Landtagswahlen: Rechtsruck in Sachsen und Brandenburg

KEVSER EROL
Veröffentlicht 01.09.2019 11:05

Nach der Bundestagswahl im Jahr 2017 lauteten die ziemlich beängstigenden Aussagen des AfD-Politikers Alexander Gauland: „Und liebe Freunde, da wir ja nun offensichtlich drittstärkste Partei sind, kann sich diese Bundesregierung (...) warm anziehen. Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen - und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen." Diese Worte ertönen wohl noch heute in den Ohren vieler besorgter Bürger. Sie erinnern an das dunkle Kapitel des Landes - das eigentlich abgeschlossen sein sollte.

Diesen Sonntag finden die Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern Sachsen und Brandenburg statt. Wir werden am Abend wahrscheinlich ein weiteres Mal mit rechtslastigen Wahlergebnissen konfrontiert werden. Statistischen Angaben zufolge sind die Anteile der muslimischen Bevölkerung in beiden Bundesländern sehr gering. In Sachsen beträgt der Bevölkerungsanteil der Muslime lediglich 0,8 Prozent - in Brandenburg sogar nur 0,2 Prozent. Dennoch liest man in den Schlagzeilen vermehrt von Angriffen auf Muslime, Geflüchtete und religiöse Einrichtungen. Experten prognostizieren noch stärkere Radikalisierungstendenzen für die Zukunft. Zu dieser Entwicklung trägt der rechtspopulistischer Politikdiskurs maßgeblich bei, er treibt förmlich einen Keil zwischen die Gesellschaft.

Politisch betrachtet wird die Stimmung in Deutschland düsterer. Je mehr Wahlen stattfinden, desto sichtbarer wird der Rechtsruck. Die Stimmen der AfD sind im Aufstieg begriffen - das euphorisiert natürlich die AfD-Unterstützer.

In Sachsen und Brandenburg leben 5,3 Millionen Wahlberechtigte. Sie werden ihre Vertreter für eine Wahlperiode von fünf Jahren bestimmen. Die beim INSA-Institut im Auftrag der Bild-Zeitung veröffentlichten Umfrageergebnisse für die bevorstehenden Landtagswahlen sind bedrückend und werfen viele Fragen für die Zeit danach auf. Dazu werden verschiedene Szenarien gesponnen.

Laut den Umfragen wird die AfD in beiden Ländern ihre Wählerstimmen deutlich steigern und dadurch noch stärker in den Vordergrund treten als zuvor. Die etablierten Parteien haben eine mögliche Koalition und Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen AfD von vornherein ausgeschlossen. Doch was für Konsequenzen diese Entscheidung mit sich bringen wird, wird erst nach den Wahlen zu sehen sein. Zudem sei dahin gestellt, ob die Parteien auch langfristig ihre Aussagen und ihren Politkurs beibehalten werden. Es gibt ja - wenn auch nur vereinzelt - Stimmen in der CDU, die mehr Gemeinsamkeiten bei der AfD sehen als bei der SPD oder den Grünen.

Landtagswahl in Sachsen

Bei der Umfrage des INSA-Instituts gaben 29% der Befragten an, die CDU zu wählen - 25% die AfD, 15% die Linken, 11% die Grünen, 8% die SPD, 5% die FDP. Demnach wird wahrscheinlich die CDU als stärkste Partei aus den Wahlen am Sonntag hervorgehen, während sich vermutlich die AfD als zweit- und die Linke als die drittstärkste Partei etablieren werden.

Um eine Landesregierung bilden zu können, müsste es bei diesem Ausgang einer Koalitionsregierung bedürfen. Einer Alternative zu einer Koalitionsregierung stünde die Bildung einer Minderheitsregierung gegenüber, bei der kein Koalitionsvertrag erstellt wird. Falls es dazu kommen sollte, müsste die CDU-Regierung von den anderen Parteien im Landtag toleriert werden. Somit würde der AfD ein größerer Einfluss zugesprochen, als den meisten lieb ist.

Bei der letzten Landtagswahl (2014) ging die CDU mit 39,4% der Stimmen als stärkste Partei hervor, während die Linken 18,9%, die SPD 12,4%, die AfD 9,7%, die Grünen 5,7%, die NPD 4,9% und die FDP 3,8% erreichten. Das Wahlergebnis unterschied sich damals nicht wirklich von den Prognosen der Wahlumfragen. Es scheint so, als würde die AfD immer stärker Auftreten. So lange die etablierten Parteien keine Lösungen für die Probleme der Menschen – vor allem im Osten – finden, wird sich daran nichts ändern.

Landtagswahl in Brandenburg

In Brandenburg sind die Aussichten für die AfD sogar noch rosiger. Dort gaben jeweils 21% der Befragten an, die AfD und SPD wählen zu wollen - 17% die CDU, 15% die Linke, 14% die Grünen und 5% die FDP. Die AfD hat hier also gute Chancen, als stärkste Partei hervorzugehen.

Das letzte Wort hat die Wählerschaft. Sie wird selbst entscheiden, welches Deutschland sie in Zukunft sehen will. Eine Besonderheit bei den Landtagswahlen ist, dass die Wähler auch indirekt Mandate für den Bundesrat bestimmen. Nach den Wahlen werden beide Landesregierungen jeweils vier Vertreter in den Bundesrat entsenden. Als einer der fünf ständigen Verfassungsorgane in Deutschland besitzt der Bundesrat mit 69 ordentlichen Mitgliedern einflussreiche Befugnisse.

Alarmsignale werden überhört

Nun, die Alarmsignale für den Rechtsruck ertönen letztendlich seit mehreren Jahren sowohl auf Landes- als auch Bundesebene. Dafür reicht ein Blick auf die Entwicklung des Wählerverhaltens in den vergangenen Jahren. Langsam und ehrgeizig versucht sich die AfD in der deutschen Politiklandschaft dauerhaft zu etablieren - und sorgt dafür, dass sich die Sprache der anderen Parteien die ihrer eigenen anpasst. Aktionen wie „#Unteilbar" setzen zwar ein starkes Zeichen auf gesellschaftlicher Ebene, doch scheinen sie nicht genug Beachtung von der Politik zu bekommen. Zudem sorgen die Unstimmigkeiten zwischen den Mainstream-Parteien für eine steigende Popularität der AfD. Diese Entwicklung äußert sich nicht zuletzt auf gesellschaftlichen Ebene in Form von Gewalt und Mord – wie im Fall des CDU-Politikers Walter Lübcke. Seine „Willkommenspolitik" gegenüber Flüchtlingen musste er mit seinem Leben bezahlen.

Angesichts dieser Zustände machen die gewählten Politiker leider nicht den Eindruck, als könnten sie die notwendige Zusammenarbeit aufbringen, um den Rechtspopulismus einzudämmen, der letztendlich auch die Demokratie gefährdet. Dieses Verhalten löst zum einen Unverständnis bei den einfachen Bürgern aus, zum anderen deutet es auf eine schwerwiegende Krise hin. Davon profitiert letztlich die AfD. Selbst bei der #Unteilbar-Demonstration in Dresden blieb eine gemeinsame Botschaft des Zusammenhalts aus. Während zehntausende in Dresden anwesend waren, um für Pluralität, Vielfalt und gegen Rassismus und Hass einzustehen, verweigerte der Ministerpräsident und CDU-Vorsitzende Sachsens, Michael Kretschmer, seine Teilnahme.

Es darf keine Zeit mehr verloren werden, denn die Zahlen sprechen für sich. Wenn wir als Bürger der Bundesrepublik ein offenes und tolerantes Deutschland wollen, dann müssen wir alle - auch die Politiker - zusammen gegen die Gefahr von Rechts anstehen. Es muss ein gesundes Bewusstsein für Pluralität geschaffen werden, damit auf dieser Basis Probleme auf gesellschaftlicher und politischer Ebene nachhaltig gelöst werden können. Falls wir uns in der Bequemlichkeit oder in politisch-ideologischen Streitereien verlieren, gehen wir irgendwann selbst verloren. Ein bisschen sind wir das sowieso schon - aber selbst wenn der Tag gerettet ist, trifft das nicht unbedingt immer auf die Zukunft zu.

*Kevser Erol ist Doktorandin und promoviert zum Thema „Die Beziehungen zwischen den Staaten des Arabischen Frühlings und der EU, im besonderen Deutschland". Zur Zeit arbeitet Erol als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Denkfabrik SETA Brussels.

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