Ismail Saray, der „Hippie aus Kütahya“ - Monographie eines außergewöhnlichen Künstlers

DAILY SABAH
ISTANBUL
Veröffentlicht 22.03.2018 00:00
Aktualisiert 23.03.2018 01:18
Ismail Saray, der „Hippie aus Kütahya“ - Monographie eines außergewöhnlichen Künstlers

Herausgegeben von Duygu Demir und Sezin Romi, ist im März ein Buch über den Künstler İsmail Saray, in der Türkei auch bekannt als der „Hippie aus Kütahya“, erschienen. Es ist die erste monographische Publikation über den Künstler. Sie wurde in türkischer und englischer Fassung veröffentlicht.

Obwohl İsmail Saray in den 1970er bis 1990er Jahren an zahlreichen Ausstellungen in der Türkei und in Europa teilnahm, blieb er mit seinen zunehmend politischen Werken, sowohl lokal als auch international, eine Randerscheinung in der Kunstwelt.

Sarays Dissidenz gegen das System und seine kritische Sicht auf die Institutionalisierung der Kunst, sein Status als Staatsangestellter, sein Boheme-Lebensstil, sein selbst auferlegtes Exil nach dem Putsch von 1980 und die defizitäre Kunstgeschichtsschreibung in der Türkei, überdecken sein bedeutendes künstlerisches Schaffen.

Die Kunst-Institution SALT erforscht seit Ende 2012 den Kontext von Sarays Leben und Methoden, mit der Überzeugung, dass er einen kanonischen Platz im künstlerischen und kulturellen Umfeld der 1970er und frühen 1980er Jahre in der Türkei einnimmt. Seine Arbeiten können eine internationale Resonanz vorweisen und zeigen fortschrittliche Praktiken der Zeit - gleichzeitig ein scharfes Ortsgefühl. Das Archiv des Künstlers, bestehend aus Dokumenten und audiovisuellem Material, wurde von SALT aufbereitet, digitalisiert und bei „SALT Research" online zur Verfügung gestellt.

Die erste Phase des Projekts mit dem Titel „From England with Love, İsmail Saray" wurde zwischen 2014 und 2015 bei Ausstellungen in SALT Galata in Istanbul und später in SALT Ulus in Ankara präsentiert. Mit dem Ziel, sein künstlerisches Schaffen vor dem Vergessen zu bewahren, brachte die Ausstellung Sarays Werke und Archivmaterialien zusammen. Es war die erste und einzige Retrospektive in der Türkei, die ihm gewidmet wurde.


Sarays Unmut gegen das System und seine kritische Sicht auf die Institutionalisierung der Kunst, sein Status als Staatsangestellter, sein bohemianischer Lebensstil, sein selbst auferlegtes Exil nach dem Putsch von 1980 und die defizitäre Kunstgeschichtsschreibung in der Türkei verdunkelten seine bedeutende künstlerische Tätigkeit. Das Buch wurde wurde am 17. März bei SALT Galata der Öffentlichkeit präsentiert.

Das Buch, welches die erste monographische Publikation über den Künstler darstellt, enthält verschiedene Abbildungen seiner Kunstwerke und ausgewählte Dokumente aus dem Ismail-Saray-Archiv bei SALT Research. Das Archiv umfasst seine Arbeiten und Dokumente, beginnend in seinen Studienjahren in den 1960ern, bis zur SALT-Ausstellung.

Das Buch wird herausgegeben von Duygu Demir, einer unabhängigen Kuratorin und Doktorandin in Kunstgeschichte am Massachusetts Institute of Technology (MIT), und Sezin Romi, dem leitenden Bibliothekar und Archivar bei SALT Research and Programs. Das Buchdesign wurde von Okay Karadayılar entworfen. Die Ausgaben des Buches sind sowohl auf Türkisch als auch auf Englisch erhältlich.

Zusätzlich zu den Texten der Herausgeber enthält das Buch Essays von Antony Hudek, Begüm Akkoyunlu und Yusuf Taktak sowie Auszüge aus Interviews mit Mustafa Altıntaş, Handan Börüteçene, Cengiz Çekil, Ahmet Öktem und Saray während des Forschungsprozesses. Demirs Artikel konzentriert sich auf Sarays Bücher und andere auf Papier basierende Arbeiten. Hudek untersucht das von Saray und seiner Frau veröffentlichte „And Journal of Art and Art Education" und die Mitarbeiterin Jenni Boswell-Jones schrieb über den Kontext zur Kunstwelt in Großbritannien.

Akkoyunlu kann auf eine Reihe bahnbrechender Ausstellungen zurückblicken, bei denen auch Saray von den 1970ern bis in die 1990ern Jahre teilnahm. Akkoyunlu fokussiert sich hierbei auf die Transformation des «Ausstellens» in eine unabhängige Praxis. Romis Interview mit dem Künstler rund um die Institutionalisierung der Geschichte beschäftigt sich mit dem Archivierungsprozess und der Entstehung der Ausstellung bei SALT.

Taktaks Ausstellungsrezension von 1979, geschrieben unter einem Pseudonym, kombiniert mit periodischen Aussagen von Künstlerkollegen, steht im Einklang mit dem fundamentalen Ziel des Buches, einen nuancierten, kontextuellen Hintergrund zu liefern, der eine genauere und bessere Bewertung von dem Schaffen Sarays ermöglicht und eine Basis für eine historische Analyse bietet.

Über Ismail Saray

Geboren 1943 in der Provinz Kütahya und Absolvent des Gazi-Universität in Ankara, erhielt Ismail Saray 1968 ein Staatsstipendium und setzte seine Studien in London fort. Nachdem er 1969 und 1970 an der Saint Martin's School of Art einen Abschluss in Bildhauerei gemacht hatte, erhielt er 1973 einen Master of Arts in Bildhauerei am Royal College of Art.

Nach seiner Rückkehr in die Türkei war er im Rahmen seines Pflichtdienstes in der Schwarzmeerstadt Samsun stationiert. Dort war er als Lehrer tätig, von wo er Arbeiten an Ausstellungen in Istanbul und ins Ausland schickte - unter anderem auch für die Pariser Biennale im Jahr 1977. Der zunehmende Konservatismus und die politischen Unruhen in der akademisch-künstlerischen Welt der Türkei in den Jahren vor dem Putsch im September 1980 sowie die Verweigerung seiner Anträge auf eine Neuzuweisung, führten Saray zurück nach London, wo er immer noch lebt.

Neben der Initiierung und Veröffentlichung des «Journals of Art and Art Education» zwischen 1984 und 1993 mit Jenni Boswell-Jones, setzte Saray sein künstlerisches Schaffen fort. Er nahm an den „Jeune Peinture"-Ausstellungen zwischen 1982 und 1983 in Paris teil.

Sarays einzige individuelle Ausstellung fand 1984 im Atelier des Künstlerkollegen Osman Dinç statt. Während der 1980er Jahre trug Saray auch zu Ausstellungen in der Türkei bei, indem er detaillierte Beschreibungen seiner Stücke schickte. Künstlerfreunde und Organisatoren haben dann das Projekt vor Ort realisiert.

Seine Verbindungen zur Kunstwelt in der Türkei schmälerten sich zu Beginn der 1990er Jahre. 1992 reiste er nach langer Zeit wieder nach Istanbul, wo er seit seiner Abreise 1980 nicht mehr Halt gemacht hatte, um an der Ausstellung „SanatTexnh" teilzunehmen. „10 Artists 10 Works" 1993 in Istanbul und „Paper Based" im folgenden Jahr in London, waren die letzten beiden Ausstellungen, für die er bis 2010 neue Werke schuf. Seither konzentriert sich Saray auf lokale Aktivitäten und Kampagnen für Künstlerrechte.

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