Berlin und Brüssel drängen EU-Staaten zu Solidarität bei Aufnahme von Migranten

AFP
BERLIN
Veröffentlicht 10.07.2019 11:46
DPA

Deutschland und die EU-Kommission drängen andere Mitgliedstaaten zu einem stärkeren Engagement bei der Aufnahme von aus Seenot geretteten Migranten.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos verlangte in der Zeitung "Die Welt" eine Einigung auf einen "vorläufigen" Verteilungsmechanismus. Die Bundesregierung will die Flüchtlingsverteilung beim Treffen der EU-Innenminister kommende Woche ansprechen. Die Einigungschancen scheinen aber gering. Derweil gingen 44 von dem deutschen Rettungsschiff "Alan Kurdi" gerettete Migranten in Malta an Land.

In den vergangenen Wochen waren mehrfach Schiffe von Hilfsorganisationen mit Geflüchteten daran gehindert worden, in Italien und Malta anzulegen. Für internationale Empörung hatte gesorgt, dass die italienischen Behörden Ende Juni die deutsche Kapitänin Carola Rackete des Hilfsschiffes "Sea-Watch 3" festnahmen, weil diese sich über das Verbot hinweggesetzt und 40 Migranten an Land gebracht hatte. Sie ist inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Bis eine Einigung über die seit Jahren blockierte EU-Asylreform gefunden sei, müssten die EU-Mitgliedstaaten "vorläufige Vereinbarungen" finden, wie mit geretteten Geflüchteten umzugehen sei, sagte Avramopoulos der "Welt". Dabei müssten Situationen wie bei den deutschen Flüchtlingsrettungsschiffen "Sea-Watch 3" oder "Alan Kurdi", bei denen die Kommission Einzelfall-Lösungen zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert hatte, verhindert werden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will das Thema beim Treffen der EU-Justiz- und Innenminister am 18. Juli in Helsinki ansprechen. Dabei wolle er sich "entschieden für eine humanitäre und praktikable Lösung für die aktuellen Herausforderungen der Migration über das Mittelmeer einsetzen", teilte sein Ministerium am Dienstag mit. Es müsse "kurzfristig eine vorübergehende europäische Lösung erzielt werden".

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte, dass sich die EU seit dem Ende ihrer Mittelmeer-Mission "Sophia" von "einer Notlösung zur nächsten" hangele. "Wir können nicht auf alle warten. Die aufnahmebereiten Staaten müssen jetzt vorangehen", sagte Müller der "Bild"-Zeitung (Dienstagsausgabe).

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) rief die europäischen Regierungen auf, bei der libyschen Regierung auf eine "deutliche Verbesserung" für die Migranten in den dortigen Lagern hinzuwirken. "Ziel muss eine Freilassung aller Menschen aus den Lagern sein", sagte der UNHCR-Repräsentant in Deutschland, Dominik Bartsch, der "Welt".

Über eine "Koalition der Aufnahmewilligen" wird in der EU schon seit 2016 diskutiert, nachdem eine Einigung aller Mitgliedstaaten auf die Flüchtlingsverteilung insbesondere am Widerstand osteuropäischer Staaten gescheitert war. Deutschland hoffte anfangs noch auf rund 20 Staaten, die sich regelmäßig an der Aufnahme Geflüchteter beteiligen. Zuletzt waren es zwischen vier und sechs.

Die italienische Regierung schloss am Dienstag im Beisein von Innenminister Matteo Salvini offiziell das einst größte Auffanglager für Geflüchtete auf Sizilien. Die Anlage in der Kleinstadt Mineo hatte zu Spitzenzeiten mehr als 4100 Geflüchtete beherbergt. Durch die Schließung, die von Protesten durch ehemalige Angestellte des Lagers begleitet wurde, könne der Stadt "eine ganze Menge Geld" sparen, sagte Salvini.

Nach der Weigerung der italienischen Regierung, ihre Häfen für Schiffe mit Flüchtlingen zu öffnen, kamen im ersten Halbjahr nur noch gut 3000 Flüchtlinge in Italien an. Im gesamten Jahr 2018 waren es noch über 23.000 gewesen. In Malta waren es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres rund tausend Flüchtlinge.

Die am Montag von dem deutschen Rettungsschiff "Alan Kurdi" vor der Küste Libyens geretteten 44 Menschen konnten nach Angaben der maltesischen Regierung am Dienstag auf der Mittelmeerinsel an Land gehen. Die Migranten waren nach Angaben der Organisation Sea-Eye "in Kooperation mit maltesischen Behörden" gerettet worden.

Nach italienischen Medienberichten griff ein Schiff des italienischen Zolls weitere 47 Menschen aus Seenot auf. Sie erreichten demnach am Dienstag den Hafen der sizilianischen Stadt Pozzallo.

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