Yıldırım: „Vollständige Kontrolle“ über die Türkei nach misslungenem Putschversuch

DAILY SABAH MIT AGENTUREN
ISTANBUL
Veröffentlicht 16.07.2016 00:00
Aktualisiert 17.07.2016 20:41
reuters

Nach dem misslungenem Putschversuch in der Türkei hat die Regierung nach eigenen Angaben wieder die volle Macht im Land übernommen. Die Lage sei „vollständig unter Kontrolle", sagte Ministerpräsident Binali Yıldırım am Samstag.

Bei schweren Gefechten wurden in der Nacht mehr als 260 Menschen getötet. 2839 mutmaßliche Putschisten, die zugleich Armeemitglieder sind, wurden festgenommen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan forderte die Bevölkerung auf, wachsam zu bleiben.

Eine Gruppe der Putschisten hatte am Freitagabend verkündet, die Macht in der Türkei übernommen zu haben. Sie riefen das Kriegsrecht aus und verhängten eine Ausgangssperre.

In Ankara und Istanbul kam es zu schweren Gefechten. Dabei sind laut Yıldırım 161 Zivilisten und Sicherheitskräfte als Märtyrer gestorben. Nach Angaben des Militärs wurden außerdem 104 Putschisten getötet.

Mehr als 1440 Menschen wurden verletzt, wie Yıldırım in Ankara mitteilte. Er bezeichnete den Putschversuch als einen „Schandfleck für die türkische Demokratie". Der amtierende Armeechef Ümit Dündar drohte den Gegnern der Regierung in den Streitkräften mit harter Vergeltung. Dündar war von der Regierung als kommissarischer Generalstabschef eingesetzt worden, nachdem Putschisten Armeechef Hulusi Akar vorübergehend in ihre Gewalt gebracht hatten.

Erdoğan machte die Anhänger des terroristischen Predigers Fethullah Gülen für den Umsturzversuch verantwortlich und drohte, sie würden „einen hohen Preis für diesen Verrat zahlen".

Der Staatspräsident forderte die Bevölkerung auf, auf der Straße zu bleiben. Es müsse mit einem „Wiederaufflammen" des Aufstands gerechnet werden, warnte er auf 'Twitter'. In der Nacht zum Samstag hatten in den größeren Städten des Landes tausende Menschen gegen den Putschversuch protestiert.

An einer der beiden teilweise gesperrten Bosporus-Brücken in Istanbul eröffneten Putschisten-Soldaten in der Nacht das Feuer auf demonstrierende Regierungsanhänger. Es gab dutzende Verletzte. Auch auf dem Taksim-Platz schossen Putschisten-Soldaten auf Gegner des Putschversuchs, hier gab es ebenfalls Verletzte.

Im Zentrum von Ankara waren heftige Explosionen und Schüsse zu hören, während Kampfflugzeuge und Militärhelikopter über der Stadt kreisten. Medienberichten zufolge wurde das Parlament aus der Luft angegriffen. Ministerpräsident Yıldırım wies die regierungstreuen Streitkräfte an, die Flugzeuge und Hubschrauber in den Händen der Putschisten abzuschießen.

Am Morgen waren weiterhin vereinzelte Feuergefechte in Ankara und Istanbul zu hören. Regierungstreue Kampfjets schossen ein von Putschisten gekapertes Kampfflugzeug ab. Am Samstagmorgen griffen Kampfjets Panzer der Putschisten an, die am Präsidentenpalast in Ankara aufgefahren waren.

Erdoğan hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Istanbul auf. Er hatte seinen Urlaub am Mittelmeer abgebrochen und flog zum Atatürk-Flughafen in der Bosporus-Metropole, wo er von jubelnden Anhängern empfangen wurde. Kurz nach seiner Abreise wurde sein Hotel in Marmaris bombardiert.


International wurde der Putschversuch scharf verurteilt

US-Präsident Barack Obama stellte sich hinter Erdogan und forderte ein Ende des Blutvergießens. Auch die Bundesregierung und die EU sicherten der Regierung in Ankara ihre Unterstützung zu.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich besorgt. Der Konflikt in der Türkei stelle ein Risiko für die „internationale und regionale Stabilität dar", erklärte er.

Die EU verlangte eine „schnelle Rückkehr" zur verfassungsmäßigen Ordnung, wie es am Rande des Asien-Europa-Gipfels in Ulan Bator in einer gemeinsamen Erklärung von EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini hieß. „Die Türkei ist ein wichtiger Partner der EU."

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief zu Zurückhaltung und Respekt vor den demokratischen Institutionen und der türkischen Verfassung auf.

Die Indonesischen und malaysischen Abgeordneten brachten ihre Unterstützung für die Demokratie in der Türkei Militärputsch zum Ausdruck.

Das indonesische Außenministerium äußerte sich am Samstag besorgt über die Situation in der Türkei, aber zeigte auch die Hoffnung, dass die Grundsätze der Demokratie aufrechterhalten werden. „Indonesien betont die Wichtigkeit der Achtung der Verfassung und das Prinzip der Demokratisierung", hieß es in einer Erklärung.

Unterdessen erklärte der malaysische Premierminister Najib Razak: „Wir beobachten getreu die Situation in der Türkei" in einem Beitrag auf seinem Twitter-Account.

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