Die Nacht des Putschversuchs – ein Augenzeugenbericht

MERYEM GÖKA @meryemgoka
ANKARA
Veröffentlicht 04.08.2016 00:00
Aktualisiert 05.08.2016 11:43
Die Nacht des Putschversuchs – ein Augenzeugenbericht

Meryem Göka ist Deutsch-Türkin, Tochter einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters, geboren in Ettlingen. Seit 1977 lebt sie in der Türkei und seit 2008 engagiert sie sich politisch für die regierende AK-Partei. Sie arbeitet mit türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan eng zusammen.

Vize-Vorsitzende der AK Partei Frauen Union Meryem Göka berichtet in diesem Kommentar über ihre Reaktion und ihr Unverständnis gegenüber den internationalen Medien im Zusammenhang mit dem Putschversuch in der Türkei.

Göka ist mit ihrer Reaktion nicht alleine und spricht somit für Millionen andere aus der Türkei.

„Es war ein Tag wie jeder andere auch- arbeiten und schließlich Feierabend…

Dachte ich…

Am frühen Abend hörte ich am Himmel von Ankara F-16 Kampfflugzeuge. Dann Nachrichten von Panzern, die in Istanbul eine Brücke versperren. Bestand etwa die Gefahr eines Terroranschlags? Einen Tag zuvor hatte sich der Anschlag in Nizza ereignet. Dann kam eine Nachricht nach der anderen. Meldungen, die uns aus unserer heilen Welt rissen…

Die staatliche Rundfunk- und Fernsehanstalt, TRT war von Soldaten gestürmt worden. Von Soldaten, die eigentlich dem Gemeinwohl dienten, von Soldaten, die sich zur Gewährleistung des Schutzes und der Sicherheit des eigenen Volkes verpflichtet hatten…

Ich begab mich sofort zur AK Partei Zentrale in Ankara. Es war unbegreiflich für mich. Die Türkei, ein Land, das in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt hatte, nun bedroht von den eigenen Soldaten? Wo war unser Präsident, Recep Tayyip Erdoğan? Welches Ausmaß hatte dieser Putsch? Wer war der Drahtzieher?

Aus den Nachrichten erfuhren wir, dass eine innerhalb der türkischen Streitkräfte eingenistete Gruppe der Terrororganisation Fethullah Gülen, FETÖ die Befehlskette durchbrochen und den Putschversuch gestartet hatte. Dann schließlich gegen Mitternacht ein Erlösungsschlag. Erdoğan schaltete sich über sein Handy in Ton und Bild in eine Live-Sendung zu. Er rief alle, das ganze Volk, nicht nur seine Anhänger dazu auf, auf die Straßen zu gehen und sich dem Putschversuch entgegenzustellen.

„Ich habe nie geglaubt, dass es eine höhere Macht gibt als das Volk"

Diese Worte erfüllten uns mit Tatendrang. Ein Volk, das nicht verlieren wollte, was es leidvoll erreicht hatte, nämlich die Demokratie und Freiheit des Landes. In der ganzen Türkei – der gleiche Reflex: Nicht nur Männer, sondern auch Frauen mit ihren Kindern strömten in großen Mengen auf die Straßen.

Als eine Frau, die in ihrer Jugend den Putsch der 80'er in der Türkei miterlebt hat, überkamen mich Emotionen, denen ich keinen Einhalt gebieten wollte. Über einen Lautsprecher wandte ich mich vor meiner Parteizentrale an die Menschenmenge: „Wir werden nicht aufgeben, was wir uns so mühselig aufgebaut haben. Es ist unser Land und unsere Demokratie. Wir bleiben alle hier. Auch Frauen mit ihren Kindern, wenn's sein muss sterben wir hier zusammen. Wir werden es nie und nimmer zulassen, dass dieser Putsch erfolgreich wird. Wir sind ein demokratisches Land. Wir stehen für Freiheit – WIR sind die ''Neue Türkei'', egal welcher Ethnizität, welchem Glauben oder welcher Lebensweise wir auch angehören."

Kurze Zeit nach dem Morgengebet erfuhren wir aus den Medien, das wehrlose Zivilisten in vielen Orten von Panzern überrollt und unter Beschuss genommen wurden, zeitgleich Putschisten mit gekaperten Kampfflugzeugen das Parlament bombardierten, in dem sich die Abgeordneten aufhielten und das Hotel in Marmaris, in dem sich unser Präsident aufhielt, gestürmt wurde und bei einem Schusswechsel einige seiner Leibwächter sogar getötet wurden.

Die schreckliche und traurige Bilanz des Putschversuches: 249 Tote, fast 1500 Verletzte.

Sowohl die Oppositionsparteien CHP, MHP, HDP und Nichtregierungsorganisation als auch Medienanstalten stellten sich in Solidarität gegen die Verräter.

Seit dem FETÖ-Terrorakt steht die ganze Nation, in allen 81 Provinzen ''Wache für Demokratie''. Landesweit treffen wir uns vereint auf allen großen Plätzen.

Nach dem Putschversuch, sind wir auch noch mit einem Bestreben der internationalen Medien nach einer Manipulation der Wahrnehmungen konfrontiert. Wirklich unfassbar!

Die Realität, dass die FETÖ Terrororganisation, die tief in das Militär, die Justiz und weite Teile der Bürokratie hineinreicht, versucht hat durch den Putschversuch die Staatsgewalt an sich zu reißen, wird ausgeblendet.

Jetzt sollen wir uns auch noch rechtfertigen für den verhängten „Ausnahmezustand", dafür das Anhänger der Terrororganisation Fethullah Gülen festgenommen oder vom Dienst suspendiert werden. Ich und auch der Rest der Bevölkerung ist empört!

Alle Ermittlungen werden im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit durchgeführt – ohne Wenn und Aber! Wir sind ein Rechtsstaat. Frankreich hat (auch ohne Putschversuch) den seit Monaten bestehenden Ausnahmezustand um sechs Monate verlängert. (Das hat keine westliche Regierung gestört.)

Ist es nicht vollkommen normal und verständlich, dass wir Maßnahmen treffen?

Hier ist der Rechtsstaat gefordert, den Gesetzen Geltung zu verschaffen und für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Alles verläuft im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit: Vernehmungen, Verhaftungen, Entlassungen… Unschuldige werden freigelassen. All das gebietet die Rechtsstaatlichkeit.

Wäre der Putsch den Verrätern gelungen, hätten die Putschisten wie bei früheren Putschen zehntausende inhaftiert, gefoltert, ermordet, ohne dass sich dabei westliche Staaten über die Verletzung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beschwert hätten.

Noch bevor eine rechtliche Aufarbeitung begonnen hat, wird Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan vorgeworfen, dass er die Situation jetzt zu seiner Gunsten ausnutzt. (Die gleiche Medienlandschaft hatte auch behauptet, Recep Tayyip Erdoğan hätte um Asyl gebeten!)

Während die Kritik an den Putschisten fast völlig verstummt, warnen westliche Politiker die türkische Regierung vor ''Rache, Willkür und Machtmissbrauch'', gleichzeitig mahnen sie zur Einhaltung ''rechtsstaatlicher und demokratischer Grundsätze''. Es wird sogar von einem Gegenputsch gesprochen!!

Erdoğan – Diktator – Autokratisch – Gespaltene Gesellschaft ?

Warum merken wir denn nichts davon? Von wegen gespalten! Wir sind als Nation vereint und stehen zusammen, egal ob Türke, Kurde oder andere Ethnizität oder auch als Menschen verschiedener Glauben und Lebensweisen.

Nachdem Erdoğan 2001 an die Macht kam, gelang der Türkei ein wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg. Aber nicht nur das: Recep Tayyip Erdoğan gab dem Volk vor allem sein Selbstbewusstsein zurück. Von wegen Diktator!

Seit 2008 bin ich tätig für die AK Partei Frauen – Union. Ich wollte und will ein Teil dieser Mission sein, etwas für mein Land unternehmen, zusammen mit Recep Tayyip ERDOĞAN.

Wir arbeiten mit Ihm zusammen und verwirklichen gemeinsam unsere Ziele. Unser Ziel für 2023 ist es, die Türkei gemeinsam zu einer der zehn größten Wirtschaftsmächte der Welt aufsteigen zu lassen. Die Türkei bildet einen sicheren Hafen für alle Flüchtlinge. Die Türkei war früher ein auf Hilfe angewiesenes Land. Heute hingegen sind wir das größte Hilfe bietende Land.

Je größer unser Erfolg desto intensiver die Bemühungen der westlichen Medien um eine Wahrnehmungsmanipulation. Ich hoffe, dass es in Deutschland genug Menschen gibt, die sich davon nicht beeinflussen lassen und auch mal versuchen, die aktuelle Situation in der Türkei aus unserer Perspektive zu betrachten.

Die Türkei verdient wirklich weitaus mehr Beistand, Anteilnahme und Solidarität.

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