sich bei einem Großteil des entsprechenden Materials um sein Eigentum handle. Eine Schenkung an das 1981 gegründete Institut sei zwar geplant gewesen, allerdings von ihm noch nicht vollzogen worden.

Im gehe es lediglich um den Erhalt seines von der Wissenschaft geprägten Lebenswerkes für das er in Deutschland keine Zukunft mehr sehe - denn das Regierungspräsidium Darmstadt hatte Prof. Sezgin seines Amtes als Direktor entbunden. Sezgin hat dagegen Klage erhoben - einen Nachfolger gibt es bislang nicht, der Posten ist aktuell unbesetzt.

Dennoch will Prof. Sezgin seiner alten Arbeitsstätte nicht den Rücken kehren. Er möchte, dass die Bücher digitalisiert werden, so dass sie in Frankfurt immer noch zur Verfügung stehen.

„Ich verdanke Deutschland sehr viel, aber das, was mir jetzt widerfährt, macht mich sehr traurig", so Prof. Sezgin damals gegenüber hr-iNFO. Mit Politik habe er nichts zu tun, er beziehe weder Stellung, noch sei er an einer „Rivalität zwischen beiden Ländern" interessiert.

Die Richter entschieden nun, dass die Bibliothek bis zur Klärung der komplizierten Rechtslage vorerst in Deutschland bleiben muss, und lehnten den Eilantrag des Wissenschaftlers auf Freigabe ab. Es gehe in dem Fall um eine „Unzahl schwieriger Fragestellungen aus dem europäischen wie auch aus dem nationalen Recht", die im Rahmen des weiteren Verfahrens erst einmal „grundlegend" zu klären seien.

Unter anderem muss aufgearbeitet werden, ob die Verordnung des Ministeriums in diesem Fall greift. Sie geht davon aus, dass die Bestände unter Bestimmungen des Kulturgutschutzgesetzes fallen, das die Ausfuhr wertvoller nationaler Kulturzeugnisse verhindern soll. Laut Gericht ist jedoch juristisch unklar, ob der dort gebrauchte Begriff „deutsches Kulturgut" überhaupt greift, weil es um Texte und Studien über arabische Geistes- und Naturwissenschaften geht.

Andererseits wirft der Fall mit Blick auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse im Zuge der Schenkung komplexe Fragen auf. Die Entscheidung ist aber noch anfechtbar. Eine Beschwerde vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel ist demnach möglich.

Prof. Fuat Sezgin begeisterte sich schon sehr früh für die Kultur und Geschichte des Islamischen Raums. Sein Interesse für den Fachbereich wurde geweckt, nachdem er an den Vorlesungen des deutschen Orientalisten Hellmut Ritter (1892-1971) in Istanbul teilgenommen hatte. Von 1943 bis 1951 studierte er dann an der „Universität Istanbul" Islamwissenschaft und Arabistik. Seine türkischsprachige Doktorarbeit „Buhari'nin kaynakları" (Die Quellen von al-Buchari) über dessen Hadith-Sammlung, wies nach, dass al-Buchari auf eine Kette schriftlicher Quellen zurückgreift, die bis in das 7. Jahrhundert n. Chr. zurückreicht, also bis zur Frühzeit des Islams.

Nachdem sich 1960 das Militär in der Türkei an die Macht putschte, verlor er seine Lehrerlaubnis. Ein Jahr später zog er nach Frankfurt, wo er an der dortigen Uni zunächst als Gastdozent lehrte. Seine Schwerpunkte sind seitdem die Geschichte der Naturwissenschaften im islamischen Kulturkreis sowie die Geschichte des arabisch-islamischen Schrifttums. Die gleichnamige Reihe besteht aktuell aus 17 Bänden und behandelt vielfältige Zweige der islamischen Wissenschaftsgeschichte. Prof. Sezgin hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die wissenschaftliche Pionierarbeit der islamischen Welt in ihrer Bedeutung erkannt und gewürdigt wird. Darüber hinaus gehen zahlreiche Übersetzungen alter arabischer Quellen auf ihn zurück.

Prof. Sezgin ist auch der erste Träger des Preises für Islamwissenschaft der „König-Faisal-Stiftung". 2001 wurde er mit dem „Großen Verdienstkreuz" der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Dies sind nur einige seiner Auszeichnungen. 2009 sollte er zusammen mit Salomon Korn den „Hessische Kulturpreis" bekommen. Prof. Sezgin lehnte ab, da Korn Israels Angriff auf Gaza rechtfertigt hatte.

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