Kritik an Armenier-Resolution des Bundestages offenbar gestiegen

ŞADUMAN İNCE KARA
ISTANBUL
Veröffentlicht 01.06.2016 00:00
Aktualisiert 17.07.2016 15:11
Foto: AA
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Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), hat die geplante Bundestagsresolution zu Armenien kritisiert, in der die Vorgänge vor hundert Jahren als Völkermord bezeichnet werden. Dadurch würden „Türen eher zugeschlagen und die geschichtliche Aufarbeitung zwischen der Türkei und Armenien sogar verhindert", sagte Özoguz am Samstag dem ARD-Hauptstadtstudio. Trotz ihrer kritischen Haltung will Özoguz jedoch am Donnerstag für den gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen stimmen.

Die Türkei lehnt die Einstufung als Völkermord strikt ab. Die türkische Regierung kritisierte, dass eine derartige Resolution nicht Aufgabe von Parlamenten sei, sondern von unabhängigen Historikern, die Vorfälle von damals aufzuklären. „Niemand wird dem Wort auch nur irgendeines Parlaments in dieser Sache Beachtung schenken", sagte Regierungssprecher Numan Kurtulmus am Montag nach einer Kabinettssitzung.

In den letzten Tagen nahm die Kritik der türkischen Organisationen ebenfalls zu. Diese warnten vor einem Zusammenbruch des friedvollen Zusammenlebens sowohl in Deutschland als auch in der Türkei. Über 550 türkische Verbände schickten dem Bundespräsidenten Gauck, der Bundeskanzlerin Merkel und den Bundestagsabgeordneten ein Schreiben zu, das vor einer Anerkennung der Ereignisse als Völkermord warnt.

Am Samstag demonstrierten in Berlin türkische Verbände und Organisationen gegen die geplante Resolution. Etwa 1000 Menschen zogen nach Polizeiangaben vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor. „Der Bundestag ist nicht zuständig! Parlamente sind keine Gerichte!", hieß es auf Plakaten. Zudem riefen die Türkisch-Deutsche Solidaritätsplattform und mehrere türkische Vereinigungen für eine Groß-Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin am Mittwoch, dem 1.Juni, auf.

Auf die Frage der Daily Sabah Deutsch, warum der Bundestag gerade jetzt, nach hundert Jahren, für eine Resolution abstimmen möchte, erklärte Ozan Ceyhun, Mitglied des Innenausschusses im Europäischen Parlament, dass diese offenbar ein weiterer Schritt gegen die „neue und unabhängige" Türkei darstelle. „Bestimmte Kreise in Europa versuchen alle Wege auszuschöpfen, um der Türkei zu schaden" betonte Ceyhun.

Man habe Hoffnung auf Terrororganisationen gelegt, um der Türkei und vor allem dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Weg zu stehen, fügte der EU-Parlamentarier hinzu. Auch die Gezi-Proteste in Taksim oder die Versuche der Staatsstreiche am 17. und 25. Dezember und viele ähnliche seien kein Zufall, sondern geplante Vorgänge.

Weiter erläuterte Ceyhun, dass die Bundestagsabgeordneten durch die unwahren und einseitigen Informationen zum „Völkermord an den Armeniern" hauptsächlich den Türken und den Armeniern schaden.

„Dies ist kein Thema, das die Bundesregierung zu lösen hat. Falls zwischen den Türken und den Armeniern Konflikte bestehen, können diese untereinander durch Dialoge geklärt werden. Die Türkei ruft schon seit längerer Zeit Armenien auf, einen geschichtlichen Rückblick mit Historikern gemeinsam zu realisieren", sagte Ceyhun.

„Die Bundestagsabgeordneten erhalten zurzeit viele Protestmails. Fraglich ist, wie diejenigen Abgeordneten, die nun für einen Völkermord stimmen, bei den nächsten Wahlen die Stimmen der Türken für sich gewinnen möchten? Die Abgeordneten sollten sowohl die Türken als auch die Armenier in Frieden lassen und sich auf die eigenen Sorgen konzentrieren", fügte Ceyhun hinzu.

reuters, afp

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