69 Abschiebungen zum 69. Geburtstag von Seehofer

REUTERS
BERLIN
Veröffentlicht 11.07.2018 00:00
Aktualisiert 11.07.2018 10:02
EPA

"Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 - das war von mir nicht so bestellt - Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden. Das liegt weit über dem, was bisher üblich war", aeusserte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer bei seiner Präsentation des "Masterplan Migration am Dienstag.

Mit dieser löste er prompt neue Irritationen aus. Denn in sein Maßnahmenpaket nahm Seehofer anders als erwartet die Einigung der Koalition zur Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutsch-österreichischen Grenze nicht auf. Zudem ist weiter von "Transitzentren" die Rede - ein Begriff, den die SPD abgewehrt hatte.

"Es ist kein Masterplan der Koalition, sondern ein Masterplan des Bundesinnenministeriums", begründete Seehofer seinen Schritt. Die SPD zeigte sich empört: "Die Wiederholung eines Schmierentheaters wird zur Farce", sagte Parteivize Ralf Stegner.

Seehofer unterstrich, der Masterplan gebe den Stand vom 4. Juli wieder. Für alles, was danach passiert sei oder in den nächsten Wochen stattfinde, werde der Plan nicht fortgeschrieben. Die Koalition hatte sich am 5. Juli darauf verständigt, die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutsch-österreichischen Grenze in sogenannten "Transitverfahren" zu prüfen. Migranten sollen dann abgewiesen werden, wenn sie bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt haben. Grundlage dafür sollen noch zu schließende Abkommen mit den betroffenen Ländern wie Italien und Griechenland sein. Seehofer sagte, er strebe im Juli Klarheit darüber an, ob es diese Abkommen geben werde oder nicht. Er rechne mit "sehr schwierigen Gesprächen, aber sie können gelingen". Am Donnerstag beraten die EU-Innenminister in Innsbruck zu dem Thema, Seehofer trifft sich dort aber bereits am Mittwoch mit seinem italienischen Kollegen Matteo Salvini.

Stegner sagte, seine Partei habe "keinerlei Bedarf an weiteren Aufführungen im Sommertheater" der CSU. "Wir reden über keinen anderen Masterplan als den Koalitionsvertrag", fügte der SPD-Vizechef hinzu. "Den sollte Seehofer endlich umsetzen. Nachverhandlungen wird es mit der SPD nicht geben." Seehofer betonte, hätte er den Koalitionsbeschluss in den Masterplan aufgenommen, würde er die SPD für andere Teile in Mithaftung nehmen. "Ich betone ausdrücklich, es ist keine Provokation."

"Schritt für Schritt"

Leitmotiv seines Maßnahmenkatalogs sei die Schaffung von Ordnung und Gewährleistung von Humanität. Erforderlich sei eine Balance zwischen Hilfsbereitschaft und den Möglichkeiten des Staates. "Kein Land dieser Welt kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen", sagte der CSU-Chef. Integration könne nur gelingen mit einer Begrenzung der Zuwanderung. Er betonte zugleich, europäische Lösungen seien immer zu bevorzugen. Auf ein Zeitfenster ließ sich Seehofer nicht ein. Es sei aber "höchste Zeit", dass der Masterplan "Schritt für Schritt" umgesetzt werde. Dieser sei Bestandteil der Asylwende für Deutschland und müsse in seiner Gesamtheit gesehen werden.

Der Plan sieht Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen vor: So sollen etwa die Herkunftsländer unterstützt werden, um Fluchtursachen zu bekämpfen. In Transitländern sollen "sichere Orte" eingerichtet werden, um Menschen dort unterzubringen. Auf Ebene der Europäischen Union soll unter anderem die Grenzschutzagentur Frontex gestärkt und ein neues europäisches Asylsystem installiert werden. National will Seehofer durch die geplanten neuen Asylzentren (Anker-Zentren) für schnellere und effizientere Verfahren sorgen. Mitwirkungsverweigerern drohen Sanktionen, ebenso Personen, die nicht an Integrationskursen teilnehmen. Außerdem ist vorgesehen, dass länger als bisher niedrigere Leistungen für Asylbewerber gezahlt werden statt Sozialhilfe. Auch sollen mehr Sach- statt Geldleistungen ausgegeben werden. Untertauchen soll durch mehr Abschiebehaft verhindert werden. Der Plan dürfte auf seinen 23 Seiten daher bei seiner Umsetzung noch reichlich Sprengstoff für die Koalition bergen.

"Grundtenor bedenklich"

Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte, Seehofer müsse sich an die Vereinbarungen der Koalition halten: "Herr Seehofer hat aus dem Koalitionsvertrag und seit letzter Woche genügend Aufträge, die er abarbeiten muss."

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) reagierte skeptisch auf Seehofers Plan. "Wir sehen positive Ansätze, der Grundtenor dieses Papiers ist jedoch bedenklich", erklärte der UNHCR-Vertreter in Deutschland, Dominik Bartsch. Der Plan vernachlässige das Wichtigste: "den Menschen". Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagte, die "verbrieften Schutzrechte" von Schutzsuchenden würden völlig außer Acht gelassen. Die Organisation Pro Asyl monierte, ein faires Verfahren für schutzsuchende Menschen solle auf möglichst vielen Ebenen verhindert werden.

Unterstützung gab es vom Deutschen Landkreistag. Dessen Präsident Reinhard Sager sagte, der "Masterplan" leiste einen guten Beitrag für ein umfassendes Konzept zur Steuerung von Migration und Integration. Unions-Fraktionsvize Stephan Harbarth sagte, der Plan finde in allen Teilen die Unterstützung der Abgeordneten von CDU und CSU und sei eine "Blaupause für die Asylgesetzgebung". Kritik kam von der Opposition. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einem "Chaos-Plan". Seehofer agiere verantwortungslos, wenn er selbst nach diesen Wochen nicht in der Lage sei, die wenigen von der SPD vorgeschlagenen Änderungen einzuarbeiten.

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