Schweiz: Politik und Medien hetzen gegen Gallipoli-Theaterstück im HSK-Unterricht

DAILY SABAH
ISTANBUL
Veröffentlicht 08.05.2018 00:00
Aktualisiert 09.05.2018 14:29
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Ein Theaterstück im Rahmen des Unterrichts in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) zur geschichtsträchtigen Verteidigung der Gallipoli-Halbinsel im Ersten Weltkrieg wird in der Schweiz aktuell medial und politisch ausgeschlachtet – mit schlechter Intention. Und Schuld ist angeblich Präsident Erdoğan.

„Kleine Buben spielen Krieg im Thurgau", heißt es bereits im ersten Satz der schweizerischen Zeitung „SonntagsBlick". In dem Artikel ist die Rede von „verstörenden Szenen" bei einer Inszenierung der Gallipoli-Verteidigung – die eine Schlüsselrolle im türkischen Geschichtsbewusstsein spielt. Spätestens jetzt sollte klar sein, worauf das Ganze hinausläuft – falls einem die bereits hetzerisch klingende Überschrift „Erdoğan lässt Schüler in der Schweiz Krieg spielen" entgangen sein sollte.

|Sonntagsblick

Auch die Schweizer Politiklandschaft scheint bei dem Thema auf den Barrikaden. Der türkische Staat wolle Integration „verhindern oder gar bekämpfen", behauptet der wertkonservative CVP-Präsident Gerhard Pfister. Die Empörung kommt von allen politischen Richtungen.
Ist diese Kritik berechtigt oder scheitert es an kultureller Empathie und damit am Verständnis von dem, was überhaupt Sache ist? Denn einen direkten Zusammenhang zwischen Erdoğan und dem HSK-Unterricht gibt es nicht. Zwar sind mitunter türkische Konsulate für die Bereitstellung von Lehrpersonen und die Unterrichtsgestaltung beauftragt - jedoch geschieht die Benennung und Gestaltung nicht unter direkter Mitwirkung des Präsidenten. Und wie realitätsnah ist es, ein Theaterstück zu einem bedeutenden Ereignis in der jüngeren Geschichte der Türkei als Bedrohung für die Integration zu empfinden? Hier scheint es nicht wirklich einen kausalen Zusammenhang zu geben – dafür aber viel Populismus und steile Thesen.

Dieser Feststellung wird auch der St. Galler SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel gerecht, wenn er plump in Stammtischmanier gegenüber „Blick" beklagt: „In ihrem Land sollen sie machen, was sie wollen. Bei uns nicht! Wir müssen das Theater der Lakaien der türkischen Regierung unterbinden."

Ob es wohl den gleichen Aufschrei gegeben hätte, wenn das angefeindete Theaterstück einen anderen nationalen Hintergrund gehabt hätte und die Kinder nicht türkischstämmig gewesen wären?

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