Der Weg zu den Wahlen: Erdoğan bestimmt die Tagesordnung

Veröffentlicht 02.06.2018 00:00
Aktualisiert 02.06.2018 13:40

In knapp einem Monat (24. Juni) finden die Wahlen statt. Seit der Ankündigung der Wahlen waren die Parteien mit der Bestimmung ihrer Präsidentschaftskandidaten beschäftigt - und mussten die Abgeordnetenlisten erstellen. Nun bereiten sie sich auf ihre Wahlkampagnen vor. Diese werden im nächsten Monat intensiviert.

Mit der Ankündigung der Wahlen für den 24. Juni startete auch die Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AK-Partei) ihren Wahlkampf. Die AK-Partei präsentierte bereits ihr Wahlmanifest. Auch die Republikanische Volkspartei (CHP), die Initianten der «Anti-Präsident Recep Tayyip Erdoğan Koalition» veröffentlichte kürzlich ihr Wahlprogramm.

Für Erdoğan und die Volksallianz scheint der Wahlkampf nicht sonderlich kompliziert zu verlaufen. Beobachtet man Erdoğans politisches Engagement, sieht man, dass er bei der Bestimmung der Tagesordnung stets die Oberhand behält. Im Gegensatz dazu fällt es der Opposition schwer, ihre eigenen Ziele zu formulieren.

Es scheint, als ob die von der CHP, der Guten Partei (IP), der Partei der Glückseligkeit (SP), der Demokratischen Partei (DP) und die von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) von außen unterstützte Nationale Allianz von äußeren Einflüssen abhängig ist. In diesem Sinne versuchen sie den Dollar Anstieg und dessen negative Auswirkungen auf die türkische Wirtschaft, als Hebel zu nutzen. Aber dies ermöglicht es ihnen nicht, ihre eigene Agenda in den Fokus der Öffentlichkeit zu setzen oder eine politische Kampagne zu führen, wie sie die Probleme – primär den Wertverlust der türkischen Lira - in der Türkei lösen könnten. Sie verhalten sich passiv. Ihre Haupterwartung, so erscheint mir, ist eine mögliche Krise in der türkischen Wirtschaft, die zu Wahlergebnissen zu ihren Gunsten führen könnte.

Ich glaube, dass es bestimmte Gründe dafür gibt. Vor allem die Anti-Erdoğan-Gruppe verfolgt weiterhin eine reaktionäre Strategie. Gegen Erdoğan zu sein, war lange Zeit die wichtigste politische Haltung der CHP und HDP. Heute wissen sie jedoch nicht, wie sie diese Anti-Erdoğan-Haltung zur Geltung bringen sollen. Der Grund dafür ist die breite Akzeptanz, die Erdoğan nach dem Putschversuch vom 15. Juli in der türkischen Öffentlichkeit genießt. Aufgrund dessen schrecken sie davor zurück, offen ihre Opposition gegen Erdoğan kund zu geben. Dies wiederum macht sie macht- und mittellos.

Die Hauptschwierigkeit für die Anti-Erdoğan-Gruppe besteht darin, dass Teile dieser Gruppe nicht nur bei den Wahlen am 24. Juni konkurrieren. Die Anti-Erdoğan-Allianz erlebt auch interne Parteikämpfe um die administrative Überlegenheit - dies ist vor allem innerhalb der CHP der Fall. Ein konkretes Beispiel dafür sehen wir im Prozess der CHP bei der Wahl ihrer Präsidentschafts- und Parlamentskandidaten. Der Vorsitzende der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, bemühte sich, bei der Festlegung der Kandidaten seine eigene administrative Macht in seiner Partei zu kalkulieren. Seine Hauptmotivation - Mitstreiter zu säubern - um die eigene Position als Parteivorsitzender zu garantieren, war wichtiger als ein möglicher Einzug in die Regierung. In Übereinstimmung damit konkurrierte er mit Muharrem Ince und hielt in der Hoffnung, im innerparteilichen administrativen Kampf zu gewinnen, die Namen der Leute im Umkreis von Ince von der Kandidatenliste der CHP zurück. Diese Situation veranschaulicht den administrativen Kampf in der CHP auf dem Weg zu den Wahlen am 24. Juni.

Dies ist jedoch nicht die einzige Schwierigkeit, womit die Anti-Erdoğan-Gruppe konfrontiert ist. Denn sie steht bei den kommenden Wahlen einem von ihr beanstandeten System gegenüber. Des Weiteren kann man die Unfähigkeit der Allianz beobachten, sich deutlich für eine Rückkehr zum parlamentarischen System auszusprechen. Es war jedoch dieselbe «Nein»-Front, die sich im Verfassungsreferendum von 2017 genau diesen Diskurs zu eigen gemacht hatte - und diesen auf dem Weg zum 24. Juni etablieren wollte. Damals hatten sie ihrer Wählerschaft eine sofortige Rückkehr zu einem parlamentarischen System versprochen. Es scheint so, als ob dieses Versprechen in Vergessenheit geraten ist und die Anti-Erdoğan-Gruppe das neue System mittlerweile akzeptiert.

Ungeachtet dessen setzt Erdoğan seine eigene Agenda fort. Der Grund dafür ist, dass Erdoğan seinen ambitionierten Verwaltungsstil beibehalten hat. Erdoğan ist weiterhin stark in punkto nationaler und internationaler Politik.

Es sieht danach aus, als ob Erdoğan weiterhin die politische Agenda festlegen wird. Auch seine Konkurrenz wird sich gezwungenermassen auf dieselbe Agenda beziehen müssen.

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