Pentagon-Berater denken, Erdoğan ist immer noch Ministerpräsident

Veröffentlicht 20.10.2016 00:00
Aktualisiert 20.10.2016 15:24

Die gehackten E-Mails des Vorsitzenden der Hillary Clinton-Wahlkampagne, John Podesta, bieten einen wertvollen Einblick, wie die US-Regierungsexperten die Türkei und ihren Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan betrachten.

In einer E-Mail von Stuart E. Eizenstat wurde über ein Treffen zur Außenpolitik detailliert berichtet, ein Beratungsausschuss von äußerster Bedeutung des Pentagons. Eizenstat ist US-Botschafter für die EU und war stellvertretender Finanzminister der Clinton-Regierung (1993-2001).

Diese E-Mail vom Januar 2016 fasst die Meinungen der Beratungsausschuss-Mitglieder zu den „Beziehungen" der Türkei zur Daesh zusammen. Auf Wunsch von Verteidigungsminister Ash Carter wurden diese zusammengestellt.

Das erste was mir in diesen E-Mails auffiel waren die faktischen Fehler des Autors. Offensichtlich schrieb er das Treffen minutiös auf, doch formulierte Basisinformationen falsch. Beispielsweise nannte Eizenstat Erdoğan fälschlicherweise als Ministerpräsident der Türkei. Entweder ihm oder dem Ausschuss ist nicht bewusst, dass Erdoğan 2014 bei den Wahlen zum Präsidentenamt aufstieg.

Ein weiterer faktischer Fehler gab es in Bezug auf die kurdische Bevölkerung in der Türkei. Der E-Mail zufolge soll der kurdische Bereich im Norden der Türkei liegen, obwohl es offensichtlich im Süden der Türkei ist. Manche türkische Beamte sahen diese Art der Darstellung als eine Wunschvorstellung der USA für Groß-Kurdistan, die ihrer Meinung nach Teile der Türkei, Syrien und den Irak einschließen soll.

„Sie sagten den Norden, weil für sie der türkische Süden dem syrischen Süden gleichsteht", sagte ein türkischer Top-Beamte wütend. Er war sehr misstrauisch gegenüber den ideologischen Beweggründen, die den Ausschuss zu Eizenstats Ansicht der pro-kurdischen Rhetorik engagieren könnte.

Jeder, der sich mit den türkisch-amerikanischen Beziehungen beschäftigt, stimmt zu, dass die Beziehungen auf dem Kollisionskurs stehen.

Es herrschte nach der türkischen Intervention in Nordsyrien ein extremer Optimismus, die kurzzeitig die militärischen Beziehungen erhöhten. Doch folgte ihm sofort ein politischer Niederschlag. Die E-Mail ist in dieser Hinsicht sehr nützlich, um die amerikanische Denkweise zu verstehen.

Das Ziel von Botschafter Eizenstat war es, Clintons Helfer zur außenpolitischen Front zu informieren, falls Clinton Präsidentin werden sollte, was sehr wahrscheinlich ist. Es scheint, dass der Ausschuss einiges über die Türkei richtig versteht, doch in vielen Dingen liegen sie auch falsch.

Eines dieser Dinge, ist die angebliche „islamisierende Richtung" der türkischen Innenpolitik, was nicht viel Sinn macht, wenn man simplen Orientalismus nicht mag. Aber natürlich schafften sie es auch fälschlicher Weise zu sagen, dass 15 Prozent der türkischen Flaggenoffiziere des Militärs derzeit verhaftet wurden.

Doch störte mich vor allem die Art und Weise, wie die transatlantischen Beziehungen der Türkei dargestellt werden: Sie meinen es gehe Türkei gegen den Westen. Ich habe „den Westen" des Öfteren in meinen früheren Kolumnen verwendet, um die westlichen Akteure zu karikieren. Doch ist die Türkei sehr wohl ein Teil des Westens und ich muss gestehen, dass diese Dichotomie nicht sehr hilfreich für die Lösung der Differenzen zwischen der Europäischen Union, den USA und der Türkei ist.

Diese Auffassung erklärt auch, warum Botschafter Eizenstat oder der verteidigungspolitische Ausschuss mit politischen Vorschlägen kommt, die an eine unfreundliche Nation ausgerichtet wird. „(…) Doch die Mehrheit war der Meinung, wir sollten Wege finden, die wirtschaftlichen Probleme und Bedrohungen der nationalen Sicherheit der Türkei auszunutzen, um sie zur USA näher zu führen", hieß es in der E-Mail. Es geht nicht nur darum die Probleme eines NATO-Verbündeten „auszunutzen", sondern ist die Unwissenheit über die damaligen makroökonomischen Daten der Türkei was beunruhigt.

Dieser Teil ist auch sehr interessant: „Doch Kissinger meint, dass es eine ‚Phantasie' sei, dass Erdoğan ein pro-westlicher Politiker werden könnte, da er sehr pro-islamisch sei. Aber es gibt immer noch Bereiche zur Zusammenarbeit auf der Grundlage der gemeinsamen Sicherheitsbedenken."

Ernsthaft? Erdoğan wiederholt als „pro-islamisch" zu nennen (was auch immer das heißen soll) und das Staatsoberhaupt der Türkei als nicht pro-westlich zu bezeichnen ist unlogisch, da er in zahlreichen Initiativen mit der USA und der EU zusammengearbeitet hat. Außerdem sieht er die Zukunft der Türkei im Westen und nicht im Nahen Osten.

Zum Ende der E-Mail, bleibt die Türkei demokratischer und pro-westlicher als andere muslimische Staaten in der Region. Lassen Sie uns versuchen, dass dies so bleibt, indem wir echte Solidarität mit ihren Sicherheitsbedürfnissen zeigen, und nicht diese ausnutzen.

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