Bei Wiederwahl will Netanjahu illegale Siedlungen im Westjordanland annektieren

DAILY SABAH MIT DPA
ISTANBUL
Veröffentlicht 07.04.2019 11:47
Reuters Archiv

Nur wenige Tage vor der Parlamentswahl in Israel hat Regierungschef Benjamin Netanjahu die Annektierung illegaler jüdischer Siedlungen im besetzten Westjordanland in Aussicht gestellt.

«Ich werde nicht eine einzige Siedlung räumen. Und ich werde natürlich dafür sorgen, dass wir das Gebiet westlich des Jordans kontrollieren», sagte der rechtsorientierte Ministerpräsident am Samstagabend im israelischen Fernsehen. Netanjahu hofft darauf, das in Umfragen führende oppositionelle Bündnis der Mitte von Ex-Militärchef Benny Ganz noch zu überholen.

Der mit Korruptionsvorwürfen konfrontierte Likud-Parteichef sagte, die nächste Legislaturperiode nach der Wahl am Dienstag werde schicksalhaft sein. «Werden wir in der Lage sein, unsere Sicherheit zu gewährleisten und die Kontrolle über das essenziell wichtige Gebiet von Judäa und Samaria (Westjordanland)? Wir haben gesehen, was wir nach einem Abzug aus dem Gazastreifen bekommen haben», sagte Netanjahu. Im Falle eines weiteren Abzugs sei ein «Gazastreifen in Judäa und Samaria» zu befürchten. Israel hatte den Gazastreifen 2005 geräumt, 2007 übernahm dort die Widerstandsbewegung Hamas die Kontrolle.

Netanjahu sagte, er habe erreicht, dass US-Präsident Donald Trump die Golanhöhen als israelisches Gebiet anerkenne. Man wolle nun «zur nächsten Phase übergehen» und die israelische Souveränität auch auf das Westjordanland ausweiten. Dies war bisher vor allem eine Forderung ultrarechter Koalitionspartner Netanjahus.

Israel besetzte Ostjerusalem und das Westjordanland während des sechs Tage Krieges 1967.

Das internationale Völkerrecht betrachtet das Westjordanland und Ostjerusalem als „besetzte Gebiete", wobei alle jüdischen Siedlungen auf dem Land als illegal gelten.

In den besetzten Gebieten leben heute mehr als 600.000 israelische sogenannte Siedler in mehr als 200 Siedlungen. Vor allem der erzkonservative Erziehungsminister Naftali Bennett dringt darauf, weite Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete indes für einen eigenen Staat Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

Saeb Erekat, Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, nannte Netanjahus Äußerungen kaum überraschend. «Israel wird das Völkerrecht weiterhin und so lange schamlos brechen, wie die internationale Gemeinschaft Israel mit Straflosigkeit belohnt», teilte er über Twitter mit.

Israel unterscheidet selbst zwischen illegalen Siedlungen und mit israelischer Genehmigung gebauten. Aus Sicht der internationalen Gemeinschaft sind alle Siedlungen rechtswidrig. Sollte Israel sie annektieren, wäre dies ein schwerer Schlag für Bemühungen um eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung.

Netanjahu strebt nach einem emotional geführten Wahlkampf eine fünfte Amtszeit als Ministerpräsident an. In den jüngsten Umfragen lag das oppositionelle Bündnis Blau-Weiß von Ganz knapp vor Netanjahus rechtskonservativem Likud. Es ist jedoch fraglich, ob sich Ganz - bis 2015 Chef der israelischen Streitkräfte - mit einem Links-Mitte-Block die Regierungsmehrheit im Parlament sichern kann.

Netanjahus Partei würde sich im Falle eines Wahlsiegs um eine Koalition mit anderen rechten Parteien bemühen, zu deren Wählerklientel auch die illegalen Siedler gehören. Ganz hat sich im Wahlkampf für den Erhalt der großen jüdischen Siedlungsblöcke im Westjordanland ausgesprochen, aber auch von der israelischen Besatzung distanziert.

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