Jerusalem: Erst allmählich, dann schlagartig, der Zionismus verschwindet

Veröffentlicht 22.03.2018 00:00
Aktualisiert 22.03.2018 12:19

Für den Zionismus gilt der 14. Mai als ein wichtiges Fest und markiert, metaphorisch ausgedrückt, das siegreiche Erklimmen des Berggipfels: Jerusalem und die US-Bestätigung für die Rechtmässigkeit des „Siedlerkolonialismus". Wer kann da noch gegen diese „bedeutsame Ankunft" und den Jahrestag der israelischen Staatsgründung argumentieren? Die palästinensische Nakba (Flucht und Vertreibung von etwa 700.000 arabischen Palästinensern).

Von einem alten, zionistischen Standpunkt ausgesehen, wird die Verlegung der US-Botschaft, die nationalistischen Belange abrunden, und damit auch den Anspruch auf die heiligen Stätten der Altstadt bestärken. Gott, oder, genauer gesagt, der Gott des zionistischen Nationalismus, habe dies so vorgesehen und prophezeit, da Jerusalem mit Feuer und Schwert ins Leben gerufen worden sei - expandierte, und unter permanentem Schutz stehe.

Was ist nun damit gemeint, dass der Zionismus plötzlich - inmitten dieses triumphalen Momentes des Nationalismus und der Beanspruchung Jerusalems durch Verlegung der Botschaft durch US-Präsidenten Donald Trump - verschwindet? In der Tat, man würde denken, dass das Gegenteil der Fall sein wird - dass der Zionismus und Israel endlich das erwünschte Ergebnis erreicht haben, und dass mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt die totale Beherrschung der Palästinenser besiegelt sei.

Die Antwort birgt viele Faktoren und jeder einzelne muss verstanden werden, wenn man sich anschaut, was der Zionismus zu erreichen erhoffte, indem er den Staat und die komplexen Konsequenzen schuf. Von Anfang an war der Zionismus bestrebt, mit einem nationalistischen Projekt, das die Diaspora mit dem Land Palästina verbindet, durch Siedlerkolonialismus in die Moderne einzutreten, welcher die lokale Bevölkerung verdrängen und eine neue Gesellschaft an ihrer Stelle schaffen sollte. Mehr als alles andere, wird die Rückkehr nach Palästina und Jerusalem als Voraussetzung für die Geburt eines „modernen, durchsetzungsfähigen und mächtigen zionistischen jüdischen Volkes" angesehen. Die Errichtung einer zionistischen Nation bedeutete gleichzeitig die Zerstörung sowohl der palästinensischen als auch der vor-israelischen, jüdischen Gesellschaft, und das Erschaffen eines europäisch inspirierten, modernen, nationalistischen Projektes, das in einem verzerrten und stark rassifizierten Säkularismus verwurzelt war - welchem Macht und Gewalt inne lagen.

Jedoch sollten wir uns nicht von Ablenkungsmanövern der israelischen und zionistischen Botschaften verwirren lassen. Gewalt, Enteignung und Landraub durch Vertreibung der lokalen palästinensischen Bevölkerung, ist konstitutiv und produktiv für den Zionismus - und keine Reaktion oder Nebenerscheinung des Projekts. Es wird behauptet, dass Jerusalems ein materieller Beweis für die Wahrhaftigkeit des Zionismus sei. Ein Projekt, das das traditionelle Judentum auf den Kopf stelle, da es durch die Macht des Schwertes eine Rückkehr aus dem Exil gebracht habe - nicht aber das Buch oder den erwarteten Propheten.

Der Zionismus, mit all seinen Verschleierungs- und Ablenkungsmanövern sowie Beschuldigungen gegenüber den Palästinenser, wurde nach und nach entlarvt. Die Verlegung der US-Botschaft wird nicht als bloße diplomatische Entscheidung einer ausländischen Macht angesehen, sondern vielmehr als Zementierung der nationalistischen Ansprüche auf das Allerheiligste des Heiligen. In der Tat würde der Zionismus ohne die zionistische Ehe zwischen den wiedergeborenen mächtigen, zionistischen Juden und dem Heilligen Land als eine verwaiste Idee oder, schlimmer noch, als ein totgeborenes Projekt bestehen. Jerusalem ist die Bestätigung und ein handfester Beweis, die benötigt werden, um das Projekt zu vervollständigen.

Dem Zionismus zufolge ist die Schöpfung Israels nicht ähnlich der eines modernen Nationalstaates und kann nicht mit der Entstehung dessen verglichen werden. Von der Konzeption bis zur Realisierung sind die Unterschiede ziemlich groß. Ideologisch gesehen, musste der Zionismus ein säkulares Volk schaffen, sie in ein entferntes Land bringen, eine alte Verbindung durch religiöse Schriften herbeiführen und dann die ethnische Säuberung der lokalen Bevölkerung rationalisieren. Auf dem gesamten Weg, hin zum modernen israelischen Staat, hat der Zionismus die Palästinenser als Archetyp einer antisemitischen Bevölkerung betrachtet, die sich dem Zionismus wegen der Verbindung zum Judentum und nicht wegen seines Siedlerkolonialismus entgegenstellt. Hier wurden die Palästinenser, welche dem modernen und säkularen Zionismus im Weg standen, eigennützig mit dem inhärenten und historischen Antisemitismus in Europa verglichen. Dies diente dazu, die Rechtsansprüche der Palästinenser für nichtig zu erklären.

Als ein Siedlerprojekt wollte der Zionismus das Land, aber nicht die Menschen darin. Folglich wurde der vorgefasste Plan für die Palästinenser bereits vor Ankunft der zionistischen Bewegung ausgeführt, wobei Theodor Herzl selbst die Notwendigkeit erklärte, die mittellose arabische Bevölkerung über die Grenzen hinweg zu vertreiben und dafür zugleich eine Allianz mit den Grundstückseigentümern einzugehen. Siedlerprojekte zielen entweder auf Völkermord ab oder wollen eine Deportation der lokalen Bevölkerung. So wäre der Zionismus weder einzigartig, noch würde er eine Ausnahme von der Norm darstellen.

Der allmähliche Pfad, hin zur zionistischen Landenteignung der palästinensischen Bevölkerung, kulminiert mit der Verlegung der US-Botschaft, da sie den letzten bedeutsamen, physischen Ort für die Palästinenser darstellt - und ihnen, trotz der nie endenden Besatzung, ein Gefühl des Seins und der Zugehörigkeit verleiht. Der Zionismus, als ein Siedlerprojekt, begnügt sich nicht nur mit dem okkupierten Land und der Vertreibung seiner Bevölkerung: er sieht sich auch im Zwang, alle religiösen und kulturellen Überreste der Palästinenser zu beseitigen. Jerusalem ist für den Zionismus die ultra-nationalistische Trophäe, die die Geburt eines modernen Nationalstaates vervollständigt, und den Vernichtungsgedanken von Palästina und den Palästinensern, in ihren Köpfen unumkehrbar macht.

Der Moment des endgültigen Triumphes für den Zionismus stellt zugleich dessen größte Niederlage dar, da sie die vollständige Abhängigkeit Israels und des Zionismus von einem externen Akteur signalisiert. Dieser scheint notwendig, um den Besitzanspruch über Jerusalem zu bestätigen. Noch wichtiger ist jedoch, dass das zionistische Projekt die Palästinenser nicht aus ihrer Heimat vertreiben konnte - was immer noch täglich an Israels hoch militarisierter Gesellschaft und der Siedlerbewegung nagt. Die Verlegung der US-Botschaft ist ein Trick, um die Palästinenser zu einem „Jahrhunderthandel" mit Trump und dessen Schwiegersohn, Jared Kushners, zu zwingen. Dies läuft darauf hinaus, die Rechtmäßigkeit der zionistischen Landnahme und die Vertreibung der dort ansässigen Menschen zu bescheinigen. Die Ausrichtung Israels auf Trumps verrückte Regierung spiegelt nur die Leere des Zionismus wider. Das Siedlerprojekt wird mit der Idee gerechtfertigt, dass der Zweck die Mittel heiligt.

In Israel ist darüber hinaus eine Veränderung mit globalen Ausmaßen im Gange - und der Zionismus, der von Trump und vom rechten Flügel in Europa zu profitieren versucht, verstärkt das negative Ansehen des Zionismus. Die Verlegung der Botschaft hat die extreme Rechtsgesinnung Israels gefestigt - und ebenso die Missachtung der Menschenrechte und des Völkerrechts, insbesondere gegenüber den Palästinensern. Es ist sehr prekär und nicht nachhaltig, den Siedlerkolonialismus an globale Normen binden zu wollen. Israels Renommee als makelloser Staat, dem nichts anhaften kann, verschwindet langsam und dieser Trend ist nicht mehr rückgängig zu machen. Die Bemühungen, die pro-palästinensischen Kräfte zu dämonisieren und zu diffamieren, werden die Entwicklung nicht verändern, aber sie werden eine momentane Verzögerung bieten. Ich kann nicht sagen, wann die Wende von «allmählich zu schlagartig» kommen wird, aber ich bin mir sicher, dass sie im Gange ist - die Anzeichen sind bereits auf der Apartheid-Mauer sichtbar.

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