Die Schießerei von München und die Parallele zu Erfurt und Winnenden

AFP
MÜNCHEN
Veröffentlicht 24.07.2016 00:00
Aktualisiert 24.07.2016 12:35
Die Schießerei von München und die Parallele zu Erfurt und Winnenden

Wer ist der Attentäter von München? Was war sein Motiv? Bei den drängendsten Fragen nach der Schießerei mit insgesamt zehn Toten konnten die Ermittler inzwischen weitgehende Antworten geben. Bei dem Todesschützen handelte es sich um den in München geborenen 18 Jahre alten Schüler David S. Depressionen und Schulprobleme sollen ihn zu einem "klassischen Amoktäter" gemacht haben.

Polizeipräsident Hubertus Andrä sind am Tag nach dem Ausnahmezustand in München drei Feststellungen wichtig: Erstens sei es eindeutig ein Einzeltäter gewesen. Zweitens gebe es bei dem Deutsch-Iraner "überhaupt keinen Bezug zum Thema Flüchtlinge". Und drittens sei München wieder sicher.

In der Nacht zu Samstag sorgten sich noch viele Münchner darum, ob ihre bei Touristen in aller Welt beliebte Stadt so bald wieder zur Ruhe zurück finden würde. Lange erfüllte der Lärm von Sirenen und Hubschraubern die Münchner Nacht. 2300 Polizisten suchten nach möglicherweise drei Terroristen. Erst nach Stunden der Angst stand fest, dass es nur ein Täter war - und dass von Terrorismus keine Rede sein kann.

Neben dem Tatort am Olympia Einkaufszentrum, wo S. neun fast ausschließlich jugendliche Menschen mit zum großen Teil ausländischer Herkunft erschoss und sich danach selbst tötete, wird eine Wohnung an der Dachauer Straße mitten in München zum Hauptort des Interesses. Dort lebte David S. bis zuletzt mit seinen Eltern.

Polizisten durchsuchen die Wohnung. Beweismaterial wie Zeitungsausschnitte über Amoklagen und das Buch "Amok im Kopf - warum Schüler töten" bringen sie zu dem Schluss, dass die Schießerei keine Terrortat war.

Von solch einer Terrortat waren die Ermittler zunächst ausgegangen. Doch statt mit den Anschlägen von Paris, Brüssel, Nizza oder zuletzt Würzburg scheint der Fall seine Parallele in den zwei folgenreichsten Amokläufen in Deutschland zu haben. S. hatte massive Schulprobleme und spielte gewaltverherrlichende Computerspiele.

Auch beim Amoklauf am Erfurter Guttenberg-Gymnasium 2002 mit 17 Toten und beim Amoklauf von Winnenden mit 16 Toten 2009 war dies bei den mit 19 und 17 Jahren ebenfalls noch jungen Tätern so. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte deshalb als Konsequenz, dass mehr über gewaltverherrlichende Spiele diskutiert werden solle.

Die Frage ist auch, wer bereits wann etwas von den Schulproblemen und der Gewaltlust des polizeilich unbescholtenen Amokschützen mitbekommen hat. Eine Nachbarin von S. beschreibt diesen noch am Samstag als "guter Mensch". Er habe ihr geholfen. "Er hat gelacht wie ein normaler Mensch", sagt die Nachbarin noch.

Bekannte berichten dagegen in Medien von offen über soziale Netzwerke verbreiteten Hass. Besonders perfide erscheint die Ermittlungserkenntnis, dass der 18-Jährige wohl ein Facebook-Konto eines Mädchens geknackt und über dieses zum Tatnachmittag zu der betroffenen McDonald's-Filiale geladen haben soll.

Eine verstörende Vorstellung - so verstörend wie ein während der Tat gedrehter Film, auf dem die Stimme des Mannes zu hören ist. Unter wüsten Beschimpfungen von Zeugen sagt der in dem Film auf einem Parkhaus des Einkaufszentrums umher laufende Mann, er sei Deutscher, aufgewachsen in einer Hartz-IV-Gegend. Dann ist zu hören, wie er Schüsse abgibt. In einem anderen Film ist zu sehen, wie er vor dem McDonald's Schüsse abfeuert.

Das Leben in München lief am Samstag bereits wieder vollständig normal. Busse, U- und S-Bahnen fuhren wieder im Normalbetrieb. Am zeitweise gesperrten Münchner Hauptbahnhof nahmen viele Menschen ihre ursprünglich für Freitag geplante Reise wieder auf.

Der 73 Jahre alte Peter Titerle äußert dort Angst vor dem nächsten Anschlag. "Das Schlimme ist, dass jeder Idiot das nachmacht. Es kann morgen in Hamburg, übermorgen in Leipzig passieren", sagt der Rentner aus Bremerhaven.

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