Erdoğan ist der Chef, Andere kommen und gehen

Veröffentlicht 06.05.2016 00:00
Aktualisiert 06.05.2016 17:23

Es muss klar gemacht werden, dass mit den Präsidentschaftswahlen 2014 in der Türkei eine neue politische Ära begonnen hat. Der Chef einer politischen Bewegung gewann die Unterstützung der Massen und wurde Präsident; diese Person ist Recep Tayyip Erdoğan.

Die Tatsache, dass Erdoğan mit 52 Prozent der Stimmen gewählt wurde, zeigt die Popularität dieses Anführers in den Augen des türkischen Volkes. Das was die Menschen im Westen nicht verstehen, ist, dass Erdoğan der Chef der politischen Bewegung der Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) bleibt. Er wird von den Massen als der beliebteste Politiker in der Türkei gesehen.

Die Tatsache, dass Erdoğan durch eine Volksabstimmung gewählt wurde, und nicht durch das Parlament, gibt ihm die Möglichkeit, die immense Macht als Spitze des Staats auszuüben.

Die Türkei erschafft ein De-Facto-Präsidialsystem. Das Problem ist, dass man einen gewählten Präsidenten mit großer Macht hat, ohne Rechenschaftspflicht, und ein gewähltes Parlament, das schwach ist und nicht einmal den Präsidenten überwachen kann. Deshalb möchte der Präsident die Verfassung ändern, damit die Befugnisse des Präsidenten, des Parlaments und der Regierung gleich verteilt werden und eine gerechte Balance hergestellt wird.

Es ist schade, dass dies nicht mit dem Premierminister Ahmet Davutoğlu hätte erreicht werden können. Er sah die unnötige Konfrontation mit der Zeit zuspitzen und somit entschied er sich abzutreten. Davutoğlu rief zu einem außerordentlichen Kongress auf, um seinen Nachfolger zu wählen; einen Parteivorsitzenden und Premierminister.

Die Pessimisten werden diesen Sachverhalt negativ, das halbleere Glas, sehen. Die Optimisten werden das halbvolle Glas sehen.

Also, wenn man aus dem halbleeren Glas blickt, wird man sehen, dass ein Premierminister sagt, dass er einen guten Job gemacht hat und doch sein Amt verlässt. In der Tat haben seine Partei und die Regierung, die von dem Präsidenten gelenkt wird, eine gute Arbeit geleistet. Außerdem sieht man, dass er von seinem Parteichef schlecht behandelt wurde, der seine Befugnisse beschränkte, um regionale Parteifunktionäre zu Abgeordneten zu machen.

Doch niemand erwähnt, dass die Menschen um Davutoğlu versuchten, die Struktur der Partei zu ändern. Sie sehen einen Premierminister, angeblich ein Liberaler und Demokrat, der nicht richtig geschätzt wird. Niemand spricht, wie Davutoğlu im Westen dargestellt wurde, so dass es schien, dass Erdoğan die Türkei ins Stocken gebracht habe.

Man sieht nur einen guten Akademiker, der vergeudet wurde. Man sieht auch, dass er ein Opfer seiner eigenen Berater ist, die ihn aufforderten, dem Präsidenten die Stirn zu bieten und bei Bedarf ihn herauszufordern.

Sie sehen einen Premierminister, der als Erdoğan Präsident wurde, sagte, dass er einen starken Premierminister will und er solch einer sein werde. Was er nicht verstand war, dass Erdoğan dies sagte, um ihn zu ehren. Was er eigentlich meinte, und was Davutoğlu nicht verstand, war, dass er immer noch die zweite Geige spielte, und dass es nur einen Chef gab; Erdoğan.

Davutoğlu war dazu da den täglichen Betrieb der Regierung weiterzuführen, während der Chef zusah. Er war da, um die Verfassung zu ändern und die Gesetzgebung für das Präsidialsystem weiterzubringen. Doch geriet er ins Stocken.

Die Optimisten, die das Glas halbvoll sehen, sagen, dass Davutoğlus Abdankung eine positive Veränderung in der Türkei beschleunigen kann, um ein tragfähiges politisches System zu errichten. Es wird nicht die türkische Wirtschaft inmitten einer turbulenzreichen Welt ändern. Es könnte dazu helfen, der Welt zu zeigen, dass die Türkei eine funktionierende Demokratie ist, auch ohne Davutoğlu als Premierminister.

Eine akademische Note von Davutoğlu war willkommen, aber es wird Zeit, dass die Türkei von politischen Realitäten geführt wird.

Davutoğlu wird gehen und ein neuer Premierminister wird kommen. Erdoğan wird der Chef bleiben und wer auch immer kommt, muss akzeptieren, die zweite Geige zu spielen.

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