Die Trauer und Kraft der Frauen von Srebrenica

Veröffentlicht 11.07.2017 00:00
Aktualisiert 11.07.2017 17:43

„Wir sind gestorben, aber sie konnten nicht gewinnen” (Aliya Izzetbegoviç)

Wir schreiben das Jahr 2017, das Zeitalter der Wissenschaft und Technologie.

Trotz der erlebten blutigen Kämpfe, der zwei Weltkriege, sterben heute immer noch Menschen in verschiedenen Gebieten der Welt und ganz besonders im Nahen Osten… Jeden Tag fallen Terror und Gewalt hunderte von Menschen zum Opfer.

In Anbetracht des Risikos am Ende des Ersten Weltkriegs ein islamisches Land vorzufinden, welches seine politische und emotionale Einheit gewahrt hat, löste der Westen das osmanische Khalifat auf, woraufhin der Zusammenhalt der islamischen Länder zerstört worden war.

Seit dem Fall des Osmanischen Reiches herrschen im Nahen Osten, auf dem Balkan und in anderen islamischen Ländern Blut und Trauer. Unschuldige Menschen zahlten und zahlen noch immer den Preis für Auseinandersetzungen, für die sie nicht verantwortlich sind.

Der Irak, Syrien, Palästina, Jemen, Ägypten, Libyen… Diese islamischen Länder fanden seitdem keinen Frieden und keine Ruhe, da der Islam in der neuen Weltordnung als das größte Hindernis angesehen wird, das zu beseitigen gilt.

Ein Land inmitten von Europa: Bosnien Herzegowina. Bei jedem Besuch bin ich von diesem Land bewegt. Neben den osmanischen Moscheen, Brücken, Karawansereien, Bädern, Büchereien und Medresen, die Blau- und Grüntöne in ihrer natürlichen, paradiesischen Schönheit. Aber wenn Sie dieses Land besuchen, werden Sie außer der Bewunderung noch etwas anderes spüren: Trauer. Sie spüren die schwierigen Tage, die sich hier zugetragen haben, den unbeschreiblichen Schmerz und die Tränen, die sich ins Land eingebrannt haben.

Unmittelbar nach dem Zerfall von Jugoslawien und der Unabhängigkeitserklärung von Bosnien Herzegowina hat der Krieg in Bosnien Herzegowina begonnen. Die Hauptstadt Sarajevo wurde besetzt, während des Kriegs war der einzige Weg aus der Stadt der Tunnel, der unter dem Flughafen gegraben wurde. Jeden Tag fielen zahllose Bomben, von den Bergen der Umgebung schossen Scharfschützen auf Zivilisten, so als wäre das Ganze ein Spiel.

Die Stadt Srebrenica war für die serbischen Truppen von strategischer Bedeutung, um die Region zu kontrollieren. Daher begann die Armee der Republika Srpska mit der ethnischen Säuberung.

1993 hat die UN den Ort Srebrenica zur „Schutzzone" für die Bosnier erklärt. Nach zwei Jahren der Besetzung durch die bosnischen Serben fiel Srebrenica im Juli 1995.

Tausende bosnische Männer, Frauen und Kinder flohen nach Potocari zu den niederländischen UN-Friedenstruppen. Der Ort befand sich in der Nähe von Srebrenica. Die niederländischen Soldaten versicherten den Geflüchteten, dass sie dort in Sicherheit seien. Als ihr Lager dann aber von den serbischen Truppen besetzt wurde, händigten die Soldaten Tausende Bosnier aus.

In nur fünf Tagen wurden 8.372 Bosnier getötet, hunderte Frauen und Mädchen vergewaltigt.

Nicht nur in Srebrenica, zur selben Zeit fanden in vielen anderen Städten, wie Prijedor, ethnische Säuberungen durch serbische Kräfte statt. Es gab nur ein Ziel: Die Bosnier auszulöschen.

Mit dem Abkommen von Dayton endete der Krieg im Jahr 1995. Die größten Opfer waren die Kinder und Frauen. An die 300.000 Zivilisten wurden getötet, tausende Frauen vergewaltigt, unschuldige Zivilisten in Internierungslagern dem Hunger überlassen. Dies war ein Krieg, der die Seele berührte und den niemand begreifen konnte.

Von den tausenden vergewaltigten Frauen wurde ein Teil getötet, viele haben Selbstmord begangen und bis heute muss ein Teil von ihnen psychologisch unterstützt werden.

Die Vergewaltigungen waren ein Teil des blutigen Krieges. Diejenigen, die die Familienstruktur der muslimischen Bosniern kennen, wissen was für ein Schaden solch eine systematische Vergewaltigung anrichten kann. Durch die Vergewaltigungen endeten viele Ehen, viele der Frauen verließen das Land. Die Frauen, die durch die Vergewaltigung schwanger wurden, gaben die geborenen Kinder an verschiedene staatliche Institutionen ab, manche beobachteten sie später aus der Ferne, manche konnten noch nicht mal dazu die Kraft aufbringen. Jede Frau hat ihre eigene Geschichte, jede trägt einen anderen Schmerz mit sich.

Unter die Gefühle, die ich zu Beginn dieses Texts beschrieben habe, mischt sich auch ein Gefühl von Stolz und Ehre. Trotz des unbeschreiblichen Schmerzes des Krieges hat es das bosnische Volk bisher immer geschafft, ein stolzes Volk zu sein. Vielleicht haben sie deswegen den Krieg, wie manche angenommen haben, nicht in ein paar Monaten verloren, sondern sie haben bis zum letzten Tag unerbittlich gekämpft.

Der Platz der stolzen und starken Frauen in diesem erbitterten Kampf steht über allem. Überall wo es Krieg und Gewalt gibt, sind es vor allem Kinder und Frauen, die davon betroffen sind. Jeder kann eine andere Geschichte des Widerstandes erzählen.

Ich treffe mich oft mit meiner Freundin Emine Şeçeroviç Kaşlı, die während des Kriegs sieben Jahre alt war und damals einen ihrer Brüder verlor. Sie erzählt, wie der Schmerz und die Tränen tiefe Wunden in einer unschuldigen und kleinen Seele hinterließen. „Niemand hat mich gefragt, ob ich ein Kind bin. Niemand hat sich gefragt, was ein Kind möchte, sie haben nicht gefragt, was meine Träume waren."

In ihrem Buch „Kurşunların Da Rengi Var" (''Auch Kugeln haben eine Farbe'') schreibt sie über den Tod ihres Bruders mit großer Trauer:

„Zuhause war es sehr voll, jeder war weinte. Ich war in den Armen meiner Mutter und zitterte unaufhörlich. Jemand hatte einen Krankenwagen gerufen, als eine Krankenschwester kam, wollte sie meiner Mutter ein Beruhigungsmittel geben. „Ich brauche keine Medizin, wenn es jemand braucht, geben Sie es ihr", sagte meine Mutter und lehnte es ab.

Ich bewunderte die Kraft meiner Mutter, sie brachte den Frauen Süßigkeiten und Wasser, ohne sich schlecht zu fühlen. Sie war bodenständig und stand fest im Leben.

„Ich habe es meinem Sohn versprochen. Ich habe ihm versprochen nicht zu weinen, wenn ihm etwas geschieht", sagte sie. Ich erinnere mich an den Moment, als mein Bruder das von uns verlangte. Mein Bruder wollte, dass wir ihm ein Versprechen geben, bevor er zu seinem letzten Einsatz ging. Damals wurde mir klar, was für ein großes Versprechen wir ihm gegeben hatten."

Der Völkermord von Srebrenica wird für immer ein schwarzer Fleck in der Geschichte der Menschheit und Europas bleiben. Die Worte eines bosnischen Kindes „Die Soldaten töten die Kinder mit kleiner Munition, nicht wahr Mama?" hinterließen tiefen Schmerz in unserer Seele und bleiben bis heute in unserer Erinnerung.

Damit dieser Schmerz sich nicht wiederholt, haben wir Srebrenica nicht vergessen, wir werden es nicht vergessen und werden auch nicht zulassen, dass es vergessen wird.

Genauso wie wir den Verrat des 15. Julis nicht vergessen haben, nicht vergessen werden und auch nicht zulassen, dass er vergessen wird.

Wir haben ein ähnlich ehrenhaftes Verhalten bei den Frauen am 15. Juli gesehen und erlebt. Um unser Heimatland zu verteidigen, sind manche von uns verletzt worden, manche wurden zu Märtyrern. Manche kletterten auf Panzer oder liefen furchtlos in die Schusslinie, der auf sie gerichteten Gewehre. Auch wir sind Zeugen der unglaublichen Stärke der Frau.

Die Türkei ist nicht nur einfach das Land Türkei, mit anderen Worten: Die Türkei gehört nicht nur den Türken, denn es gibt viele Völker, die zur Türkei aufblicken. Abgesehen von ihrem Einfluss in ihrem geographischen Gebiet, pflegt sie auch Verbindungen zum Nahen Osten, nach Afrika, zum Kaukasus und dem Balkan, die von Sympathie geprägt sind. Deswegen ist die Verantwortung der Türkei groß. Die Türkei ist ein Beispiel für jene Bevölkerungsschichten in verschiedenen Ländern, für die Instabilität, Ungewissheit und Gewalt zum Alltag geworden sind. Denn sie zeigt, dass ein muslimisches Land eine funktionierende und erfolgreiche Demokratie etablieren kann, eine Hoffnung für andere Länder.

Seitdem die „Neue Türkei" in der Region die Initiative ergreift, ist sie unvermeidlich zum Ziel des Westens geworden. Denn die immer stärker werdende Türkei verteidigt nicht nur ihr eigenes Land, sondern setzt sich auch für den Frieden und das Wohlergehen in anderen Ländern ein, zu denen freundschaftliche Beziehungen gepflegt werden. Mit dem verräterischen Putschversuch am 15. Juli, versuchte man die Türkei zu besetzen, sie zu übernehmen und auf die Knie zu zwingen. Doch das türkische Volk bewies noch einmal, dass Geschichte jederzeit von neuem geschrieben werden kann, indem sie geschlossen für die Unabhängigkeit und Zukunft der Nation dem Putschversuch einen Schlag versetzte.

Aus diesem Anlass wünsche ich den Opfern, die für ihre Heimat ihr Leben gelassen haben, die Gnade Allahs und den Veteranen eine baldige Genesung. Wir müssen zusammen mit den anderen muslimischen Völkern Hand in Hand gehen, um Putschversuchen entgegenzuwirken und Kriege zu verhindern.

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