Ist das neue Ziel Sindschar oder Manbidsch? Was will die Türkei?

Veröffentlicht 10.04.2018 00:00
Aktualisiert 10.04.2018 11:20
Ein Kind in der nordsyrischen Stadt Afrin, die am 19. März durch die „Operation Olivenzweig“ der türkischen Streitkräfte TSK und der Freien Syrischen Armee FSA befreit wurde. EPA Foto
Ein Kind in der nordsyrischen Stadt Afrin, die am 19. März durch die „Operation Olivenzweig“ der türkischen Streitkräfte (TSK) und der Freien Syrischen Armee (FSA) befreit wurde. (EPA Foto)

Nach erfolgreichen Anti-Terror-Operationen in Nordsyrien ist die Türkei entschlossen, ihre Grenzen mit Syrien und dem Irak vollständig von Terrorelementen zu säubern.

Die von der Türkei auferlegte Frist für den Abzug der PKK aus Sindschar ist am 17. März ausgelaufen. Trotz der Bekundung der PKK, sich von Sindschar zurückgezogen zu haben, weiß man auf türkischer Seite, dass dies nicht wirklich der Fall ist. Die PKK versucht ihre dortigen Präsenzen durch eine neue Gruppierung namens „Sindschar Resistance Units" (SRU) [Widerstandseinheiten Sindschars] fortzusetzen. Die Türkei ist von dieser Situation beunruhigt. Deshalb ist eine Militäroperation in Sindschar durchaus möglich.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass derzeit Verhandlungen mit der irakischen Regierung und den Militärs geführt werden. Anfang März war der Generalstabschef Hulusi Akar nach Bagdad gereist und berichtete dort über die Besorgnis der Türkei bezüglich des Sindschar-Problems und den Erwartungen gegenüber einen möglichen Einsatz irakischer Soldaten im Norden des Landes.

Ähnlich der Ankündigung, die er vor Beginn der Afrin-Operation gemacht hatte, warnte Präsident Recep Tayyip Erdoğan zwei Tage nach Ablauf der Frist: „Wir können eines Nachts ganz plötzlich Sindschar betreten." Nur kurz danach gab die irakische Armee bekannt, am Montag in Sindschar Stellung bezogen zu haben. Die PKK ist jedoch weiterhin dort unter dem Namen SRU präsent. Was wird nun passieren? Die Türkei hat der irakischen Regierung ihre Entschlossenheit in Bezug auf Sindschar deutlich gemacht.

Die PKK-Präsenz in Sindschar ist vor allem als logistischer Knotenpunkt zwischen der PKK im Nordirak und ihren syrischen Ablegern von Bedeutung. Ein Großteil der Waffen, die der PKK in Syrien jüngst zur Verfügung standen, war zuvor über Sindschar ins Land gelangt.

Nachdem die Türkei im August 2016 die Operation „Schutzschild Euphrat" begonnen hatte, zog die PKK einen Teil ihrer Streitkräfte in Syrien rasch nach Sindschar. Von diesem Tag an begann Präsident Erdoğan immer häufiger zu betonen, dass die Türkei es nicht erlauben werde, dass Sindschar zu einem zweiten ‚Kandil' wird." „Kandil" gilt bereits seit vielen Jahren als die Kommandozentrale der PKK. Obwohl die Türkei regelmäßig Operationen in „Kandil"- führt, konnte die Region bisher nie vollständig von der PKK gesäubert werden.

Im Rahmen ihrer Strategie zur präventiven Terrorismusbekämpfung, hat die Türkei, nebst Sindschar und den Kandil-Bergen, auch Manbidsch auf die Liste gesetzt. In der Erklärung, die im Anschluss an die Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats am Mittwoch in Ankara unter dem Vorsitz von Präsident Erdoğan abgegeben worden ist, wurde bekanntgegeben, dass die PKK/YPG-Elemente in Manbidsch eliminiert werden müssten. In der Stellungnahme wurde darauf hingewiesen, dass die PKK-Präsenz in Syrien eine Bedrohung für die Türkei darstelle und daher deren Aktivitäten östlich des Euphrat ebenso wie im Westen beseitigt werden müssen.

Die Türkei versucht weiterhin, ein effektiver regionaler Akteur zu werden und zeigt Initiative. Dadurch, dass die Türkei terroristische Bedrohungen außerhalb ihrer Grenzen erkennt und diese beseitigt, zeigt sie zugleich ihr militärischen Fähigkeiten auf und verstärkt ihr Abschreckungspotenzial - der Erfolg der Türkei in Afrin ist ein konkretes Beispiel dafür. Nach dem Erfolg in Afrin haben alle Gesprächspartner ihre Beziehungen zur Türkei neu aufgerollt.

In diesem Zusammenhang werden sich nun die Beziehungen der Türkei mit den USA, Russland, Iran und dem Irak direkt auf die regionalen Entwicklungen auswirken. Zwischen diesen vier Ländern hat die Türkei zweifellos die größten Probleme mit den USA. Wären die Vereinigten Staaten in der Lage gewesen, eine konsequente und erfolgreiche Syrien-Politik zu verfolgen, wären sie das Land mit den geringsten Problemen in den zwischenstaatlichen Beziehungen mit der Türkei. Die USA hätte auch die Chance gehabt, die einfachste Partnerschaft unter allen zu etablieren - aber das ist nicht passiert. Die aktuelle Syrien-Politik der USA zielt vollständig auf den Schutz der PKK und YPG ab; Fragwürdig ist jedoch, ob dies überhaupt als eine Richtlinie angesehen werden kann. Da die PKK/YPG-Präsenz in Syrien für die Türkei inakzeptabel und nicht verhandelbar ist, erleben die türkisch-amerikanischen Beziehungen ernsthafte Spannungen. Um zu verstehen, warum, reicht es aus, sich an die Massaker zu erinnern, die die PKK in der Türkei zwischen Juli 2015 und Januar 2017 begangen hat.

Die Haltung der USA in Manbidsch ist extrem wichtig. Wenn die US-Politik mit der Initiative in Syrien fortfährt - so wie sie General Joseph Votel und andere, die an dieser Niederlage beteiligt waren, befürworten - wird dies den türkisch-amerikanischen Beziehungen noch mehr Schaden zufügen. Die Türkei möchte, dass sich die USA entweder vollständig aus Manbidsch zurückziehen oder zumindest die YPG dazu bringen, vollständig aus der Region abzuziehen.

Was den Kampf gegen die PKK angeht hat die Türkei klare Erwartungen gegenüber dem Irak. Die Türkei würde am liebsten zusammen mit den irakischen Streitkräften gegen die PKK in den Kandil-Bergen und in Sindschar vorgehen. Zweifellos ist der Iran einer der wichtigsten Akteure - der zudem das irakische Verhalten beeinflussen kann. Wir alle wissen, dass der Iran mit dem wachsenden regionalen Einfluss der Türkei nicht zufrieden ist. Angesichts dieser Erkenntnis kann man behaupten, dass der Iran die Anti-Terror-Aktivitäten im Irak nicht unterstützen wird.

Auf der anderen Seite könnte das neue Aussenministerium der USA mehr Erwartungen von der Türkei in Bezug auf den Iran haben. Innerhalb dieser Gleichung ist die Perspektive der Türkei in der Tat sehr klar: Gewährleistung der Inneren Sicherheit, Schutz der territorialen Integrität regionaler Länder und Unterstützung des regionalen Friedens und der Sicherheit. In diesem Sinne sollten wir alle akzeptieren, dass die Türkei ihre Interessen klar formuliert und auf den Tisch legt.

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