Der Fußball in der Türkei - eine importierte Leidenschaft

ERHAN AFYONCU
ISTANBUL
Veröffentlicht 14.04.2018 00:00
Aktualisiert 14.04.2018 15:29
Diese Zeichnung von einem unbekannten Künstler zeigt Fußball spielende Männer im England des 19. Jahrhunderts.
Diese Zeichnung von einem unbekannten Künstler zeigt Fußball spielende Männer im England des 19. Jahrhunderts.

Fussball, vielleicht der populärste Sport der Welt, nahm etwa gegen Ende der 1880er Jahre Einzug in das Osmanische Reich. Er entwickelte sich mit der Zeit zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens.

Gemäss historischen Angaben ist China, nebst anderer wichtiger Erfindungen wie das Schiesspulver und der Buchpresse, die Geburtsstätte des Fussballs.

Fussball wurde anfangs ohne jegliche Regeln gespielt. Die ersten Spiele fanden zwischen den Einwohnern zweier Dörfern statt. Diese kämpften auf dem Spiel-«Feld», grätschten, rutschten ineinander und zerstörten sogar gegenseitig ihre Häuser. Obendrauf war die Anzahl der Spieler nicht begrenzt. Moderner Fussball, oder Fussball wie wir ihn kennen, wird den Engländern zugeschrieben, da sie, erstmals in der Geschichte des Fussballs, offizielle Regeln bestimmten.

Fussball in Istanbul

Fußball wurde im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts von Ausländern ins Osmanische Reich gebracht. Erste Fußballspiele fanden in Städten wie Izmir und Thessaloniki statt. Die Familie La Fontaine aus Izmir gründete zusammen mit anderen englischen Familien aus der Stadt den „Bournabat Football and Rugby Club".

Die Fussball Mannschaft von Galatasaray während der osmanischen Epoche.

James La Fontaine, der den Fußball in Izmir eingeführt hatte, zog 1889 nach Istanbul. Dort wurde Fußball erst in den späten 1880er Jahren populär. Ausländer und die nicht-muslimische osmanische Bevölkerung spielte Fußball zumeist in den Stadtteilen Kadıköy und Moda.

Die Wiese im Viertel Kuşdili gilt als Geburtsort von Fenerbahçe. Der Ort gehört zugleich zu den Orten in Istanbul, an denen zum ersten Mal Fußball gespielt wurde. Ausländer und nicht-muslimische Bürger im Osmanischen Reich gingen an Wochenenden häufig nach Kuşdili oder zu anderen Wiesen in Istanbul, um Spaß zu haben – aber auch um Fußball zu spielen.

Während der Regierungszeit von Sultan Abdülhamid II. stand der Fußball jedoch unter Beobachtung. Osmanische Sicherheitsbeamte verfolgten immer den aktuellen Stand des Geschehens und Fussballspieler wurden observiert.

Torpfosten – damals noch als «Türen» bezeichnet

Auswanderer aus verschiedenen Nationen, vor allem aber aus England, spielten meistens in Istanbuler Bezirken auf der asiatischen Seite Istanbuls. Kuşdili, Göksu und Küçüksu gehörten zu den beliebtesten Orten für Fußballspiele.

Historische Berichte deuten darauf hin, dass die damaligen osmanischen Behörden von den Menschenmengen bei den Fussballspielen nicht sonderlich erfreut waren. Der Gouverneur von Üsküdar beispielsweise verfolgte regelmäßig diejenigen, die Fußball spielten und meldete diese an die Osmanischen Behörden. Die osmanischen Behörden beschrieben das Spiel in ihren Aufzeichnungen als etwas, das „mit einem Ball aus einem Reifen in einem umkreisten Bereich mit zwei Türen an zwei Enden gespielt" wird.

Auch Einwohner von Kandilli, Tarabya, Bebek, Beyoğlu, Kadiköy und Moda - Mitarbeiter der englischen Botschaft und Schüler der englischen, italienischen, französischen und griechischen Schulen der Stadt spielten Fußball.

Der Fußball wurde als eine Art Unterhaltung wahrgenommen, daher wurden die Spiele auch öfter von Familien besucht. Fußball machte den Menschen Spaß und sie konnten sich auf diese Weise sportlich betätigen.

In einem Bericht vom 10. Juli 1897 wird der „Fußballwahn" als solcher beschrieben: „Der Bankier Monsieur Duka Dipkali und der Bankier Monsieur Edvar, die in Kadıköy wohnen, und einige 100 weitere Männer und Frauen sind am Samstag mit einem Dampfer nach Göksu gefahren. Sie hatten ein Picknick und spielten dort Fußball. Da die Menge groß war, behielt die Polizei die Gruppe im Auge. Sie sagten, dass sie fortan jeden Samstag nach Göksu kommen wollten."

Türken schließen sich dem Fußball an

In den frühen Tagen des Fußballs im Osmanischen Reich waren Türken nicht wirklich an dem Spiel interessiert. Sie begannen erst Ende der 1890er Jahre mit dem Fußball. Im Jahr 1901 gründeten Reşat Danyal, Fuad Hüsnü und ihre Freunde den „Black Stockings"-Fußballklub. («die mit den schwarzen Stülpen»). Sie gaben ihrem Klub einen englischen Namen, weil sie glaubten, dass dieser besser ankommen würde. Denn sie nahmen an, dass Fußball spielende Türken nicht gerne gesehen werden.

Der Black Stockings F.C. löste sich jedoch bereits im gleichen Jahr wieder auf, ohne den türkischen Fußball zu prägen. Im Jahr 1905 gründeten die Schüler von Mekteb-i Sultani (der heutigen Galatasaray Universität) die Mannschaft Galatasaray, den ersten türkischen Fußballklub, unter Führung von Ali Sami Yen. Wenige Zeit später, im Jahr 1907, gründete die Jugend von Kadıköy den Fenerbahçe Sport Klub. Die Fussball-Liga in Istanbul begann im Jahr 1904. Galatasaray trat erstmals in der Saison 1906/07 ein, Fenerbahçe folgte 1909/10.

Die Mannschaft vom Klub Beşiktaş, das 1903 ursprünglich als Turnverein gegründet wurde, konzentrierte sich erst nach 1910 auf den Fußball. Mit dem Aufstieg der ersten drei Mannschaften in der Istanbul-Liga entwickelte sich in der Türkei langsam ein wachsender Wettbewerb und eine unterhaltsame Leidenschaft für den Fußball.

Fußballspiele unter Polizeibeobachtung

Der erste dokumentierte Bericht über Fußball in den osmanischen Archiven bildet eine Polizeiakte vom 23. November 1890.

„Zwischen 20 - 25 englische Jugendliche versammelten sich unter der Aufsicht der Söhne des Moda-Bewohners Monsieur Witek in Kuşdili und spielten mit einem Ball aus Reifen in einem eingekreisten Gebiet. Der Spielbereich hatte zwei Türen an beiden Enden. Der Vorfall wurde untersucht und es kam heraus, dass sie Wohltätigkeitsspiele für Schulen spielten. Nach dem Spiel wollten die Gewinner das Preisgeld an die Schulen spenden. Die Engländer werden jeden Samstag trainieren, bis das letzte Spiel gespielt wird. Das Governeursamt in Üsküdar prüft wann das richtige Spiel gespielt - wie viel Geld gesammelt - und an welche Schulen es vergeben wird. Es ist notwendig, Vorkehrungen zu treffen und Entwicklungen der Polizei zu melden, damit nichts Unkorrektes passiert."

Der Fußball in Istanbul mit den Worten von Burhan Felek

Burhan Felek, eine der legendären Persönlichkeiten des türkischen Journalismus, erzählt, wie der Fußball, der zunächst nur von Istanbuls Ausländern und Nicht-Muslimen gespielt wurde, die Aufmerksamkeit der Einheimischen auf sich zog.

„Eines Tages erzählte uns Ziya Bey in einem Kaffeehaus, dass einige Engländer in Kuşdili Ball spielten. Er sagte, dass wir hingehen und uns das am Sonntag anschauen sollten. Am nächsten Sonntag gingen wir dann zu dem Feld. Dort waren einige tausend Menschen. Kuşdil war eine offene Wiese. Es gab keine Eintrittsgebühr oder Eintrittskarte, aber das Fußballfeld war von Eisendrähten umgeben, die sich um Pfähle in zwei Metern Entfernung vom Feld erstreckten. Das erste Spiel fand zwischen Moda-Klub und Kadıköy-Klub statt. Im Moda-Klub spielte auch der Marineoffizier Fuat Bey, der später mit Fenerbahçe berühmt wurde. Die vier Ecken des Feldes waren voller Zuschauer. Es gab sogar Leute, die Kutschen mieteten, um einen besseren Überblick zu haben. Das war meine erste Begegnung mit dem Fußball. Das war im Jahr 1906."

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