Reiseleiterin enttäuscht von deutschem Konsulat in Istanbul

AFP
ISTANBUL
Veröffentlicht 12.01.2017 00:00
Aktualisiert 12.01.2017 16:08
dpa

Ein Jahr nach dem Anschlag auf eine deutsche Reisegruppe in Istanbul hat sich ihre Reiseleiterin enttäuscht gezeigt, dass es von deutscher Seite keine Gedenkfeier gab. "Wo ist das deutsche Konsulat? Warum sind sie nicht hier an diesem Tag?", fragte Sibel Satiroglu am Donnerstag in Istanbul. Sie hatte am 12. Januar 2016 die deutsche Gruppe geführt, als sich in ihrer Mitte ein Selbstmordattentäter in die Luft sprengte und zwölf Deutsche in den Tod riss.

"Heute ist es ein Jahr, dass ich meine lieben Reisenden verloren habe. Angesichts ihres Schmerzes bin ich in ihrer Abwesenheit hier, um meinen Respekt zu zeigen", sagte sie, nachdem sie auf dem Platz vor der Blauen Moschee ein dutzend rote Nelken für die Opfer niedergelegt hatte. An der Stelle auf dem alten römischen Hippodrom erinnert heute nichts mehr an das Attentat außer einigen Löchern in einer Laterne.

Das deutsche Generalkonsulat in Istanbul erklärte am Donnerstag, es sei keine offizielle Gedenkfeier für die Opfer geplant. Laut Satiroglu wollen die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer in Deutschland zum Gedenken zusammen kommen. Satiroglu, die seit 28 Jahren als Reiseleiterin arbeitet, ist heute praktisch ohne Arbeit, da seit dem Anschlag kaum noch deutsche Reisegruppen nach Istanbul kommen.

"Ich sehe sie immer noch vor mir stehen, alle waren so glücklich. Es war so ein schöner Tag, wie im Frühling", erinnert sich die Reiseleiterin, die die Gruppe am Vortag vom Flughafen abgeholt hatte. Sie hätten Zeit verloren, weil es draußen so schön war und sie zu viel geredet habe, sagte sie. Noch heute macht sie sich Vorwürfe, dass sie den Angreifer nicht rechtzeitig kommen sah.

"Ein Geräusch hat mich aufhorchen lassen. Ein ganz leises 'Tick'. Es war nur ein leises 'Tick', aber das hatte ich auf dem Hippodrom noch nie gehört", sagte Satiroglu. Es war das Geräusch, als der Attentäter den ersten Zünder auslöste, der jedoch den Sprengsatz nicht zündete. Erst mit dem Zweiten wurde die Explosion ausgelöst. Bis heute hat sich niemand zu der Tat bekannt, doch machen die Behörden die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verantwortlich.

"Sie haben mir später gesagt, dass ich geschrien habe. Ich wusste, dass ich innerlich geschrien habe, aber ich erinnerte mich nicht, dass ich auch laut geschrien habe, bevor er sich in die Luft gesprengt hat", sagte die Reiseleiterin. Die Erinnerung an das Geschehen lässt sie noch immer nicht los. "Es ist nicht immer so präsent wie heute, doch denke ich noch jeden Tag daran. Hundert Mal. Manchmal weine ich."

"Es schmerzt mich für unseren gemeinsamen Verlust. Die dies getan, die dies geplant haben, verfluche ich", sagte Satiroglu, die allein gekommen war, um den Opfern ihren Respekt zu zollen und die Erinnerung an sie wach zu halten. "Für mich ist es nicht vorbei, verstehen Sie? Für mich ist unsere Tour noch nicht beendet."

uvs/ju

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