Vorgezogene Parlamentswahlen: Großbritannien wählt heute

DPA
LONDON
Veröffentlicht 08.06.2017 00:00
Aktualisiert 08.06.2017 15:24
Reuters

Fast ein Jahr nach dem Brexit-Referendum gehen die Briten heute wieder wählen. Premierministerin Theresa May will mit der vorgezogenen Parlamentswahl eine größere Mehrheit für ihre konservativen Tories und mehr Rückendeckung für die Brexit-Verhandlungen bekommen.

Umfragen zufolge könnte May ihr Ziel aber verfehlen. Ihre Partei lag zuletzt nur noch wenige Prozentpunkte vor Labour - das reine Mehrheitswahlrecht macht es den Demoskopen allerdings schwer.

Die Briten können von 8 bis 23 Uhr MESZ ihre Stimme abgeben. Eine auf Wählerbefragungen basierende Prognose folgt direkt nach Schließung der Wahllokale. Die Auszählung der 650 Stimmbezirke dauert die ganze Nacht. In einigen Bezirken geht es tagsüber weiter. Nachts dürfte sich ein belastbarer Trend des Wahlergebnisses abzeichnen, das Endergebnis aber erst am Nachmittag vorliegen.

Als May im April die Neuwahl ausrief, lagen die Konservativen zeitweise noch mehr als 20 Prozentpunkte vor Labour. Mehrere Fehler im Wahlkampf ließen den Vorsprung aber bis auf wenige Prozentpunkte im einstelligen Bereich schmelzen. So lehnte May etwa gemeinsame TV-Duelle mit Labour-Chef Jeremy Corbyn ab. Bei Wahlkampfauftritten wirkte die 60-Jährige verkrampft und verstrickte sich in Widersprüche.

Nach drei Terroranschlägen in Großbritannien innerhalb von drei Monaten warfen Kritiker May vor, während ihrer Zeit als Innenministerin für den Abbau von über 20 000 Stellen bei der Polizei mitverantwortlich gewesen zu sein. Auf starke Kritik der Opposition stießen ihre Äußerungen, notfalls Menschenrechte einzuschränken, um Terrorverdächtige länger festzuhalten oder schneller abzuschieben. Corbyn versprach in seinem Wahlprogramm 10 000 Polizisten mehr.

Der Altlinke Corbyn spricht vor allem junge Wähler an und will die Kluft zwischen Arm und Reich verringern. So will der Labour-Chef Studiengebühren abschaffen und das marode Gesundheitssystem auf Vordermann bringen. Ihm wird aber vorgeworfen, führungsschwach zu sein und sich ungenügend gegen den Brexit zur Wehr gesetzt zu haben.

Der europafeindlichen Ukip-Partei droht der Kollaps bei der Wahl. Im Parlament waren die Rechtspopulisten zuletzt gar nicht mehr vertreten. Im März war der Inhaber ihres einzigen Abgeordnetensitzes aus der Partei ausgetreten. «Die Konservativen werden vermutlich viele Ukip-Wähler abziehen», sagte John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow.

Das Unterhaus hat so viele Sitze wie Großbritannien Wahlkreise: 650. Vor seiner Auflösung am 3. Mai schickten die Konservativen die meisten gewählten Volksvertreter ins Parlament: 330 Sitze - die absolute Mehrheit - standen den Tories zu. Labour holte bei der letzten Wahl im Jahr 2015 insgesamt 232 Sitze.

Die Schottische Nationalpartei (SNP) war mit 56 Sitzen die drittstärkste Kraft, sie hatte bei der Parlamentswahl 2015 fast alle der 59 schottischen Wahlbezirke gewonnen. Die Liberaldemokraten, die als einzige landesweite Partei weiterhin für einen Verbleib in der Europäischen Union kämpfen, hatten acht Sitze.

Großbritannien hat ein reines Mehrheitswahlrecht. Das bringt meist eine absolute Mehrheit für eine Partei hervor. Kleine Parteien werden bei dem Wahlsystem meist benachteiligt.

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