Idlib: Flüchtlinge träumen von einem Leben in der Türkei

DAILY SABAH MIT AFP
ISTANBUL
Veröffentlicht 04.10.2019 13:06
Aktualisiert 05.10.2019 13:04
Reuters

Schon fünf Mal hat Dschaber Abu Taim versucht, mit seiner Frau Walaa und ihren zwei Kindern von der nordsyrischen Provinz Idlib in die Türkei zu kommen. Um die 1200 Dollar für die Schmuggler aufzubringen, hat der 31-jährige Familienvater sein Erspartes geplündert und Geld von Verwandten geliehen. Doch jedes Mal wurde die Familie an der Grenze geschnappt und wieder zurückgeschickt. In der umkämpften Oppositionsprovinz Idlib zu bleiben, ist für sie dennoch keine Option.

"Es gibt hier keine Arbeit für mich, die Situation ist katastrophal", sagt Dschaber, der sich beim letzten Versuch beim Sprung von der Grenzmauer das Bein gebrochen hat. Auch wenn der junge Mann schon so oft gescheitert ist, will er sich nicht entmutigen lassen. "Ich werde 50, 60, 100 Mal versuchen reinzukommen", sagt er. "Ich will dorthin, um einen Job zu finden, damit ich Geld für meine Kinder verdienen und für meine Tochter sorgen kann."

Das Mädchen leidet an einer Augenkrankheit und braucht dringend medizinische Behandlung. Doch in den Flüchtlingslagern an der türkischen Grenze, in denen Hunderttausende Zuflucht vor den Kämpfen gesucht haben, gibt es wenige Ärzte. Die Weltgemeinschaft bringt nicht genug Hilfen auf. Die Menschen bekommen außer von der Türkei kaum Hilfe. Wie viele Vertriebene hoffen Dschaber und seine Frau Walaa auf einen Neuanfang in der Türkei, die in den vergangenen Jahren mehr als 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat.

"Wir riskieren unser Leben, um in die Türkei zu kommen, doch am Ende kommen wir nicht rüber", klagt Walaa. Im Schutz der Nacht müssen sie stundenlang zur Grenze laufen und über die Grenzmauer klettern, mit der die Türkei aus Sicherheitsgründen vor einigen Jahren ihre Grenze abgeriegelt hat. Zwar ist es der Familie schon mehrfach gelungen, über die Mauer zu kommen. Doch wurde sie dann stets von türkischen Grenzwächtern gefasst und zurückgeschickt.

Schon lange nimmt die Türkei keine weiteren Syrer mehr auf. In der türkischen Gesellschaft hat sich unter dem Wirtschaftsdruck die Stimmung gegen die Gäste aus dem Nachbarland teilweise gedreht. Die Regierung wirbt daher verstärkt für eine Rückkehr der Flüchtlinge in die Heimat.

Die Vertriebenen in Idlib hindert das nicht daran, weiter von der Türkei zu träumen. Auch Abu Sallum würde gerne über die Grenze, die direkt neben dem Haus liegt, in dem er mit seinen zwei Frauen und acht Kindern Zuflucht gefunden hat. Ein türkischer Wachturm ist so nah, dass er direkt in ihren Hof hineinschaut. "Dieses Leben ist unerträglich", sagt der 45-jährige Bauer. Doch mit einer so großen Familie ist eine Flucht viel zu teuer.

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