Schottland stimmt für neues Unabhängigkeitsreferendum

AFP
EDINBURG, Schottland
Veröffentlicht 29.03.2017 00:00
Aktualisiert 29.03.2017 09:55
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Am Vorabend der offiziellen britischen Brexit-Erklärung hat das schottische Parlament den Weg für ein neues Unabhängigkeitsreferendum frei gemacht.

Die am Dienstag mit 69 gegen 59 Stimmen angenommene Vorlage ermächtigt Regierungschefin Nicola Sturgeon, bei der britischen Regierung eine zweite Volksabstimmung über die Loslösung Schottlands vom Vereinigten Königreich zu beantragen. Für ein rechtsverbindliches Referendum ist noch die Zustimmung Londons nötig, doch Premierministerin Theresa May sperrt sich bislang dagegen.

Regierungschefin Sturgeon äußerte nach der Abstimmung die Hoffnung, "dass die britische Regierung den Willen dieses Parlaments respektiert". Im Gegenzug werde sie sich in den Gesprächen mit London kompromissbereit zeigen.

Sturgeon möchte die Schotten im Herbst 2018 oder spätestens im Frühjahr 2019 erneut über die Loslösung von Großbritannien abstimmen lassen - also noch vor dem voraussichtlichen EU-Austritt Großbritanniens in zwei Jahren. Schottland, das beim Brexit-Referendum im Juni mehrheitlich gegen den EU-Ausstieg gestimmt hatte, will EU-Mitglied oder zumindest im europäischen Binnenmarkt bleiben.

Die britische Regierung will einem neuen Referendum zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmen. Erst am Montag hatte May erneut ihre Ablehnung bekräftigt. Jetzt sei "nicht der richtige Moment" für eine solche Befragung, sagte sie bei einem Treffen mit Sturgeon.

May verwies auf die anstehenden Brexit-Verhandlungen mit der EU. Dies sei der Moment, "an dem wir eher zusammenstehen sollten anstatt uns zu trennen", sagte die Regierungschefin. Nach ihren Worten wäre es "ungerecht", das schottische Volk um eine so wichtige Entscheidung zu bitten, bevor "alle Fakten bekannt sind".

Politisch wäre es für May aber trotzdem heikel, sich dem Votum des schottischen Parlaments zu widersetzen. Sturgeon hatte es als "völlig inakzeptabel" bezeichnet, sollte sich London einem "unanfechtbaren demokratischen Mandat" entgegenstellen.

Bei dem ersten Referendum 2014 hatten sich 55 Prozent der Wähler gegen die Unabhängigkeit Schottlands ausgesprochen. Sturgeon argumentiert nun, mit dem Brexit-Votum habe sich die Ausgangslage geändert: Weil die Schotten mehrheitlich für einen Verbleib in der EU seien, sei ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum angebracht.

Jüngsten Umfragen zufolge liegen Befürworter und Gegner einer Loslösung vom Vereinigten Königreich derzeit dicht beieinander. Eine Mehrheit für die Abspaltung gibt es aber nicht, das Ja-Lager kommt demnach auf 46 Prozent. Dies ist der höchste Wert seit 1999.

Neun Monate nach dem Brexit-Votum will die britische Regierung am Mittwoch offiziell den EU-Austritt erklären. Damit beginnen auf zwei Jahre angelegte Verhandlungen über die Entflechtung der Beziehungen beider Seiten.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan warnte am Dienstag vor den Konsequenzen eines harten Kurses der EU gegenüber Großbritannien in den bevorstehenden Austrittsverhandlungen. "Ein schlechter Brexit-Deal, der London schadet, würde auch der EU schaden", sagte Khan in Brüssel.

Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, bezeichnete den Brexit als schweren Fehler. "Aus unserer Sicht ist es ein historischer Fehler, diese ganze Übung zu machen", sagte der CSU-Europapolitiker. Vor allem der Status der im Vereinigten Königreich lebenden EU-Bürger müsse "sofort geklärt werden". Für Großbritannien werde der Austritt letztlich "sehr teuer" werden.

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