Ob chemisch oder nicht, Syrien ist am Sterben

Veröffentlicht 13.04.2017 00:00
Aktualisiert 13.04.2017 11:05

Syrien ist am Sterben während „die Welt zusieht“. Mit chemischen und konventionellen Waffen, die vom Assad-Regime genutzt werden, sterben nicht nur syrische Frauen und Kinder sondern auch die Menschlichkeit.

Dann sagte der US-Präsident Barack Obama: „Ich möchte Assad und allen Anderen unter seiner Kontrolle etwas klar stellen – die Welt sieht zu", während seiner Rede an der „Nationalen Universität für Verteidigung" in Washington am 4. Dezember 2012. Dies war eine Warnung gegen die mögliche Nutzung von chemischen Waffen seitens des Assad-Regimes. Dieser Angriff ereignete sich am 21. August 2013 in Ghuta, in der Nähe von Damaskus, wobei 1.500 Menschen, darunter Frauen und Kinder, ums Leben kamen. Innerhalb von fünf Jahren hat Assad viel mehr Menschen getötet, als irgendein anderer Krimineller in den letzten Jahren. Er tat es mit sowohl chemischen als auch konventionellen Waffen, während die Welt weiterhin „zusieht".

Der Giftgasangriff in Khan Scheichun am 4. April 2017 war nur das jüngste Kapitel der „Völkermordpolitik" des Assad-Regimes. Die UN hat aufgehört die Toten in Syrien zu zählen, unter der Begründung, dass die Zahlen nicht nachgewiesen werden können. Die Realität zeigt aber, dass die UN, so wie auch der Rest der internationalen Gemeinschaft und die einflussreichsten Nationen der Welt, einen Rückschlag nach dem anderen, bezüglich einem Ende des blutigsten Kriegs des 21. Jahrhunderts erzielt hat.

In einem Bericht der „Amnesty International", der am 22. Februar 2017 veröffentlicht wurde, heißt es: „Bis zum Ende des Jahres (2016), hat der Konflikt den Tod von mehr als 300.000 Menschen verursacht." Aber die tatsächlichen Zahlen sind viel höher, wahrscheinlich mehr als 600.000 Menschen wurden von dem Assad-Regime und den Milizen unter ihrem Kommando getötet. Weder die Genfer- noch die Astana-Prozesse haben das Regime davon abgehalten, chemische und konventionelle Waffen gegen ihre eigene Bevölkerung zu nutzen. Im Angesicht der Tatsache, dass die Welt tatenlos beim Gemetzel „zusieht", unter anderem mit der Begründung, dass dies ein Kampf gegen die Daesh sei, wird das Regime wahrscheinlich seine gegenwärtige Barbarei fortsetzen.

Diejenigen, die die Giftgasangriffe, Fassbomben und Granaten überlebten, sind nun zu Flüchtlingen geworden. Millionen von ihnen sind auf der Flucht. Der Bericht von Amnesty weist auch darauf hin, dass zwischen 2011 und Ende 2016 „etwa 4,8 Millionen Menschen aus Syrien geflohen sind. Darunter wurden etwa 200.000 im Jahr 2016 zu Flüchtlingen, so der UNHCR. In denselben sechs Jahren wurden in Syrien rund 6,6 Millionen Syrer intern vertrieben, davon die Hälfte Kinder, so das UN-Büro für die Koordinierung der humanitären Angelegenheiten." Insgesamt ist dies mehr als die Hälfte der syrischen Bürger. Außerdem sind Tausende in den kalten Gewässern des Mittelmeeres und der Ägäis gestorben. Laut UNICEF brauchen mehr als acht Millionen Kinder sofortige Hilfe – darunter sind mehr als zwei Millionen Flüchtlinge.

Die US-Antwort auf den Giftgasangriff in Khan Scheichun, war ein Schritt in die richtige Richtung und eine Warnung die mit einer handfesten Aktion einher ging und sich nicht nur auf Worten beschränkte. Angesichts der enormen Zahl von Tötungsdelikten durch konventionelle Waffen und der zunehmenden humanitären Krise, reicht dies jedoch nicht aus, um den Krieg zu stoppen oder der syrischen Bevölkerung Schutz zu verschaffen. Es ist wohl wahr, dass das Assad-Regime nach der Vergeltungsaktion, es nicht mehr wagen wird, chemische Waffen einzusetzen. Aber der Fokus, der auf den Einsatz von chemischen Waffen liegt, ist ein Glück im Unglück für das Regime, was auch als solches verstanden wird. Es zeigt, dass das Assad-Regime ihre Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit konventionellen Waffen fortsetzen kann, weil die Welt nur dann reagiert, wenn es chemische Waffen verwendet.

Diese beispiellose humanitäre Tragödie hat die Politik und die Sicherheitslage stark beansprucht. Kein anderer Konflikt in der jüngsten Geschichte hat so viel Instabilität wie der in Syrien geschaffen. Diejenigen, die denken, dass die syrische Krise in Syrien in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ohne Folgen sein wird, liegen völlig falsch. Dies ist ein Krieg, der die Regionalpolitik vergiftet und das globale Gleichgewicht der Macht untergräbt. Dies ist der größte Stellvertreterkrieg in der jüngsten Vergangenheit. Es ermöglicht nichtstaatlichen Akteuren und Handlangern, Kriegsnetzwerke zu etablieren, die jene bereits geschwächten und gescheiterten Staaten weiter schwächen. Dies vertieft konfessionelle Spannungen vom Irak bis zum Libanon und auch darüber hinaus. Dies sorgt für weiteren Brennstoff in der weltweiten Flüchtlingskrise, die sich auch auf steigende Flut von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Europa auswirkt. Es bleibt ein Brutplatz für gewalttätige Extremisten und Terroristen, wie die al-Qaida und die Daesh. Wir sollten uns auch daran erinnern, dass es die Daesh in Syrien, bis vor drei Jahren, in Syrien nicht gab. Es war der Krieg in Syrien und die ständige Instabilität im Irak, die der Daesh einen Nährboden gegeben hat, um das Monster zu werden, das es heute ist.

Darüber hinaus untergrub der syrische Krieg die Behauptung der modernen Weltgemeinschaft, die behauptet, die Menschenwürde zu schützten und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Es untergrub den Diskurs der Demokratie, der Freiheit und des Pluralismus gegenüber dem syrischen Volk ihren Brüdern und Schwestern im Nahen Osten und der restlichen muslimischen Welt. Es schuf Spannungen zwischen den zwei NATO-Verbündeten, der Türkei und den USA, vor allem aufgrund der Politik der Obama-Regierung, die die Partei der Demokratischen Union (PYD) und die Volksschutzeinheiten (YPG) unterstützte – beide sind syrische Ableger der PKK-. Dies ist ein Auszug aus der Liste der regionalen und geopolitischen Probleme, die aus dem syrischen Krieg hervorgegangen sind; und sie geht noch weiter.

Es ist wahr, dass es keine einfache Lösung für Syrien geben wird, zumindest nicht in diesem laufenden Stadium. Die Hintermänner des Regimes werden ihre Unterstützung nicht aufgeben, nur weil die USA eine Luftbasis des Regimes bombardiert hat. Weder wird Assad auf die Aufrufe reagieren und abdanken, so wie es Muqrada al-Sadr, nach einer überraschenden Aufforderung, der letzten Woche im Irak getan hat. Nach seinen Berechnungen wird er den Krieg nicht nur deshalb gewinnen, weil er die Unterstützung von Russland, dem Iran und der Hisbollah hat, sondern auch, weil er einer unentschlossenen und schwachen internationalen Koalition gegenüber steht. Außerdem kann er die Daesh als Mittel nutzen, um sich als das kleine Übel zu präsentieren.

Der Vorschlag der Türkei, Sicherheitszonen für die Syrer in Syrien zu schaffen, hätte Tausende von Leben retten und die Giftgasangriffe der letzten drei Jahre verhindern können, doch stieß der Vorschlag auf beiden Seiten des Atlantik auf taube Ohren. Die Türkei beherbergt derzeit rund drei Millionen Flüchtlinge und leistet weiterhin humanitäre Hilfe für Zehntausende von Menschen in Syrien.

Es gibt absolut keinen Zweifel daran, dass die Daesh bekämpft und zerstört werden muss. Dieses Monster hat schon mehr Schmerzen und Schrecken verursacht, als es erlaubt. Doch ist es ein moralischer Skandal und eine politische Katastrophe, dem anderen Ungeheurer des syrischen Krieges, d.h. dem Assad-Regime und ihren Gräueltaten, ein Auge zu zudrücken. Mit dem G7-Treffen am 10. April ist ein gemeinsamer Ansatz entstanden. Nun muss Russland davon überzeugt werden, seine Haltung beim Syrien-Konflikt zu ändern und seine Unterstützung für das Assad-Regime zu stoppen.

Syrien ist am Sterben während „die Welt zusieht". Mit chemischen und konventionellen Waffen, die vom Assad-Regime genutzt werden, sterben nicht nur syrische Frauen und Kinder, sondern auch die Menschlichkeit.

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