Trotz internationaler Kritik am geplanten Abriss des Beduinendorfes Chan al-Ahmar im besetzten Westjordanland hat die israelische Regierung die Bewohner ultimativ zur Räumung ihrer Häuser aufgefordert. Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums erhielten die rund 200 Einwohner von Chan al-Ahmar am Sonntag eine Mitteilung, in der sie zum Abriss ihres eigenen Dorfes bis zum 1. Oktober aufgefordert werden. Israel behauptet, das Dorf sei illegal errichtet worden.
Welche Maßnahmen drohen, wenn die Dorfbewohner sich der Anordnung widersetzen, wurde nicht mitgeteilt. Die Bewohner von Chan al-Ahmar kündigten Widerstand an. "Niemand wird gehen. Wir werden gewaltsam vertrieben werden müssen", erklärte der Sprecher des Dorfes, Eid Abu Chamis. Die Dorfbewohner würden dazu demnächst eine Versammlung abhalten.
Israels Oberster Gerichtshof hatte am 5. September endgültig grünes Licht für den Abriss des Beduinendorfes gegeben. Chan al-Ahmar liegt in einem strategisch bedeutsamen Gebiet östlich von Jerusalem; in der Nähe befinden sich israelische Siedlungen sowie eine wichtige Straße zum Toten Meer. Das Dorf hat rund 200 Einwohner. Die meisten von ihnen leben in ärmlichen Unterkünften aus Wellblech und Holz. Friedensaktivisten und Menschenrechtler sehen im israelischen Vorhaben einen massiven Verstoß gegen die Grund- und Besitzrechte der betroffenen Einwohner.
Israels Behörden wollen das Dorf schon seit Jahren abreißen lassen und argumentieren, dass es ohne die erforderlichen Genehmigungen errichtet worden sei. Derartige Genehmigungen zu erhalten, ist in diesem Teil des Westjordanlands allerdings schwierig.
Die israelischen Behörden haben den Bewohnern von Chan al-Ahmar Ersatzgrundstücke angeboten. Nach Angaben der Dorfbewohner befand sich eines jedoch in der Nähe einer Müllkippe und ein anderes in der Nähe einer Kläranlage.
Am Donnerstag hatten acht europäische Staaten, darunter fünf Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, Israel zur Abkehr von den Abrissplänen aufgefordert. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden, Belgien, Polen und die Niederlande warnten in einer gemeinsamen Erklärung, die Zerstörung von Chan al-Ahmar "würde die Realisierbarkeit der Zwei-Staaten-Lösung ernsthaft gefährden". "Wir fordern die israelischen Behörden deshalb auf, ihre Entscheidung zu überdenken, Chan al-Ahmar abzureißen", hieß es in dem Appell.