Brexit-Durchbruch mit vielen offenen Fragen

AFP
BRÜSSEL, Belgien
Veröffentlicht 08.12.2017 00:00
Aktualisiert 08.12.2017 19:37
AFP

Die EU-Kommission und die britische Regierung haben anderthalb Jahre nach dem Brexit-Votum der Briten eine Einigung über zentrale Austrittsfragen erzielt. Sie ist Bedingung für Phase zwei der Gespräche über die künftigen Beziehungen. Hinter vielen Details stehen aber noch Fragezeichen. Die Mitgliedstaaten und auch das Europaparlament werden die Vereinbarung deshalb noch genau unter die Lupe nehmen, bevor am Freitag der EU-Gipfel entscheidet. Ein Überblick:

NORDIRLAND

Die britische Provinz Nordirland würde nach dem Brexit durch eine EU-Außengrenze von Irland getrennt. Dies würde nicht nur weitreichende Folgen für Wirtschaft und Handel haben. Auch viele Bestimmungen des Karfreitagsabkommens, das den blutigen Nordirland-Konflikt zwischen irisch-katholischen Nationalisten und protestantischen Loyalisten beendete, basieren auf einer "unsichtbaren" Grenze.

Das Karfreitagsabkommen müsse "in allen seinen Teilen geschützt werden", heißt es nun in der Vereinbarung zwischen London und der EU-Kommission. May sicherte zu, es werde "keine harte Grenze" mit strengen Pass- und Zollkontrollen zwischen Irland und Nordirland geben.

Wie das in der Praxis möglich sein soll, blieb aber weiter offen. Denn Großbritannien will auch aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion austreten. Nordirland bräuchte einen Sonderstatus, der Freizügigkeit für Bürger und Unternehmen Richtung Irland weiter garantiert. Für May ist dies hochbrisant, denn solche Lösungen wecken bereits Begehrlichkeiten in anderen Landesteilen wie Schottland, die ähnliche Rechte wollen.

Die EU sicherte sich im Deal mit May ab, falls Verhandlungen nicht zum Erfolg führen. "Ohne eine vereinbarte Lösung" werde Großbritannien "völlige Übereinstimmung mit den Regeln des Binnenmarktes und der Zollunion beibehalten" - sofern diese "die Nord-Süd-Kooperation, die Wirtschaft der gesamten Insel und den Schutz des Abkommens von 1998" sicherstellen.

AUSTRITTSRECHNUNG

Die EU verlangt, dass Großbritannien alle während der Mitgliedschaft eingegangenen finanziellen Verpflichtungen erfüllt - selbst über das Austrittsdatum Ende März 2019 hinaus. Das liegt am mehrjährigen Finanzrahmen der EU, der noch bis Ende 2020 läuft. In Brüssel wird die Gesamtsumme auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt.

Wie erwartet vereinbarten beide Seiten nun noch keine konkrete Summe. "Mögliche Verbindlichkeiten werden zum Austrittsdatum des Vereinigten Königreichs aus der Union berechnet", sagte EU-Verhandlungsführer Michel Barnier. Früher sei dies nicht möglich, weil die Summe von künftigen Entwicklungen abhänge.

Vereinbart wurden lediglich Grundsätze, wie die Brexit-Rechnung erstellt wird. London wird dabei 2019 und 2020 weiter wie bisher seine jährlichen Mitgliedsbeiträge zahlen und und hat auch zugesichert, für seinen Anteil an Garantien bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder den EU-Afrika-Fonds einzustehen. Der Anteil an den Pensionszahlungen für EU-Beamte wird erst Ende 2020 berechnet.

EU-BÜRGER

In Großbritannien leben gut drei Millionen EU-Bürger, deren Rechte nach dem Brexit geklärt werden müssen. Sie könnten dort "wie heute weiter wohnen, arbeiten, studieren", sagte Barnier zur Vereinbarung mit London. Für sie und EU-Bürger, die noch bis zum Brexit-Datum kommen, soll London beim Aufenthaltsrecht einen "Sonderstatus" schaffen. Er soll es erlauben, ohne hohe Kosten und großen Verwaltungsaufwand zu bleiben.

Familienmitglieder wie Ehepartner, Kinder oder Eltern dürfen auch nach dem Austritt nachziehen. Garantiert werden Ansprüche bei Krankenversicherung, Renten und sonstigen Sozialleistungen - auch wenn die EU-Bürger nach dem Brexit in ein anderes Land ziehen. Die vereinbarten Rechte gelten umgekehrt auch für die gut eine Million Briten in der EU.

Bei der lange umstrittenen Frage, ob EU-Bürger die Rechte beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einklagen können, hat die Kommission klar nachgegeben. Es entscheiden nun grundsätzlich britische Gerichte. Dortige Richter können - aber müssen nicht - den EuGH anrufen, wenn es aus ihrer Sicht Rechtslücken gibt. Und dies gilt auch nur für acht Jahre.

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