Schwergewichtboxer Wladimir Klitschko geht und verzichtet auf Millionen

DPA
HAMBURG
Veröffentlicht 03.08.2017 00:00
Aktualisiert 03.08.2017 16:20
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96 Tage hat Wladimir Klitschko mit sich gekämpft, dann hörte er auf sein Bauchgefühl: Schluss, aus, vorbei! Einer der größten Schwergewichtboxer klettert für immer aus dem Ring.

«Ich habe mir nach meinem letzten Kampf gegen Anthony Joshua bewusst genügend Zeit zur Entscheidungsfindung genommen. Ich habe als Amateur und Profi alles erreicht und kann jetzt gesund und zufrieden die spannende Karriere nach der Karriere angehen», teilte der 41 Jahre alte Ausnahmeathlet mit. Beifall erhielt er dafür von seinem älteren Bruder Vitali Klitschko, Ex-Weltmeister und jetziger Bürgermeister von Kiew: «Wolodja hat eine Entscheidung getroffen. Er schlägt eine Seite um und schreibt eine neue Geschichte.»

, erstmals im Oktober 2000. Zwischenzeitlich beherrschte er gleich drei der großen Weltverbände (WBO, IBF, WBA). Neuneinhalb Jahre von April 2006 bis November 2015 war Dr. Steelhammer, wie sein Kampfname lautete, ununterbrochen der Regent in der Königsklasse des Boxens. Zwischendurch verlor er den Titel gegen den Südafrikaner Corrie Sanders und den Briten Tyson Fury. Klitschkos Zahlen: 69 Kämpfe, 64 Siege, 54 davon vorzeitig, 29 WM-Kämpfe. Manager Bernd Bönte: «Eine einzigartige Weltkarriere.»

Mit größtem Respekt reagierte Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB): «In seiner Zeit war Wladimir für mich der Größte des Schwergewichts. Er gehört in eine Reihe mit Ali, Tyson, Holyfield und Lewis. Schade, dass er geht.»

Seit Monaten wartete die Öffentlichkeit nach der Niederlage gegen den Briten Joshua am 29. April auf ein positives Signal Klitschkos für einen Rückkampf. Weil das hochklassige Duell als einer der besten Schwergewichtskämpfe überhaupt in die Box-Annalen eingegangen war, lechzten Fans und Beobachter der Szene nach einem Rematch.

Der ersehnte Rückkampf war voreilig für den 11. November in der 20 000 Zuschauer fassenden T-Mobile-Arena von Las Vegas angesetzt worden, ohne dass Klitschko grünes Licht gegeben hatte. Joshua flehte geradezu, der Ukrainer möge sich den gewaltigen Geldsegen nicht entgehen lassen. Mindestens 20 Millionen Euro wären für jeden Boxer drin gewesen. Doch Klitschko pfeift auf die Millionen.

Der vorwiegend in Los Angels, aber auch in Hamburg und seiner Heimatstadt Kiew lebende 1,98-Meter-Mann hat eine klare Prämisse: Lebenswerk und Reputation gehen vor Geld. «Hut ab», sagt Pütz, «wer lässt schon so viel Geld auf der Straße liegen! Aus kaufmännischer Sicht hätte er den Kampf machen müssen. Ich hätte ihn gemacht.»

Als Multimillionär ist Geld nicht mehr das Treibmittel für den Weltbürger Klitschko. «Wenn die Motivation nicht mehr da ist, und er nicht mehr brennt für die Sache, dann ist Wladimirs Entscheidung folgerichtig», erklärt Bönte. «Wladimir hat sich gefragt: Will ich mich nochmals zehn Wochen im Training quälen?»

Klitschko dominierte das Schwergewicht auch deshalb, weil es in seiner Regentschaft nicht so top besetzt war wie in den Jahren zuvor. «Er ist niemandem aus der Weltrangliste aus dem Weg gegangen, hat alle geboxt und alle dominiert. Es war kein Besserer da», beteuert Pütz. Mitunter hat Klitschko aber auch pure Langweile abgeliefert, die hauptsächlich aus Klammern und Schieben bestand und mit Pfiffen honoriert wurde. Es gab eine Zeit, da hatte das US-Fernsehen kein Interesse mehr an Kämpfen des promovierten Sportwissenschaftlers.

In Deutschland waren die Auftritte des Olympiasiegers von 1996 immer Straßenfeger. Elf Jahre hielt die Partnerschaft mit dem TV-Sender RTL. Top-Quote waren die 16 Millionen Zuschauer gegen Großmaul David Haye 2011 in Hamburg. Achtmal hat Klitschko Stadien gefüllt, viermal kämpfte er im Sporttempel Madison-Square-Garden in New York.

Nun will sich Klitschko, der mit der US-Schauspielerin Hayden Panettiere verlobt ist und mit ihr eine fast dreijährige Tochter hat, in das weniger martialische Berufsleben stürzen: als Vortragsreisender in Sachen Motivation, als Berater und PR-Mann für Firmen beim digitalen Wandel. Und auch der HSV will ihn: «Im Volksparkstadion bist du jederzeit wieder willkommen!», twitterte der Verein.

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