Millionen versammeln sich zur historischen Demokratie-Demo

ANADOLU AGENTUR
ISTANBUL
Veröffentlicht 08.08.2016 00:00
Aktualisiert 08.08.2016 12:17
IHA

Millionen von Menschen versammelten sich am Sonntag in Istanbul und zeigten eine spektakuläre Einheit, die auch die regierenden und oppositionellen Parteichefs zum ersten Mal in der Geschichte der modernen Türkei zusammenbrachte.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan zusammen mit Premierminister und AKP-Chef Binali Yıldırım, Chef der Republikanischen Volkspartei (CHP) Kemal Kılıçdaroğlu und Chef der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) Devlet Bahçeli nahmen an der massiven „Demokratie und Märtyrer Kundgebung" teil. Ziel der Kundgebung war die nationale Solidarität und gemeinsamen Protest gegen den vereitelten Putsch des 15. Julis zu zeigen.

Die Versammlung begann mit einer Schweigeminute, gefolgt von der türkischen Nationalhymne und eine Rezitation des Heiligen Korans in Erinnerung an die Märtyrer. Mehmet Görmez, Minister für religiöse Angelegenheiten, führte ein Gebet der Heilung und des Segens.

Einer der Helden des Anti-Putsch-Widerstands, Orcun Şekercioğlu, der bei einer Konfrontation mit aufständischen Truppen sein Bein verlor, sprach zu den Massen über den historischen Kampf: „Wir hatten unseren Glauben an unseres Seite. Meine Freunde wurden zu meiner Rechten und Linken erschossen, aber wir hielten nicht an."

Şekercioğlu verglich die Nacht mit der Schlacht von Gallipoli im Ersten Weltkrieg; in der Türkei auch bekannt als die Schlacht von Çanakkale. „Es war eine neue Çanakkale, ein neuer Kampf der Unabhängigkeit", sagte er.

Der MHP-Vorsitzende Devlet Bahçeli lobte den Widerstand der Bevölkerung gegen den Putschversuch am 15. Juli in seiner Rede.

„Ich sehe, wie die Türkei mit Stolz strahlt. Hier gibt es Glauben, hier gibt es einen Willen", sagte er. „Die Menschen waren mutig und haben den Verrätern und Terroristen des Putsches eine Lektion erteilt."

„Eine neue Reise beginnt von Yenikapı", sagte Bahçeli.

Yenikapı, ist der Name des riesigen Platzes, wo die Kundgebung am Sonntag veranstaltet wurde und bedeutet „neue Tür" auf Türkisch.

Hauptoppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu betonte, dass die Türkei nach dem Putsch die Politik aus den Moscheen, Kasernen und den Gerichtsgebäuden ausschließen sollte.

„Der 15. Juli-Putschversuch hat eine neue Tür der Kompromisse eröffnet. Nach dem 15. Juli gibt es eine neue Türkei. Wenn wir diese Kraft und Kultur der Versöhnung so weiterführen können, werden wir eine bessere Türkei für unsere Kinder hinterlassen", fügte er hinzu.

Generalstabschef Hulusi Akar überraschte bei der Kundgebung mit einer Rede und sagte, dass die Putschisten aufs Härteste bestraft werden.

Akar pausierte oft seine Rede, um sich bei dem Publikum zu bedanken, die stätig Lob für das türkische Militär riefen.

Premierminister Binali Yıldırım verglich in seiner Ansprache den Widerstand gegen den Putschversuch mit dem Unabhängigkeitskrieg, der bei der Errichtung der modernen Türkei einen großen Beitrag geleistet hatte.

„Als Militärs verkleidet, versuchten sie unser Land zu besetzen und unseren nationalen Willen zu stehlen", sagte Yıldırım in Bezug auf die Putschisten.

„Jeder Putsch, der uns nicht umbringt, macht uns stärker", sagte er.

Der Premierminister lobte auch die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) und die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) für ihre Unterstützung.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan betrat das Podium mit tosendem Applaus und sagte: „Unsere Präsenz heute regt unsere Feinde auf, wie es auch am Morgen des 16. Julis tat."

In Bezug zum 15. Juli sagte Erdoğan: „In dieser Nacht gab es Leute, die ihr Leben riskierten, um den Putsch zu stoppen, und füllten die Straßen. Die Geschichte wird sich an die Namen der Märtyrer in goldenen Buchstaben erinnern."

Zu der möglichen Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei für die Beteiligten des gescheiterten Putschversuchs, bekräftigte Erdoğan seine Haltung, dass die Entscheidung dem Parlament überlassen wird.

„Das Parlament ist das Amt, das über die Todesstrafe entscheiden wird. Der nächste Schritt wird klar sein, nachdem das Parlament ihre Entscheidung getroffen hat. Ich werde die Todesstrafe bewilligen, wenn das Parlament sich dafür entscheidet."

Der Präsident bat die Türken im ganzen Land ihre „Demokratie Wachen" bis Mittwoch zu verlängern. „Wir werden die (Demokratie-) Versammlungen am Mittwoch beenden."

Bei der riesigen „Demokratie und Märtyrer Kundgebung" am Sonntag war es das erste Mal, dass die Parteichefs der AKP, CHP und MHP dieselbe Plattform geteilt haben. Der ehemalige Präsident Abdullah Gül und der ehemalige Premierminister Ahmet Davutoğlu waren ebenfalls anwesend.

Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen wurden für diese historische Kundgebung ergriffen und der Polizei zufolge haben sich fast fünf Millionen Menschen versammelt.

Taschenkontrollen und Durchsuchungen wurden beim Eingang zur Kundgebung durchgeführt. Ein Polizeihubschrauber kreiste über das Gelände und eine große Zahl von Polizisten und Sicherheitspersonal, sowie Krankenwagen und mehr als 700 Mediziner waren anwesend.

Politische Flaggen und Banner wurden von der Kundgebung verboten, um den politischen Konsens gegen den Putschversuch des 15. Julis zu unterstreichen.

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