Futter und freie Behandlung für Streuner am Bosporus

DAILY SABAH MIT AFP
ISTANBUL
Veröffentlicht 01.03.2019 13:29
Aktualisiert 01.03.2019 13:33
AA - Eine Straßenkatze wärmt sich in einer Moschee im Stadtteil Üsküdar - drumherum Männer beim täglichen Gebet.

Sie liegen quer über den Bürgersteig, sonnen sich in aller Ruhe auf den Plätzen und besetzen die besten Plätze in den Cafés: In kaum einer anderen Stadt sind herrenlose Hunde und Katzen so allgegenwärtig wie in Istanbul. Viele Einwohner pflegen ein inniges Verhältnis zu ihren vierbeinigen Nachbarn und umsorgen und füttern die Streuner liebevoll, so dass sie meist gut genährt sind. Und wenn die Tiere mal krank werden, eine Impfung brauchen oder gegen Flöhe behandelt werden müssen, können sie auf den städtischen Veterinärdienst zählen.

"Wenn wir sehen, dass es Tieren nicht gut geht, wenden wir uns oft an die Stadtverwaltung", erklärt die Unimitarbeiterin Mevlüde, während sie mit einer schwarzen Straßenkatze im Vetbus wartet, einer mobilen Tierartzpraxis der Stadtverwaltung. Als sie das Tier auf dem Campus mit einem entzündeten Auge fand, war sie beunruhigt. Doch eine Untersuchung gibt Entwarnung und Mevlüde kann den Streuner zurück auf die Straße entlassen.

"Meist bringen die Leute uns Tiere, um die sie sich auf der Straße kümmern, damit wir ihnen Antiparasitenmittel verabreichen", erklärt die Tierärztin Nihan Dinçer. Die Veterinäre impfen und kastrieren die Tiere auch, bevor sie sie mit einem Chip versehen dorthin zurückbringen, wo sie aufgesammelt wurden. In den Wäldern am Rande der Bosporus-Metropole verteilt die Stadtverwaltung zudem regelmäßig Futter an Streuner.

"Wenn wir sie nicht füttern, sterben sie", sagt der Tierarzt Umut Demir bei einer Runde im weitläufigen Belgrader Wald im Norden der Stadt. Als sein Transporter anhält, kommen sofort zahlreiche Hunde angerannt, die ebenso erfreut über Streicheleinheiten zu sein scheinen wie über das Futter. Eine Tonne Tiernahrung wird so täglich im Stadtgebiet verteilt. Laut den Tierärzten sorgt die gute Versorgung dafür, dass die Straßentiere meist friedlich sind.

Die Liebe der Istanbuler zu ihren tierischen Mitbewohnern gehe zum Teil auf die islamische Tradition und zum Teil auf die Gliederung des öffentlichen Raums im Osmanischen Reich zurück, erklärt die Tierschutzaktivistin Mine Yıldırım vom Verein Dört Ayakli Sehir (Die Stadt auf vier Pfoten). In osmanischer Zeit hätten sich die Leute zwischen Markt, Moschee und ihrem Zuhause bewegt, während die Straße das Territorium der Hunde gewesen sei.

Anfang des 20. Jahrhunderts habe es dann mehrfach Versuche gegeben, die Straßenhunde zu verbannen, in den 90er Jahren habe die Stadt sogar Gift ausgelegt, sagt Yıldırım. Seit Verabschiedung eines Tierschutzgesetzes 2004 unter der AK-Partei-Regierung sei die Stadt aber gesetzlich verpflichtet, sich um die Straßentiere zu kümmern. "Die Stadt ist gewachsen, doch die Tiere sind Teil des öffentlichen Raums geblieben", sagt Yıldırım.

Heute kümmern sich in Istanbul rund hundert Tierärzte und Pfleger um die geschätzt 130.000 Hunde und 165.000 Katzen, die auf den Straßen und in den Wäldern leben. Mehr als 73.600 Tiere wurden im vergangenen Jahr in den sechs Tierheimen und dem mobilen Vetbus behandelt, geimpft und kastriert. Trotzdem bleibt die Zahl der Hunde und Katzen weitgehend konstant, da es den Tierärzten nicht gelingt, alle Tiere rechtzeitig zu kastrieren.

So werden weiterhin Welpen auf der Straße und in den Wäldern geboren wie der kleine goldfarbene Hund, der im Vetbus hinter einer Scheibe darauf wartet, adoptiert zu werden. Der sechs Wochen alte Welpe war von Anwohnern verlassen am Straßenrand aufgelesen und an die städtischen Tierpfleger übergeben worden. Nach einem Checkup gaben ihn die Tierärzte zur Adoption frei - doch noch hat er kein neues Zuhause gefunden. "Wir versuchen morgen erneut unser Glück", sagt die Tierärztin Dinçer.

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