Island: Historiker Johannesson gewinnt Präsidentenwahl

AFP
REYKJAVIK
Veröffentlicht 26.06.2016 00:00
Aktualisiert 26.06.2016 13:08
Foto: AFP
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Aus der Präsidentschaftswahl in Island ist vorläufigen Ergebnissen zufolge der parteilose Historiker Gudni Johannesson als Sieger hervorgegangen. Wie der Fernsehsender RUV am Sonntag berichtete, lag Johannesson nach Auszählung von 53 Prozent der Stimmen mit knapp 38 Prozent in Führung. Die politische Klasse Islands war in den vergangenen Monaten von den Enthüllungen der "Panama Papers" über Briefkastenfirmen in Steueroasen erschüttert worden.

Auf den zweiten Platz kam laut dem Sender RUV die ebenfalls parteilose Geschäftsfrau Halla Tomasdottir mit knapp 30 Prozent. Johannesson, der am Sonntag 48 Jahre alt wurde und vor der Wahl bereits als Favorit galt, hatte sich in der Nacht vor Anhängern in Reykjavik zum Nachfolger des scheidenden Präsidenten Olafur Ragnar Grimsson erklärt. Das starke Ergebnis für den Politikneuling zeigt die Frustration weiter Teile der isländischen Bevölkerung mit der politischen Elite.

Der Wahlkampf für die Präsidentenwahl stand unter dem Eindruck der "Panama Papers". Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson war nach den Enthüllungen im April zurückgetreten. Das weltweite Journalisten-Netzwerk ICIJ hatte einen umfangreichen Datensatz über Briefkastenfirmen ausgewertet, die über die in Panama-Stadt ansässige Finanzkanzlei Mossack Fonseca laufen.

Der isländische Regierungschef geriet unter Druck, nachdem sein Name im Zusammenhang mit einer Briefkastenfirma auf den britischen Jungferninseln aufgetaucht war. Auch Grimsson war in Bedrängnis, da seine Frau Verbindungen zu Offshore-Firmen sowie Konten auf den Britischen Jungferninseln hatte. Der 73-Jährige stellte sich nach 20 Jahren im Amt nun nicht mehr zur Wahl.

Der isländische Präsident hat weitgehend repräsentative Funktionen, er gilt als Garant der Verfassung und der Einheit des Inselstaats. Johannesson lehnt wie die Mehrheit der Isländer einen EU-Beitritt ab. Die isländische Mitte-Rechts-Regierung hatte im vergangenen Jahr die von der linken Vorgängerregierung 2009 eingereichte Bewerbung um eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union zurückgezogen.

Im Herbst wählt Island ein neues Parlament. Umfragen zufolge wollen derzeit die meisten Isländer die Piratenpartei wählen. Die Präsidentenwahl am Samstag wurde teilweise in den Schatten gestellt von der Euphorie der Isländer über ihre Fußball-Nationalmannschaft, die am Montag im Achtelfinale der Fußball-EM in Frankreich gegen England antritt.

Johannesson hat sich im Wahlkampf unter anderem dafür ausgesprochen, die Verfassung zu verbessern oder sie durch eine neue zu ersetzen. Die derzeitige Verfassung wurde 1944 nach der Unabhängigkeit Islands von Dänemark verabschiedet. Eine Reform wurde seit langem allgemein als notwendig erachtet, aber immer wieder aufgeschoben, bis 2008 die Finanzkrise den Inselstaat mit seinen knapp 320.000 Einwohnern an den Rand des Bankrotts brachte.

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