Diesel-Fahrverbote: EuGH prüft Zwangshaft für Politiker

AFP
FRANKFURT/MAIN
Veröffentlicht 02.09.2019 12:53
Reuters

Der Streit um Diesel-Fahrverbote wird schon lange erbittert vor deutschen Gerichten ausgetragen - jetzt erreicht die Auseinandersetzung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen neuen Höhepunkt: Die Luxemburger Richter verhandeln am Dienstag darüber, ob gegen Politiker auch Zwangshaft angeordnet werden kann.

Konkret geht es darum, ob die bayerische Landesregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit drastischen Mitteln zur Durchsetzung eines Gerichtsurteils zum Luftreinhalteplan in München gezwungen werden kann.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte dem EuGH im November vergangenen Jahres die brisante Frage vorgelegt, "ob die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) beantragte Anordnung einer Zwangshaft gegenüber staatlichen Amtsträgern zur Durchsetzung einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung unionsrechtlich möglich beziehungsweise geboten ist".

Hintergrund ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts München, wonach Diesel-Fahrverbote in den Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt aufgenommen werden sollen. Weil diese Vorgabe nicht umgesetzt wurde, verhängte das Gericht bereits Zwangsgelder gegen den Freistaat. Weil das aber nichts nutzte, beantragte die DUH schließlich die Anordnung von Zwangshaft gegen die Verantwortlichen.

Der Antrag landete vor dem VGH München, der das Verfahren aussetzte und den EuGH in Luxemburg anrief. Die Verwaltungsrichter ließen in ihrem Vorlagebeschluss jedoch keinen Zweifel daran, was sie grundsätzlich vom Verhalten der Landesregierung halten: "Die vorliegend zu verzeichnende gezielte Missachtung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen durch die vollziehende Gewalt kann nicht hingenommen werden."

Dass sie den EuGH anriefen, begründeten die Verwaltungsrichter damit, dass das deutsche Recht die gerichtliche Verhängung von Zwangshaft gegenüber Amtsträgern nicht vorsehe. Ausdrücklich verweisen sie zudem auf ein EuGH-Urteil, wonach die Gerichte der EU-Staaten verpflichtet seien, gegenüber der nationalen Behörde "jede erforderliche Maßnahme zu erlassen", um die Einhaltung der europäischen Luftreinhalterichtlinie sicherzustellen. Ob dies auch die Anordnung von Zwangshaft umfasse, wenn Zwangsgelder zuvor fruchtlos gewesen seien und auch künftig keinen Erfolg versprächen, sei unklar.

Für DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch geht es in Luxemburg um mehr als nur die Frage, ob es zu Diesel-Fahrverboten in München kommt: "Diese Entscheidung ist für den Fortbestand des Rechtsstaats von elementarer Bedeutung", sagte Resch der Nachrichtenagentur AFP.

Dass tatsächlich Ministerpräsident Söder oder Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) in Haft kommen, erwartet Resch allerdings nicht: "Es wird kein Politiker in Deutschland ins Gefängnis kommen." Wer mit Haft bedroht sei, "hat den Schlüssel für seine Handschellen ja in der Hosentasche". Er müsse nur die Regelung unterschreiben, zu der er gerichtlich gezwungen sei.

Eine grundsätzliche Bedeutung misst dem EuGH-Verfahren auch der Rechtsprofessor Philipp Reimer von der Universität Bonn bei. "Meines Wissens gibt es dazu in Deutschland keinen Präzedenzfall", sagte Reimer AFP. Auch auf die möglichen weitreichenden Folgen weist er hin: An einem Urteil der EuGH würden sich alle deutschen Verwaltungsgerichte orientieren.

Die bayerische Landesregierung zeigt sich dennoch vor der mündlichen Verhandlung in Luxemburg gelassen. Ein Sprecher des Umweltministerium verweist dazu auf das deutsche Recht: Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, dass das nationale Recht die gerichtliche Verhängung von Zwangshaft gegenüber Amtsträgern nicht vorsehe. "Die Entscheidung des EuGH in dieser Frage bleibt abzuwarten", erklärt der Sprecher.

Tatsächlich dürfte auf die Antwort der Luxemburger Richter nicht nur die bayerische Landesregierung mit Spannung warten, vielmehr könnte die Entscheidung bundesweit wegweisend für die seit Jahren andauernden juristischen Auseinandersetzungen um Diesel-Fahrverbote sein. Allerdings müssen sich alle Beteiligten zuvor noch ein wenig in Geduld üben: Nach der mündlichen Verhandlung am Dienstag wird das Urteil des Gerichtshofs erst in einigen Wochen erwartet.

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