ESC: Ukraine gewinnt und Deutschland ist Letzter

AFP
MÜNCHEN
Veröffentlicht 16.05.2016 00:00
Aktualisiert 17.05.2016 13:20
EPA

Mag Europa Deutschland nicht mehr? Abgeschlagen Letzter im vergangenen Jahr, abgeschlagen Letzter in diesem Jahr - das Desaster beim Eurovision Song Contest (ESC) könnte nicht größer sein. Während die Ukrainerin Jamala mit einer politischen Botschaft für ihr Land einen Triumph feiern konnte, fuhr die Deutsche Jamie-Lee Kriewitz eine neuerliche Pleite ein.

Im Green Room der ESC-Künstler gab es nach der Abstimmung in der deutschen Delegation keine Worte mehr. "Wir haben uns in den Arm genommen, was gibt es da viel zu sagen", sagte die deutsche Delegationsleiterin Carola Conze zu ihrem Umgang mit Jamie-Lee. Eine Trauergeste, um die Niederlage zu verarbeiten - auf das Warum für das enttäuschende deutsche Abschneiden hatte die Delegation dagegen keine Antwort.

"Als die Punkte kamen, waren wir ehrlicherweise verblüfft", sagte Conze. Ein bisschen unwahr sei es gewesen, wie von den Juroren nur ein Punkt aus Georgien kam und sich dazu lediglich beim Publikum noch acht Punkte aus der Schweiz und zwei aus Österreich läpperten. Jamie-Lee war damit sogar noch schlechter als Ann Sophie. Diese hatte nach dem alten Punktesystem im vergangenen Jahr zwar null Punkte bekommen - nach dem neuen System wären es bei ihr aber immerhin 29 Punkte vom Publikum gewesen.

Einen Vorwurf wollte Jamie-Lee niemand machen, inklusive sie selbst. Sie sei zwar "ein bisschen traurig", sagte die 18-Jährige. Vorzuwerfen habe sie sich nach ihrem perfekt dargebotenen Auftritt aber nichts. Der in der ARD für den ESC verantwortliche Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber suchte den Grund nun im ungewöhnlichen Outfit Jamie-Lees nach dem Stil japanischer Manga-Comics.

"International und beim Publikum in allen Altersschichten ist es offenbar eher auf Unverständnis gestoßen, dass ein Manga-Mädchen aus Deutschland antritt." Auch ARD-Kommentator Peter Urban machte das asiatische Outfit der Teutonin als Schuldigen aus: Die Menschen hätten wohl nur gedacht, "die sieht ja komisch aus".

Große Gewinnerin war die Ukrainerin Jamala mit ihrem Beitrag "1944". Das Lied ist kein fröhlich-seichter Popsong, wie er oft in diesem Wettbewerb zu hören ist, sondern eine ungewöhnlich politische Nummer. Jamala besang am Beispiel ihrer Urgroßmutter die Deportation der Krimtataren unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin. Die stimmstarke Ukrainerin spielte mit den Gefühlen - "ich wusste, dass es die Menschen berühren kann, wenn man über etwas Wahres singt", sagte sie nach ihrem Sieg.

Dass Jamala gewinnen würde, war durch das neue Reglement lange nicht absehbar. In diesem Jahr wurden zuerst die Punkte der Jurys verlesen. Dort lag die Australierin Dami Im weit vorne. Doch bei den nun erstmals getrennt benannten Punkten des Publikums schnitt die Australierin bei Weitem nicht so gut ab. Jamala wurde dagegen hinter dem beim Publikum beliebtesten Russen Sergey Lazarev erneut Zweite, im Gesamtbild reichte dies knapp für den Sieg vor Australien und Russland.

In Deutschland stellte sich die Frage, welche Lehren die ARD aus der erneuten Pleite ziehen würde. Der Sender hatte in den vergangenen Jahren immer wieder den deutschen Vorentscheid verändert.

Der schwedische ESC-Produzent Christer Björkmann hatte die deutsche Sprunghaftigkeit schon vor dem Finale in der "Süddeutschen Zeitung" kritisiert. Er erinnerte, dass Deutschland bei der Wahl der späteren Siegerin Lena Meyer-Landrut 2010 ein erfolgreiches neues Vorentscheidmodell nach schwedischem Vorbild eingeführt hatte. Er sei verblüfft gewesen, als das ohne Not wieder aufgegeben wurde. Womöglich ist auch der unklare Kurs eine Erklärung, warum Deutschland nun schon vier Jahre am Stück beim ESC weit hinten steht.

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