Österreich verlangt Aufklärung über angebliche BND-Bespitzelung

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WIEN
Veröffentlicht 17.06.2018 00:00
Aktualisiert 18.06.2018 14:15
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Nach Medienberichten über ein angebliches Spionagesystem des deutschen Geheimdienstes BND in Österreich dringt Bundeskanzler Sebastian Kurz in Berlin auf Aufklärung. "Unser Wunsch ist natürlich zu erfahren, wer hier überwacht wurde, wann die Überwachung beendet wurde", sagte Kurz am Samstag in Wien. "Unter befreundeten Staaten darf es so etwas nicht geben". Der BND soll laut den Berichten über Jahre Behörden, Firmen und internationale Organisationen in Österreich bespitzelt haben. Die Bundesregierung erklärte, sie nehme zur Arbeit des BND grundsätzlich nur in zuständigen Bundestagsgremien Stellung. Der Zeitpunkt der Vorwürfe ist heikel, weil Kanzlerin Angela Merkel in der Asylpolitik auch mit Österreich den Schulterschluss sucht.

Die Zeitung "Der Standard" und das Wochenmagazin "Profil" berichteten, der BND habe systematisch die Telekommunikation von österreichischen Ministerien, Unternehmen und Banken ausgespäht. Auch Organisationen wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), das Ölkartell Opec sowie die Botschaften der USA und des Irans hätten auf einer Liste von insgesamt rund 2000 Zielen gestanden. Die Medien beriefen sich auf geheime BND-Akten, die ihnen von einer deutschen Quelle zugespielt worden sein soll. Neben Terrorverdächtigen und Waffenhändlern soll der BND auch Professoren überwacht haben. Die Bespitzelung soll von 1999 bis 2006 gedauert haben.

"Wir haben derzeit keine Indizien dafür, dass die Überwachung danach fortgesetzt wurde", sagte Kurz auf einer Pressekonferenz mit Präsident Alexander Van der Bellen. Österreich sei zuversichtlich, dass Deutschland zur Aufklärung bereit sei. Zwar wurden bereits vor Jahren Vorwürfe erhoben, der BND habe US-Geheimdiensten geholfen, europäische Regierungsvertreter und Firmen auszuspähen. Kurz erklärte nun aber, das Ausmaß der mutmaßlichen Aktionen sei neu. Der Konservative regiert in einer Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ und vertritt in der Flüchtlingspolitik einen vergleichsweise harten Kurs. Damit liegt er in Deutschland näher an der CSU als an der CDU, die heftig über die Asylpolitik streiten.

Regierung: Wirtschaftsspionage gehört nicht zu BND-Aufgaben

Beim BND war keine Stellungnahme zu erhalten. Ein Sprecher der Bundesregierung erklärte, er könne den Sachverhalt an dieser Stelle weder bestätigen noch dementieren. Im Bundestag beschäftigen die Anschuldigungen bereits das Parlamentarische Kontrollgremium der Geheimdienste. "Wir prüfen, ob die Vorwürfe neu sind oder ob sie Teil der schon 2015 bekanntgewordenen Vorwürfe sind", sagte der Vorsitzende des Gremiums, Armin Schuster (CDU), den Zeitungen der Funke-Gruppe.

Der Regierungssprecher sagte, dass Wirtschaftsspionage nicht zu den Aufgaben des BND gehöre oder gehört habe. Im "Standard" wurden als Ziele "fast alle großen österreichischen Unternehmen und Banken" genannt - darunter der Stahlkonzern Voestalpine und die Bank Austria.

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