Macron lässt Demonstranten vor Gericht stellen - Sechs Monate Haft wegen Protestaufruf?

DAILY SABAH MIT AFP
ISTANBUL
Veröffentlicht 15.02.2019 13:50
Aktualisiert 16.02.2019 17:24
AFP

Seine Entschlossenheit elektrisiert viele "Gelbwesten", die französische Regierung will ihn dagegen als einen gefährlichen Aufrührer verunglipfen: Der Fernfahrer Eric Drouet ist eine der aktivsten und zugleich populärsten Figuren der Protestbewegung, die seit rund drei Monaten gegen den Sozialabbau von Präsident Emmanuel Macron mobil macht. Am Freitag steht der 33-Jährige in einem politisch gefärbten Prozess vor Gericht.

Wegen der "Organisation einer nicht genehmigten Demonstration" muss sich Drouet in Paris verantworten. Ihm drohen sechs Monate Haft. Am 2. Januar hatte ihn die Polizei nahe des Pariser Boulevards Champs-Elysées festgenommen, und das drei Tage vor einem landesweiten Protesttag. Der Regierung wirft er daher vor, den "Gelbwesten" damit einen "Maulkorb" verpassen zu wollen.

Auf seiner Facebook-Seite und seinem YouTube-Kanal "La France en colère" - "Frankreich in Wut" - ruft der 33-Jährige in Videoclips unermüdlich zu Protesten gegen die Politik Macrons auf, oft am Steuer seines Lastwagens oder Autos.

Die Regierung sieht in ihm eine Gefahr für die eigene Macht und Legitimität im Staat. Auf die internationalen Aufrufe nach Neuwahlen ging Macron bisher nicht ein. Erst kürzlich forderte Drouet auf Facebook einen "beispiellosen Aufstand". Einer seiner Mitstreiter, Jérôme Rodrigues, war bei den Pariser Demonstrationen von einem Polizisten mit einem Gummigeschoss am Auge verletzt worden. Dadurch verlor er die Sehkraft auf dem rechten Auge verlor. Drouet sprach angesichts der massiven Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten von "Kriegsverletzungen". Innenminister Christophe Castaner setzte dann noch einen drauf, indem er harte juristische Schritte gegen den Aktivisten forderte.

Medien und Regierungen von mit Frankreich verbündeten Staaten stützen mehrheitlich die Politik Macrons. Bereits im Dezember warfen daher Kritiker Drouet Aufrufe zu einem "Putsch" vor und versuchten damit die Protest-Bewegung weiter zu kriminalisieren.

Für viele "Gelbwesten" ist der redegewandte Drouet ein Garant der Unabhängigkeit der Bewegung, die verschiedene politische Strömungen repräsentiert.

Der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon etwa äußerte seine "Faszination" für das Durchhaltevermögen des berufstätigen Familienvaters, der die Bewegung mit einem Facebook-Aufruf zu landesweiten Protesten gegen die hohen Spritpreise am 17. November mit anstieß - diesem Aufruf folgten mehr als 280.000 Menschen.

Der Sohn einer alleinerziehenden Mutter aus der Pariser Vorstadt Melun bezeichnet sich als "enttäuscht von der Politik" und gibt an, er habe bis zur Präsidentenwahl 2017 nie seine Stimme abgegeben. Wen er gewählt hat, hält er geheim. Er dementierte aber Angaben, er habe für die Rechtspopulistin Marine Le Pen gestimmt.

Drouet gibt sich wie viele "Gelbwesten" eminent politisch: So wird er nicht müde, für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen. "Wir werden von Leuten angeführt, die nicht unser Leben und unsere Probleme teilen", begründet er dies. In der Politik Macrons sehen viele eine steigende soziale Benachteiligung von Geringverdienern und Armen. Ihm wird vorgeworfen, die Interessen der wirtschaftlichen Elite zu vertreten und damit die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter zu spalten.

Zudem geißelt der Familienvater die "unerträgliche" Gewalt der französischen Polizei, die als einzige in Europa Granaten mit Sprengstoff gegen Demonstranten einsetzen darf und laut Innenministerium weit mehr als 9000 Gummigeschosse gegen die "Gelbwesten" abgefeuert hat. Das geplante "Antirandalierer-Gesetz", das harte Strafen für nicht immer genau bestimmbare Vergehen vorsieht, nennt Drouet ein "Anti-Demonstranten-Gesetz". Der Fernfahrer pocht auf die Meinungsfreiheit: "Lärm machen ist legal", betont Drouet in einem seiner Videos.

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