Deutschland - nur noch eine traurige Satire?

EVELYN HECHT-GALINSKI @VomHochblauen
ISTANBUL
Veröffentlicht 05.03.2018 00:00
Aktualisiert 28.03.2018 12:07
REUTERS

Man glaubt es kaum, da gab es einmal ein Schmähgedicht eines selbsternannten Satirikers, der im großen Maße von intellektuellen Kreisen in Deutschland bejubelt wurde, weil er es wagte, den selbstbeschwörten „Dämonen" Erdoğan, mit Schimpfwörtern der schlimmsten Art zu diffamieren. Es ging eine unglaubliche mediale Solidarität mit diesem „Satiriker" durchs Land - abgesehen von ein paar aufrechten, echten Satirikern und Kabarettisten, die sich weigerten, mit dieser Art von „Satire" konform zu gehen.

Das „Neo Magazin Royale" - alles andere als königlich - hat sich mit dieser Art von Satire völlig diskreditiert. Als die deutsche Bundesregierung damals ein Ermittlungsverfahren zugelassen hatte, dass wenig später eingestellt wurde, ging ein Raunen durch das Land: wie konnte sie nur? Einen Satiriker so im Regen stehen zu lassen, der doch nur „harmlose" Satire verbreitet.

Glücklicherweise geht das zivilrechtliche Verfahren bis heute weiter. Allerdings fühlt sich der Satiriker in der „Erdoğan-Affäre" im Stich gelassen. Tatsächlich ist es keine Erdoğan-, sondern eine „Böhmermann-Affäre". Denn dieses bewusst verletzende Gedicht überschreitet den Anstand und das Recht auf Menschenwürde, was jedem Menschen, auch dem türkischen Präsidenten, zugestanden werden sollte.

Und wenn sich Böhmermann nun sogar als Kämpfer für die Meinungsfreiheit berufen will und dies zugleich Erdoğan abspricht, dann ist das erträgliche Maß längst überschritten.

Stellen wir uns doch einmal vor, dasselbe Gedicht hätte Böhmermann über den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu verfasst oder über den Präsidenten des Zentralrats der Juden. Sofort hätte Böhmermann wegen antisemitischer Volksverhetzung vor Gericht gestanden und einen „kurzen Prozess" bekommen.

Die Steigerung erlebten wir allerdings letzte Woche, als nach einem Eklat auf der Kunstmesse in Karlsruhe, ein Bild von Präsident Erdoğan mit einer Banane im Hinterleib auf Druck von empörten türkischen Bürgern entfernt werden musste. Da frage ich mich allerdings, warum erst auf Druck von türkischen Bürgern und „Erdoğan-Unterstützern"? Muss man Erdoğan-Unterstützer sein, um solche widerlichen Geschmacklosigkeiten nicht mehr als Kunst zu akzeptieren? Wäre es nicht die Pflicht von „normalen" art-Karlsruhe Besuchern gewesen, darauf zu drängen, dass so ein Bild nichts auf einer Kunstmesse zu suchen hat? Auch hier berief sich der „Künstler" Baumgärtel auf Kunst und Meinungsfreiheit.

Übrigens hatte Baumgärtel dieses Erdoğan-Schmähbild in Solidarität mit Jan Böhmermann und vor zwei Jahren angefertigt und es „Türkischer Diktator" getauft. Schon damals hatte er für dieses Machwerk Kritik und Drohungen von wütenden türkischen Bürgern bekommen und stand danach eine Weile unter Polizeischutz - auf Kosten deutscher Steuerzahler versteht sich. Da ist auch die Frage zu stellen, was mit „Erdoğan-Anhänger" überhaupt gemeint ist - kann man sich nicht auch als Außenstehender gegen so ein „Kunstwerk" aussprechen?

Hätte es Baumgärtel gewagt, Netanjahu eine Banane in den Hintern zu stecken und das Bild dann „Diktator Netanjahu" genannt, was hätte es für ein Aufschrei durch die Republik gegeben – wahrscheinlich hätte dann der Antisemitismus-Prozess des Jahres stattgefunden. Aber da die ganze Sache „nur" einen türkischen Präsidenten und einen Muslim betrifft, sieht der Fall ganz anders aus. Alles ist erlaubt.

Doppelstandart in der Israel-Frage

Gab es einmal eine „freiheitlich-demokratische" Grundordnung, eine gewisse Orientierung, die in Deutschland Konsens schien, so scheint dieser Begriff in der Realität nur noch ein Trümmerhaufen zu sein. Spätestens seitdem es möglich ist, in Deutschland eine massive Hass-Stimmung gegen den Islam und die Muslime aufzubauen - als Ablenkung von eigenem politischen Versagen - sind alle Schleusen des Hasses geöffnet. Wir leben in einem Land, wo muslimische Einwanderer und Flüchtlinge unter Generalverdacht gestellt werden, den Antisemitismus mit der „Muttermilch" eingeflößt bekommen zu haben - und sich unserer deutschen „Leitkultur" anschließen müssen - inklusive der Pflicht, Israels Existenz anzuerkennen und den Holocaust zu verinnerlichen.

Während gegen Ditib wegen ihrer Nähe zum türkischen Staat Druck ausgeübt wird, bleiben jüdische Organisationen wie der Zentralrat der Juden (zumal noch Körperschaft des öffentlichen Rechts) unberührt. Und das, obwohl sie sich offen solidarisch zum „Jüdischen Staat" bekennen; die Verbindungen zu Israel nicht leugnen und sich zugleich als politisches Sprachrohr der israelischen Regierung betätigen. Während jüdische Organisationen einen Freibrief genießen und alles Kritische unter den Tisch fällt, werden muslimische Verbände und Organisationen feindselig betrachtet.

Mit solchen unsinnigen Forderungen schafft man ein Klima, in dem mehr als fragwürdige anti-muslimische Hetz-Seiten, wie „Tichys Einblick" oder „PI" gedeihen. Deutschland ist das Land, wo die AfD- und Pegida-Anhänger „aufblühen" können, die türkischstämmige Bürger als „Kümmelhändler" und „Kameltreiber" beschimpft werden, die sich in ihre „Lehmhütten" scheren sollen. Auch wollen manche die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz in ihre Heimat nach Anatolien abschieben - obwohl Frau Özoğuz in Deutschland geboren wurde und sie einen deutschen Pass besitzt. Özoğuz merkte zu Recht an, dass anstatt immer wieder über „Leitkultur" debattieren zu müssen, man einen Gesellschaftsvertrag mit den gemeinsamen Werten des Grundgesetzes als Fundament setzen sollte.

Noch bedenklicher allerdings scheint mir die Entwicklung, dass sich die etablierten Parteien immer mehr als AfD-Klone betätigen, um nach Wählerstimmen zu jagen. Tatsächlich ist es allerdings so, dass sich immer mehr Wähler davon abgestoßen fühlen - nur deshalb war es möglich, dass so eine rechtsextreme Partei in den Bundestag einziehen konnte.
Die Angriffe der AfD begrenzen sich jedoch im großen Maße auf den Islam- und Erdoğan-Hass - während sie zugleich immer wieder betont, an der Seite der Juden und Israel zu stehen.

Während linke Medien in das gleiche Anti-Erdoğan-Horn blasen und die AfD mit Erdoğan vergleichen, scheint mir dieser Vergleich mehr als unangebracht. Schließlich ist es gerade der „Jüdische Staat", der Verbindungen und Bewunderer in den rechtspopulistischen Parteien in Europa hat. Der gemeinsame Hass auf den Islam scheint zusammenzuschweißen.

Wie ist es möglich, dass das Volk der „Dichter und Denker" - nur 73 Jahre nach Auschwitz - schon wieder eine Religionsgemeinschaft auszugrenzen und zu diffamieren versucht?

Guter Journalist – wertloser Journalist

Es ist unverständlich, wieso sich Deutschland einerseits so stark für inhaftierte Journalisten einsetzt, die dem eigenen Paradigma dienen – und sich andererseits für das Schicksal anderer nicht schert. Dabei gäbe es doch jede Menge Journalisten in Haft, auch und gerade in Palästina, für die es sich lohnen würde, sich einzusetzen.

So ist aber die Frage zu stellen, welches Interesse die Merkel Regierung verfolgt, wenn sie sich so sehr für einen der umstrittensten Journalisten in Deutschland einsetzt. Auffällig schien mir gerade der besondere Eifer, mit dem Deniz Yücel, der „Springernde-Welt"-Kolumnist aus der Haft geholt wurde. Lag es am Wahlkampf oder lag es an der Tatsache, dass deutsche Politiker mit der „Springer-Presse" eng verbunden sind - weil diese sie „hoch"oder „runter" schreiben kann?

Deniz Yücel begann sein Karriere mit geschmacklosen, ja beleidigende Kolumnen für die „taz" und schrieb den Deutschen auch schon mal das Recht auf Israel-Kritik ab. Er wollte im Jargon des Welt Kollegen H.M. Broder den Holocaust, Israel und Deutsche bearbeiten und hat sich letztlich als „Super Bio Deutscher" hochgeschrieben. Allerdings musste die „taz" einmal 20.000 Euro für Yücel bezahlen, als „Schmerzensgeld" für den unerträglichen Sarrazin, den er einen erneuten Schlaganfall gewünscht hatte. So einen geschmacklosen „Springer-Satiriker" brauchen wir nicht! Auch seine Tätigkeit für das mehr als berüchtigte „Antideutschen"-Blatt „jungle world", das mich auch schon mal persönlich beleidigte und einen mehr als fragwürdigen Jargon pflegt, zeigt doch, dass Yücel vor nichts zurückschreckt, wenn es um Herabsetzung und aggressive Beleidigung geht. Yücel, Böhmermann und Baumgärtel, die sich so sehr auf Meinungsfreiheit berufen, schrecken nicht davor zurück, diese zu missbrauchen.

Es ist gut, dass Deniz Yücel frei ist und ich wünsche allen Journalisten, die in Haft sitzen, die Freiheit. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass Yücel das Wort „Satire" schamlos missbraucht hat und sich nahtlos in die Böhmermann- und Baumgärtel-Reihe der Geschmacklosigkeiten einreiht.

Warum also gerade dieser Yücel? Weil er ein Springer-Korrespondent ist und die Medien-Macht in der Politik seit jeher übergroß ist. Das sehen wir beinahe täglich, wenn sich deutsche Politiker über die Springer-Presse melden. Gerade die Nähe führender Politiker, wie auch die der Kanzlerin Merkel, zum Springer-Konzern, wirft Fragen auf. Dieser Konzern hat schon viel Unglück über Deutschland gebracht und ist mit seiner einseitigen philosemitischen Israel-Liebe unglaubwürdig - ebenso unglaubwürdig wie große Teile der deutschen Politik.

Israel will keinen Frieden

Da möchte ich auch explizit die Türkei und Präsident Erdoğan erwähnen, die sofort nach dem völkerrechtswidrigen Beschluss von US-Präsident Trump, Jerusalem als Hauptstadt des „Jüdischen Staates" anzuerkennen und die US-Botschaft am 14. Mai (dem „Geburtstag" des „Jüdischen Staates") dorthin zu verlegen, diese unglaubliche Provokation verurteilten. Israel und die USA zerstören dadurch die Grundlage für den Frieden in Nahost.

Für mich allerdings hat es diese vermeintliche Grundlage für Frieden nie wirklich gegeben, da sie von den zionistischen Besatzern nie gewollt war. Sie kannten sowohl vor als auch nach der Staatsgründung 1948 nur Vertreibung und Enteignung der Palästinenser und die Judaisierung als Staatsräson. So betitelte ich auch mein 2012 erschienenes Buch „Das elfte Gebot, Israel darf alles". Worin ich ausdrücklich betone, dass Israel alles will, nur keinen Frieden. Ich hoffe sehr, dass sich die Türkei, als einzig aktives Nato-Mitglied in dieser Sache, weiterhin für die Freiheit Palästinas einsetzt.

Warum ist der Hass gegen Erdoğan so erfolgreich? Vielleicht weil sich an ihm und an der Türkei der ganze Hass auf die Muslime abgeladen werden kann, der sich momentan epidemisch ausbreitet? Wenn sich grüne Politiker wie Cem Özdemir auf Kosten von Erdoğan und Putin profilieren wollen, aber zu Netanjahu schweigen - dann sind sie im hohen Maße unglaubwürdig. Gerade Linke und Grüne - aber auch CDU, SPD und FDP - fühlen sich dazu berufen, an vorderster Front gegen Erdoğan und Putin zu agieren. Während sie auf der anderen Seite Solidarität mit Israel zelebrieren und dessen Angriffe als „Recht auf Selbstverteidigung" verteidigen, wollen sie der Türkei dieses Recht aberkennen. Ebenso die Mitgliedschaft in der EU, die immer wieder aus fadenscheinigen Gründen verschoben wird - und faktisch nie gewollt war und auch nie sein wird. Das ist mehr als bedauerlich, denn die Türkei gehört zu Europa und der Islam auch! Das sollte die christlich-jüdische „Wertegemeinschaft" endlich verinnerlichen - entgegen allen Widerständen.

Während unter dem Netanjahu-Regime schwarze Flüchtlinge als Eindringlinge abgeschoben werden sollen oder in Haft landen, hat die Türkei in vorbildlicher Form gezeigt, wie man Flüchtlinge aufnimmt und versorgt.

Während die Türkei ungerechter Weise für ihren Umgang mit Minderheiten gescholten wird, ist im „Jüdischen Staat" momentan eine „systematische Kampagne" gegen Kirchen und christliche Gemeinden im Gange. Diese protestieren gegen den israelischen Gesetzentwurf - ein diskriminierendes und rassistisches Gesetz, das die „guten" Beziehung zu christlichen Gemeinden mit Füßen tritt. Dadurch soll die staatliche Enteignung von deren Grundstücken ermöglicht werden, ebenso die Verhängung von städtischen Gebühren, und Steuern, die gegen den Status quo verstoßen, um so die christliche Präsens in Jerusalem zu schwächen.

Aus Protest gegen dieses Gesetz wird der christliche Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt, die Grabeskirche - die als heiligste christliche Stätte im Heiligen Land gilt - auf unbefristete Zeit geschlossen. Nach der Vertreibung der Muslime und den Querelen um den Haram al-Sharif folgt also nun die Vertreibung der Christen. Wie wird wohl die heuchlerische westliche Staatengemeinschaft auf diese neue Provokation reagieren?

Stellen wir uns einmal vor, die christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften in der Türkei wären wegen ähnlichen gesetzlichen Maßnahmen - wie vom Besatzer-Regime Netanjahus in Jerusalem geplant - gezwungen worden, Kirchen oder Synagogen zu schließen. Wie sehr wären wohl die ganzen „Werteheuchler"- angefangen vom grünen Özdemir, bis hin zur gesamten deutschen Politik - darüber in Aufregung und würden über die Türkei herfallen? So aber, ist es „nur" der „Jüdische Staat" und der darf ja bekanntlich ALLES!

So bleibt Deutschland nur noch eine traurige Satire!

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