"Wunderwaffe" Antibiotikum wirkt oft nicht mehr

AFP
LEIPZIG
Veröffentlicht 27.05.2016 00:00
Aktualisiert 27.05.2016 13:15
Wunderwaffe Antibiotikum wirkt oft nicht mehr

Der Fall einer Patientin in den USA, bei der kein Antibiotikum mehr anschlug, sorgt für Schlagzeilen. Auch gegen das Notfallantibiotikum Colistin zeigte sich der "Super-Erreger", ein E-Coli-Bakterium, immun. Multiresistente Erreger (MRE) sind vor allem im Krankenhausbereich ein weltweit wachsendes Problem.

Welche Wirkung haben Antibiotika?

Antibiotika sollen Bakterien abtöten oder deren Wachstum hemmen und so Infektionen heilen. Es gibt mehr als 15 verschiedene Klassen von Antibiotika, die sich in ihrer chemischen Struktur und in ihrer Wirksamkeit gegen verschiedene Bakterien unterscheiden. Behandelt werden damit bakterielle Infektionen, zum Beispiel eine durch Pneumokokken verursachte Lungenentzündung. Gegen Viren, die etwa eine banale Erkältung verursachen, können Antibiotika nichts ausrichten.

Wie entsteht eine Antibiotikaresistenz?

Bakterien sind sehr anpassungsfähig und wahre Überlebenskünstler. Sie vermehren sich sehr schnell. Dabei können spontan Veränderungen im Erbgut auftreten, so dass die Erreger unempfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika werden. Einige Bakterien tauschen außerdem ab und zu kleine Stücke ihres Erbgutes untereinander aus. Auch dies kann die Erreger widerstandsfähig gegen Antibiotika machen.

Der übermäßige Einsatz von Antibiotika beim Menschen und in der Tiermast sowie eine unsachgemäße Einnahme der Medikamente fördert solche Resistenzbildungen. Zum Teil sind Bakterien aber auch von Natur aus immun gegen bestimmte Antibiotika.

Um welche Erreger geht es?

In den meisten Fällen handelt es sich um den Methillicin-resistenten Staphylococcus aureus - kurz MRSA. Dieser Bakterienstamm kann schwere bis tödliche Infektionen verursachen. Sogenannte Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) können gefährliche Darmkrankheiten auslösen. Ein weiterer Krankenhauskeim trägt das Kürzel ESBL, es handelt sich um resistente Enterobakterien, die zur normalen menschlichen Darmflora gehören, für Kranke und Schwache aber eine Gefahr sind.

Wie viele Menschen infizieren sich?

Dazu gibt es unterschiedliche Angaben. Laut Bundesgesundheitsministerium erkranken jährlich 400.000 bis 600.000 Patienten an Krankenhausinfektionen. 10.000 bis 15.000 sterben jedes Jahr daran. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) geht sogar von fast einer Million Infektionen und mindestens 30.000 Todesfällen aus.

Was macht die Keime so gefährlich?

Für gesunde Menschen ist etwa MRSA in der Regel ungefährlich. Für immungeschwächte Patienten auf Intensivstationen, Krebskranke, Chirurgie-Patienten, frühgeborene Babys oder Menschen mit chronischen Wunden hingegen können multiresistente Erreger lebensgefährlich werden und unter anderem Lungenentzündungen, Wund- und Harnwegsinfektionen oder Blutvergiftungen auslösen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte erst vor wenigen Monaten, Antibiotika-Resistenzen hätten ein "gefährlich hohes Niveau in allen Teilen der Welt" erreicht.

Gibt es Behandlungsalternativen?

Versagen die üblichen Antibiotika, gibt es noch sogenannte Reserveantibiotika als letztes Mittel. Aber auch sie helfen nicht in allen Fällen, wie sich jetzt wieder bei der Patientin in den USA zeigte. Die Bakterien enthielten das Gen Mcr-1, das sie unempfindlich selbst gegen das Reserveantibiotikum Colistin macht. Das Gen wurde erstmals bei Schweinen in China nachgewiesen. Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zeigten, dass das mcr-1-Gen seit einigen Jahren auch in Keimen von Nutztieren und aus Lebensmitteln in Deutschland vorkommt.

Was wird in Deutschland gegen den Antibiotika-Missbrauch getan?

Bereits 2008 hat die Bundesregierung die sogenannte Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) auf den Weg gebracht. Ziel ist es, den Verbrauch von Antibiotika und die Resistenzen gegen die Medikamente sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin und Landwirtschaft stärker zu kontrollieren.

Im vergangenen Jahr wurde beschlossen, die Überwachung auszubauen sowie die Entwicklung neuer Antibiotika, schnellerer Testverfahren und alternativer Therapiemethoden zu verstärken. Seit geraumer Zeit müssen zudem Landwirte und Tierärzte noch genauer belegen, wann sie Antibiotika verabreichen.

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