Incirlik: Deutschland blufft nur

Veröffentlicht 30.05.2017 00:00
Aktualisiert 30.05.2017 18:05

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind seit einiger Zeit ziemlich angespannt. Im vergangenen Jahr bezeichnete das deutsche Parlament die Vorfälle von 1915 im Osmanischen Reich offiziell als „Völkermord". Deutschland ist natürlich nicht das einzige Land der Welt, das diesen Vorfall der osmanischen Armenier als solches klassifizierte. Nach jedem Beschluss dieser „Anerkennung" denunzierte die Türkei diese und wiederholte die gleiche diplomatische Reaktion. Um ehrlich zu sein, lässt die Türkei es nicht zu, dass diese Anerkennungen die bilateralen Beziehungen zu lange vergiftet und agiert, als hätte es diese nie gegeben. Daher kann man nicht behaupten, dass die Entscheidung des deutschen Parlaments das jüngste Problem zwischen Ankara und Berlin ist; man muss nach anderen Gründen suchen.

Die Türkei glaubt, dass Deutschland eine systematische Politik führt, in der sie die Feinde der Türkei schützt. Zum Beispiel glauben die meisten Türken, das Deutschland für PKK-Terroristen immer ein sicherer Hafen gewesen ist. Nach dem Putschversuch des 15. Julis sind die Dinge noch schlimmer geworden, da sich die türkische Wahrnehmung zu Deutschland verschlechtert hat: Das Land schützt nicht nur die Gegner der Türken, sondern hat eine offene feindliche Haltung gegenüber der Türkei.

Sie können sich daran erinnern, dass die deutschen Behörden dem türkischen Militärpersonal Asyl gewährt haben, die an dem Putschversuch beteiligt waren, eine Aktion, die die schlechten Gefühle gegenüber Deutschland verschärft hat. Die türkischen Amtsträger glauben wirklich, dass Deutschland gang offen gegen die aktuelle türkische Regierung sei.

In diesem negativen Kontext hat die Türkei beschlossen, den deutschen Parlamentariern nicht die Möglichkeit zu geben die deutschen Truppen zu besuchen, die in der Incirlik-Luftbasis stationiert sind. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum diese Parlamentarier sich mit den deutschen Soldaten persönlich treffen wollen. Was wird sich ändern, wenn man sie besucht oder es einfach lässt? Dennoch ist dieses Problem zu einer Art Armdrück- wettbewerb geworden. Der eventuelle Besuch ist natürlich nur ein Vorwand.

Deutschland beharrt nicht nur darauf, sondern erpresst die Türkei bezüglich zu diesem Besuch. Sie haben vor kurzem angekündigt, dass die noch 15 Tage warten werden, und falls Ankara ihre Haltung nicht ändert, werden sie ihre Truppen anderswo einsetzen, beispielsweise in Jordanien.

Sollte sich die Türkei um den Abzug der deutschen Truppen Gedanken machen? Ich denke nicht. Diese Soldaten können leicht durch andere NATO-Truppen ersetzt werden. Ein solcher Schritt wird jedoch die türkisch-deutschen Beziehungen weiter verschlechtern.

Genau wie die Völkermordfrage, kann Incirlik nicht das Problem sein, das erklärt, wieso die Beziehungen zwischen den beiden Ländern heutzutage zu schlecht sind. Man kommt nicht Drumherum zu fragen, ob die Türkei ein ernstes Hindernis für eine Reihe von Zielen der deutschen Regierung geworden ist oder nicht.

Es ist offensichtlich, dass die Türkei allein den Großmächten nicht ihren eigenen Willen auferlegen kann, aber sie kann die von den Mächten ausgearbeiteten Pläne ohne weiteres stören. Vielleicht ist Deutschland aufgrund der jüngsten Annäherung zwischen der Türkei und Russland verärgert, wer weiß? Wir wissen, dass Russland die Beziehungen Deutschlands mit der Ukraine und Iran blockiert, zu einer Zeit, in der Berlin hoffte, ein einflussreicher Spieler im Osteuropa, Nahen Osten und dem Kaukasus zu werden. Die Türkei hat dabei eine Rolle gespielt, indem sie ihre Beziehungen zu Russland in relativ kurzer Zeit normalisiert hat.

Die zweite Frage ist wahrscheinlich bezogen auf Syrien. Wir wissen, dass Deutschland seit langem in die kurdischen Terroristen in der Türkei und Syrien „investiert". Doch die russische Militärpräsenz in Syrien macht es für Deutschland schwierig, direkten Einfluss auf die syrisch-kurdischen Extremistengruppen zu haben. So ist Berlin wahrscheinlich der Meinung, dass sie nur die verbotene PKK zur Hand haben, um im Nahen Osten Einfluss zu haben.

Wir dürfen natürlich nicht vergessen, dass die Reibungen zwischen der Türkei und Deutschland nicht unabhängig vom Gesamtbild sind, d.h. die Entwicklung des globalen Machtgleichgewichts. Lassen Sie uns hoffen, dass die Großmächte schnell zu einer Vereinbarung über die langfristigen Strategien kommen und gegenseitige Kompromisse finden.

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