Durch Moustapha Akkad hielt der Islam Einzug in Hollywood

BURAK ALTUN @burakaltun_DS
ISTANBUL
Veröffentlicht 04.08.2017 00:00
Aktualisiert 08.05.2018 12:33
Durch Moustapha Akkad hielt der Islam Einzug in Hollywood

Der im Jahr 1976 gedrehte Film „Mohammed – Der Gesandte Gottes" (engl. Titel: The Message) ist wohl das bekannteste und vielleicht auch am kontroversesten aufgefasste Werk von Moustapha Akkad. Seit der Veröffentlichung sind über 40 Jahre vergangen. Zwischenzeitlich ist er in Vergessenheit geraten - wurde aber immer wieder neu entdeckt und hat an Aktualität nicht eingebüßt.

Erst kürzlich lief der Film wieder im deutschten Free-TV - dieses Mal auf Arte. Ich kann mich noch an meine frühe Jugend erinnern, wo ich lange nach dem Film suchen musste. Denn das Internet war noch langsam und leer - auch im Fernsehen lief er nicht. Dafür wurden aber regelmäßig monumentale Bibelfilme gezeigt - mindestens an christlichen Feiertagen wie Ostern und Weihnachten. Historische Personen, verkörpert von hochkarätigen und bekannten Schauspielern, gedreht von bekannten und ihr Handwerk verstehenden Regisseuren. Diese Filme stammen fast alle aus den 1950er und 60er Jahren. Die Entstehungszeit des Islams als epochales Ereignis war in solchen Filmen nie Gegenstand der Handlung. Das hatte verschiedene Gründe: Der Islam war zum einen thematisch nicht interessant für das US-amerikanische und europäische Kino - sowohl für die Filmemacher als auch für das Publikum – und zum anderen war und ist es nach wie vor aus islamisch-theologischer Sicht problematisch, den Propheten Mohammed darzustellen.

Zwischen Horror- und Monumentalfilm

Der Film „the Message" ist zwar erst einige Jahre nach der Blütezeit des Monumentalfilms gedreht worden - doch die stiltypischen Elemente dieser Richtung wurden beibehalten.

Im Gegensatz dazu dominierten im Kino der 70er Jahre bereits satirische und kritische Filmelemente. Die Darstellungsart, die sich an historischen Vorbildern orientierte, erschien den gängigen Kritikern zumeist euphemistisch.

Die an historischen Quellen angelehnte Islam-Verfilmung von Moustapha Akkad kann daher auch als monotheistisch-rebellisches Werk gegen den Zeitgeist aufgefasst werden.

Akkad war der erste arabisch-muslimische Filmemacher, der in Hollywood Fuß fassen und Popularität gewinnen konnte. Er studierte in den USA Theaterwissenschaften und pflegte schon früh enge Kontakte zu Hollywood-Größen. Er war auch bei der Produktion der berühmten Halloween-Reihe mit dem Psycho-Killer Michael Myers beteiligt.

Akkad verstand es, seine Botschaften mittels bildgewaltigen Szenen zu vermitteln – nicht aufdringlich, sondern eher subtil, und nicht immer auf den ersten Blick leicht zu durchschauen.

Bei dem Epos zur Entstehungszeit des Islams führte er selbst Regie. Er orientierte sich dabei an den islamischen Quellen. An dieser Stelle wäre es sicher nicht verkehrt, auch den Beitrag des Drehbuchautors H.A.L. Craig zu erwähnen. Er war ein langjähriger Freund und schrieb auch das Drehbuch für den 1981 erschienen Film „Omar Mukhtar – Löwe der Wüste", der nach seinem Tod unter der Regie von Akkad gedreht worden ist. Ein Historienfilm über den Freiheitskampf Libyens gegen die italienische Invasion im 20. Jh. Die historische Figur des Umar al Muchtar, gespielt von Anthony Quinn, verkörpert dabei die Werte und Ideale der islamischen Kultur in Nordafrika, das lange Zeit Teil des Osmanischen Reiches war. In Italien war der Film, aufgrund der als brisant empfundenen Thematik, lange Zeit verboten. Bis ins Jahr 2009. Der damalige libysche Regierungschef Muammar al-Gaddafi hatte die Produktionskosten von insgesamt 35 Millionen Dollar aus eigener Tasche bezahlt.

Finanzierung und Umsetzung des Films zur Entstehungsgeschichte des Islams

Die Finanzierung von „The Message" war neben der Darstellung des Propheten, den man aus islamischer Sicht nicht audiovisuell wiedergeben darf, eines der Hauptprobleme. Doch Akkad fand eine Lösung.

Finanziert wurde der Film von Teilen der islamischen Welt. Marokkos König Hassan, Ägyptens Präsident Sadat und auch Libyens damaliger Chef Gaddafi unterstützten die Produktion. Etwa 16 Millionen Euro sollen die Kosten betragen haben. Die Rollen sind teilweise erstklassig besetzt. Anthony Quinn spielt Hamza ibn ʿAbd al-Muttalib, den väterlichen Onkel des Propheten. Wie auch später im Film „Omar Mukhtar", performt er seine Rolle ausgesprochen überzeugend und mitreißend.

Das Darstellungsproblem des Propheten Mohammed löst Akkad, indem er ihn weder bildlich, noch akustisch erkenntlich macht, aber seine Anwesenheit dennoch spüren lässt. Und das geht so: In verschiedenen Szenen wird zu ihm gesprochen - er selbst tritt aber nicht in Erscheinung. Die Kamera nimmt bei diesen Szenen die Ich-Perspektive ein. Seine Worte werden von Hamza, Zaid, Bilal oder anderen Begleitern lediglich zitiert - den Propheten selbst hört man nicht. Auch dessen Frau und die ersten Kalifen werden nicht gezeigt.

Der Film handelt von der Frühzeit des Islams zu Lebzeiten des Propheten – von der Verfolgung der ersten Anhänger durch die Quraisch, der ersten Auswanderung nach Abessinien, der Hidschra 622 sowie von den Schlachten von Badr und Uhud bis hin zur gewaltlosen Einnahme von Mekka 630.

Zwischen Kritik und Würdigung

Auch wenn das monumentale Werk unbestreitbar eine Perle der Filmgeschichte ist, hatte er bei seiner Erscheinung viele Kontroversen ausgelöst. Radikale Gruppen, die sich auf den Islam beriefen, kritisierten den Film - obwohl der Prophet nicht zu sehen war und der Regisseur den Film sogar im Vorfeld bei muslimischen Autoritäten legitimiert hatte. Die Proteste erreichten irgendwann auch die Straßen. Auf der anderen Seite kritisierten Leute aus der westlichen Filmwelt die Darstellungsweise der Religion. Denn die 1970er Jahre, geprägt durch die 68er-Bewegung, hatten auch im Kino viele Veränderungen mit sich gebracht. Gefragt waren provokante Satiren oder Skandalfilme, die mit Tabus brachen. Filme, die unkritisch erschienen, wurden von der Elite schlichtweg als uninteressant empfunden – unabhängig von anderen Qualitätsmerkmalen. Das erklärt auch die vielen durchschnittlichen Bewertung des Akkad-Streifens seitens damaliger Filmkritiker. Sicherlich hätte sie sich eine ähnliche Machart wie bei „das Leben des Brian" gewünscht.

Die Verfilmung zeichnet ein konträres Bild zum verzerrten Islam-Verständnis im Westen. Für die Muslime ist diese Darstellung jedoch eine Verdeutlichung der islamischen Werte, die medial für gewöhnlich kaum in Erscheinung treten, aber den Kern des Glaubens ausmachen. Während der Film lief, habe ich versucht, alle Motive und Botschaften aufzuschreiben, die mir bei den Szenen und Gesprächen in den Sinn kamen – es waren am Ende viele Stichpunkte. Auffällig sind die Parallelen zu sozialistischen Ideen, die im Grunde ebenso auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhen. Viele, die sich später vom Sozialismus abwandten und zu islamischen Idealisten wurden oder eine Integration eines angepassten Sozialismus in der islamischen Welt versuchten, haben irgendwann für sich feststellen müssen, dass das dem Sozialismus zu Grunde liegende Materialismus-Konzept unzureichend ist. Der Islam hingegen schien das weltliche Konzept mit der geistigen Dimension zu bereichern. Der pakistanische Nationaldichter und Denker Muhammad Iqbal hat seinerzeit in seinen Gedichten immer wieder Bezug dazu genommen.

Vorurteil und Aufklärung

Anhand der Thematik, die sich in beiden Filme von Akkad gedrehten Filmen wiederfinden lässt, wäre es sicher nicht verkehrt, ihn als cineastischen Verfechter der islamischen Gesellschaftsutopie zu bezeichnen. Dies kommt am stärksten bei „The Message" zum Ausdruck. Darin werden viele zentrale Werte des Islams vermittelt. Neben dem Grundgedanken von Gerechtigkeit und Gleichheit, auch Nächstenliebe, Tugendhaftigkeit, Ehrlichkeit, Solidarität, Gemeinschaftsgefühl, Arbeitswillen, Gleichwertigkeit von Mann und Frau, Anti-Rassismus, Toleranz oder auch Natur- und Tierschutz.

Es gibt eine Anspielung auf die gerechte Verteilung von Reichtum, der Fürsorge für Verwandte, Nachbarn und Waisenkinder. Bedeutend ist auch die Szene, wo die Läden offen stehen, samt den teuren Waren, weil die Anwohner gemeinsam das Gebet verrichten. Niemand sieht es für nötig, für Sicherheit zu sorgen, da es, so scheint es, keine Kriminalität gibt. Ähnliche Darstellungen lassen sich auch in Überlieferungen aus der osmanischen Epoche finden, die teilweise von westlichen Reisenden verfasst wurden, beispielsweise vom französischen Staatsmann Charles Gravier, comte de Vergennes im 18.Jh.

Das Motiv des Anti-Rassismus wird in dem Film gleich zu Beginn verdeutlicht. Bilal, der von der Sklaverei befreit wird, war der erste Muezzin des Islams und ist zugleich Sinnbild für Gleichheit unter den unterschiedlichen Ethnien und Ständen – es sollte kein Unterschied mehr zwischen Sklaven und Sklavenhaltern geben. Bilal gehörte zu den ersten Muslimen, die Verfolgung und Folter aushalten mussten und dennoch von ihrem Weg nicht abwichen.

Ein weiteres primäres Motiv sind die Frauenrechte, die es in der Form, im vorislamischen arabischen Raum nicht gab. Das Erbrecht, und sogar das Recht zu leben, wurde ihnen dort erst durch die Verbreitung des Islams zuteil. Davor war es Brauch, neu geborene Mädchen, die man als überschüssig betrachtete, einfach unter der Erde zu vergraben – lebendig. Auf diese grausame, vorislamische Praktik wird im Film eingegangen. Im krassen Gegensatz zu dieser Frauen-Revolution durch den Islam steht heute das in den Medien im Zusammenhang mit dem Islam gedeutete Frauenbild.

Das islamische Gebot, nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere und die Natur zu achten, wird an mehreren Stellen betont.Tiere sollen nicht gequält werden, auch soll man sie nicht mit Lasten überladen. Die Botschaft, Tier und Natur zu achten und zu schützen, ist besonders aus heutiger Sicht von großer Bedeutung. Denn die Massentierhaltung und die immense Umweltverschmutzung sind Phänomene der heutigen Gesellschaft.

Das Kriegsrecht, das im Westen erst im späten 19. Jh. ansatzweise formuliert worden war, war in der islamischen Kriegsethik bereits vorhanden. Krieg und Tötung sind nur im Verteidigungsfall legitimiert - dann wenn das eigene Leben und die Freiheit bedroht sein sollte. Die Botschaft „Unterdrückt niemanden und lasst euch nicht unterdrücken" verdeutlicht diesen Grundsatz. Darüber hinaus sollen Kinder, Frauen, Alte, Unbewaffnete oder Arbeit verrichtende Männer vor Tod und Zerstörung geschützt werden – auch die Leben und Luft spendenden Bäume sollten nicht zu Schaden kommen. In der heutigen Welt, die scheinbar aufgeklärt und moralischer ist als die alte – jedenfalls wenn man sich die Rhetorik der paradigmentreuen Akteure vor Augen führt – erscheint die heutige Kriegsführung hingegen menschenverachtend. Spätestens mit dem Ausbruch der großen Weltkriege wurde die Tötung von Menschen mechanisiert. Der Tod ereignete sich nun nicht mehr auf den Schlachtfeldern, Mann gegen Mann, sondern betraf alles Lebende – Mensch, Tier und Natur.

Durch diesen Film wird einem der Kontrast zum im Film vermittelten und in den westlichen Medien dargestellten Islambildes mehr als deutlich. In diesem Sinne wirkt der Film wie eine Aufklärung über den Kern des Islam, die heute mehr als nötig erscheint.

„Er stürmt die Herzen, nicht die Mauern" ließ Abū Sufyān im Film über den Propheten verlauten. Dieser Satz spiegelt das Islamverständnis der meisten Muslime wieder. Die Liebe ist die treibende Kraft - nicht der Hass, nicht die Zerstörung.

Der Film endet mit der Rückkehr der Muslime nach Mekka und der Säuberung der heiligen Stätte von den Götzen, die symbolhaft für Vergänglichkeit und Rückständigkeit stehen – Gott hingegen für Unvergänglichkeit und Transzendenz.

Tragischer Tod

Der Tod von Akkad ist tragisch und zugleich auch schicksalhaft. Er war einer der Opfer des Bombenanschlags auf das Al-Hyatt-Hotel am 9. November 2005 in Aman. Er erlag wenige Tage später seinen Verletzungen. Der Anschlag war nicht an ihn persönlich gerichtet gewesen, er war nur zufällig unter den Hotelgästen. Verantwortlich für die Anschlagsserie in der jordanischen Hauptstadt war der berüchtigte und bereits verstorbene irakische Terrorist Zarqawi, aus dessen Organisationsstrukturen später Daesh entstehen sollte. Akkad wurde damit Opfer jener Menschen, gegen deren Vorstellungen er ankämpfte, jedoch nicht mit Waffen, sondern mit seinen Werken.

Durch seinen plötzlichen Tod konnte er einen geplanten Film über den islamischen Herrscher Saladin, der im 12.Jh. die Dynastie der Ayyubiden gründete und Jerusalem von den Kreuzrittern zurückeroberte, nicht mehr drehen.

Saladin war nicht zuletzt für seine Freigebigkeit, Barmherzigkeit und Toleranz bekannt. Historiker Baha ad-Din schrieb, dass er bei seinem Tod lediglich 47 Silber-Drachmen und ein Goldstück besessen habe. Seine Tugenden seien so sehr bekannt, dass man sie nicht noch gesondert erwähnen müsste.

Burak Altun hat Neuere und Neueste Geschichte, Politikwissenschaft und Islamwissenschaft an der WWU Münster studiert. Aktuell arbeitet er als freier Journalist für Daily Sabah und studiert Wissenschaftsphilosophie.

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