Die Tradition der Beschneidung aus historischer Perspektive

ISTANBUL
Veröffentlicht 30.07.2017 00:00
Aktualisiert 30.07.2017 16:30

Die Beschneidung ist eine uralte Tradition, und den archäologischen Funden bei alten Mumien und den Papyrusrollen nach zu beurteilen, existierte die Praxis auch im alten Ägypten. In der heutigen Zeit kann die Beschneidung ein Statussymbol sein oder Gegenstand weltweiter Debatten.

Im Jahr 2011 wurde angekündigt, dass in den USA ein Referendum stattfinden werde, um in San Francisco und Kalifornien die Beschneidungen von Jungen unter 18 Jahren zu bestrafen. Die Strafe beinhaltet die Verhängung einer Geldstrafe von 1.000 US-Dollar und eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr.

Allerdings hat die jüdische Gemeinde dagegen eine Klage eingereicht, sie behauptete, dass dies gegen die US-Verfassung verstoße. Sie behaupteten, dass die Beschneidung eindeutig im Gesetz verankert sei - Richter Loretta Giorgi stimmte dem zu, weshalb das Referendum nicht stattfand. Danach hat Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, das besagt, dass keine Justizbehörde in Kalifornien das Recht hat, die Beschneidung zu verbieten. Daher wird jeder Versuch, die Beschneidung zu blockieren, nun als eine Form des Antisemitismus wahrgenommen.

Die Amish, Mitglieder einer christlichen Sekte, die für ihren technologiefreien Lebensstil berühmt sind, erhielten 1972 ein Urteil vom obersten Gericht zugunsten ihrer Entscheidung, ihre Kinder nicht in eine amerikanische Schule zu schicken.

In einem anderen Fall entschied das Gericht, dass die Kinder von Zeugen Jehovas nicht gezwungen werden dürfen, die US-Flagge während der täglichen Zeremonie an öffentlichen Schulen zu begrüßen, weil es gegen ihre religiösen Überzeugungen spreche.

Das Gericht entschied auch, dass Quäker beim US-Militär nicht an der Waffe kämpfen müssen, denn die Teilnahme an Kriegen und das Blutvergießen widersprechen den religiösen Überzeugungen.

Vorgeschichte

Obwohl die Ursprünge der Beschneidung weitgehend der Tora zugeschrieben werden, ist die Beschneidung in der Tat eine ältere Tradition. Anhand der Funde bei Mumien und den überlieferten Papyrusrollen, kann man sehen, dass bereits im alten Ägypten die Beschneidung praktiziert wurde. Bei Jungen wurde sie zu Beginn der Pubertät von Priestern praktiziert - Hygiene war dabei nicht der einzige Grund für die Beschneidung.

Es wird behauptet, dass die mesopotamische Tradition, den Erstgeborenen zu opfern, sich während der Zeit der Akkadier zum Akt der Beschneidung änderte. Die Beschneidung ist auch bei einigen nicht-muslimischen Gemeinschaften in Afrika beliebt. Mitglieder der aztekischen Herrscherklasse wurden ebenfalls beschnitten. Christoph Kolumbus war schockiert, als er erfuhr, dass amerikanische Ureinwohner die Beschneidung praktizierten.

Einige Wissenschaftler behaupten, dass vor 50.000 Jahren alle Männer beschnitten wurden, aber aufgrund des Mangels an Quellen aus der Zeit, ging die Tradition in Europa größtenteils verloren, sie wurde aber in Gebieten in heißen Klimazonen fortgesetzt.

Abrahamische Tradition

In der Tora steht geschrieben, dass Abraham befohlen wurde, sich beschneiden zu lassen. Während das Gebot von Abraham festlegte, dass die Entscheidung, beschnitten zu werden, der Person überlassen werden musste, waren die Anhänger von Moses dazu verpflichtet, eine Beschneidung zu praktizieren, so dass der Begriff „unbeschnitten" in der Tora für „Nichtgläubige" verwendet wird. Eine Verweigerung der Beschneidung ist im Judentum ein Grund für die Exkommunikation.

Jesus Christus wurde beschnitten, als er acht Tage alt war. Laut Überlieferung am 1. Januar. Während der Ausbreitung des Christentums erkannte Paulus, dass die Griechen nicht beschnitten werden wollten und deshalb die Beschneidung abschafften und dies mit der Bibel begründeten. Trotzdem haben syrische Christen die Beschneidung nicht abgeschafft, sie wird noch immer von der koptischen Kirche praktiziert.

Hinduismus und Buddhismus verbieten die Beschneidung, auch in Indien und China wird sie nicht praktiziert, außer von den Muslimen, die dort leben.

Erster Schritt zur Männlichkeit

Der Prophet Mohammed sagte, dass die männliche Beschneidung der „Sunnah" (Lehren des Propheten) entspreche und auf Abraham zurückgeführt werden kann. Er empfahl, dass die Beschneidung zur Praxis werden sollte. Es wurde beobachtet, dass Mohammed bei der Geburt beschnitten wurde. Obwohl die Beschneidung im Arabischen „khitan" genannt wird, wurde die Beschneidung von den Türken seit jeher als „Sunnah" bezeichnet, da es sich um eine „Sunnah" von Mohammed handelt.

Es gibt kein vorgeschriebenes Alter für die Beschneidung im Islam. Es kann in jedem Alter vor der Pubertät durchgeführt werden. Obwohl es im Islam keine obligatorische religiöse Pflicht ist, ist es auch heute noch unvorstellbar, auf einen unbeschnittenen muslimischen Mann zu stoßen.

Im Islam ist die Beschneidung nur für Männer legal. Die weibliche Beschneidung, die in einigen afrikanischen Regionen und bei einigen Beduinenstämmen als Traditionen angesehen wird, ist keine vom Islam vorgeschriebene oder legitimierte Praxis.

Beschneidungsfeier

In der islamischen Welt wird bei der Beschneidung ein besonderes Fest gefeiert, die Kinder schlüpfen in Kostüme und bekommen Geschenke, Unterhaltungen und Bankette werden organisiert. Die Osmanen zollten der Beschneidung eine große Bedeutung zu, er gilt als erster besonderer Tag im Leben eines Jungen, danach folgt der Hochzeitstag. Am Tag des Festes konzentriert sich jeder auf das Wohl des Jungen, der beschnitten wird.

Beschneidungsfeiern wurden und werden immer noch im Sommer organisiert, dann wenn die Schulen geschlossen sind. Ein Junge, der beschnitten wird, bekommt eine prächtige Tracht. Manchmal bringt man ihn an Grabmäler von bekannten Heiligen, um ein Gebet abzuhalten, und manchmal dürfen die Jungen auch auf Pferden reiten oder mit der Kutsche fahren.

Wohlhabende Familien haben traditionell nicht nur ihre Kinder beschnitten, sondern auch die Beschneidung von Kindern armer Familien in der Nachbarschaft unterstützt.

Gelegenheit zur Unterhaltung

Während der Junge beschnitten wird, hält ein enger Freund der Familie die Arme des Jungen. Diese Person ist bekannt als „Kirve". In der alten türkischen Tradition hatte ein Kirve eine sehr wichtige und ehrenhafte Rolle zu erfüllen. Zwischen dem beschnittenen Jungen und seinem Kirve besteht eine starke soziale Bindung. So stark, dass in einigen Regionen der beschnittene Junge als einer der Geschwister der Kinder des Kirves angesehen wird, so dass man die Ehe zwischen ihnen nicht begrüßt.

Während die Person, die die Beschneidung durchführt, mit der Operation beschäftigt ist, wird der Junge durch die Angehörigen abgelenkt und türkische Süßigkeiten werden ihm in den Mund gelegt. Jeder sagt laut: „Allahu Akbar", (Gott ist der Größte) und es wird gebetet. Wenn der Vorgang abgeschlossen ist, liegt der beschnittene Junge auf einem geschmückten Bett mit seinen Beschneidungskostümen und Amuletten mit der Aufschrift „Masallah", die auf den Kissen befestigt werden - sie sollen gegen böse Blicke schützen. Anschließend gratulieren die Gäste dem beschnittenen Jungen für seinen ersten Schritt zum Erwachsen werden und geben ihm Geschenke.

Die Beschneidungszeremonie von Jungen aus der osmanischen Dynastie war noch prächtiger. Historiker und Reisende erzählten begeistert von diesen Zeremonien; Künstler konkurrierten gegeneinander bei der aufwändigen Darstellung der Zeremonien. Aus diesem Grund gehören die Feste zur Beschneidung zu den bekanntesten Zeremonien des Osmanischen Reiches.

Beschneidung und Gesundheit

Internationale Organisationen, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO), befürworten die Beschneidung, weil es für die Gesundheit von Vorteil sei. In den 1860er Jahren wurde die Beschneidung gefördert, um Syphilis zu verhindern und die Masturbation zu stoppen.

Während die Beschneidungsrate bei Neugeborenen im Jahr 1987 10 Prozent betrug und im Jahr 1971 etwa 90 Prozent, sank die Rate im Jahr 1994 auf 60 Prozent und stand im Jahr 1999 bei 75 Prozent. Die Bescheidungsrate beträgt in Kalifornien 33 Prozent. Als sie 1948 in Großbritannien nicht mehr staatlich finanziert wurde, sank die Rate rasch nach unten.

Chirurg Cemil Topuzlu, ein Mitglied der Jungtürken, sagte im Jahre 1934: „Sie sagen, dass die Beschneidung für die körperliche Hygiene von Vorteil sei und dass Unbeschnittene anfälliger für Krankheiten sind. Können wir das akzeptieren? Was ist der Grund, den muslimischen Jungen an ihren Organen rumzuschneiden, auf Kosten ihres Lebens und um der Religion willen. (...) Ich denke, die Jungen aus Angst vor einer möglichen Exposition gegenüber Krankheiten beschneiden zu lassen, ist nichts anderes, als eine Appendektomie aus Angst vor einem Platzen des Blinddarms." Trotzdem lassen heute auch nicht-religiöse Familien ihre Söhne beschneiden und organisieren Feiern.

Beschnittene Fürsten

Die Männer der britischen Königsfamilie sind alle beschnitten. Charles Prince of Wales wurde von einem Rabbiner beschnitten, der zum Palast eingeladen wurde, ebenso wie seine Brüder. Prinzessin Diana wollte nicht, dass ihre Söhne beschnitten werden, aber wenige Monate nach ihrem Tod, wurde Prinz William in einem Krankenhaus unter dem Vorwand einer Hernioplastie beschnitten, und auch sein Bruder Harry folgte ihm mit der Praktik.

Es wird gesagt, dass Königin Victoria glaubte, dass ihre Familienherkunft auf David zurückging und sie deshalb ihre Söhne zwang sich beschneiden zu lassen. Die Beschneidung ist in Großbritannien ein Symbol des Adels. Die Söhne der königlichen und wohlhabenden Familien sind im Allgemeinen alle beschnitten. Auch in den USA und in Australien ist das der Fall.

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