Studie: Zweiter HIV-Patient nach Stammzellen-Transplantation virenfrei

AFP
PARIS
Veröffentlicht 05.03.2019 00:00
Aktualisiert 05.03.2019 13:47
Reuters

Bedeutender Fortschritt im Kampf gegen Aids: Zum zweiten Mal weltweit ist ein HIV-Patient nach einer Stammzellen-Transplantation virenfrei und wahrscheinlich geheilt.

Wie Wissenschaftler am Dienstag in der Fachzeitschrift "Nature" berichteten, waren dem an Blutkrebs erkrankten Mann Stammzellen eines Knochenmark-Spenders mit einer seltenen genetischen Veränderung transplantiert worden. Der "Londoner Patient" zeige nun seit fast 19 Monaten keine Symptome einer HIV-Infektion.

Die bisher einzige dokumentierte "Heilung" eines HIV-Patienten war der Fall des US-Bürgers Timothy Brown vor rund zehn Jahren. Die Heilung setzte bei dem als "Berliner Patient" bekannt gewordenen Brown ein, nachdem ihm Spender-Knochenmark transplantiert worden war. Sowohl bei dem "Berliner Patienten" als auch bei dem "Londoner Patienten" wiesen die gespendeten Stammzellen eine seltene genetische Veränderung auf, die verhindert, dass das HI-Virus eine Immunzelle infizieren kann. Durch die Genmutation ist der von den meisten HI-Viren genutzte Rezeptor auf der Oberfläche der Zelle fehlerhaft.

"Wir haben gezeigt, dass der 'Berliner Patient' keine Anomalie war", erklärte Ravindra Gupta, Professor an der Universität von Cambridge und Leiter der Studie. Gupta und sein Team betonen jedoch, dass eine Stammzellentransplantation - eine gefährliche und schmerzvolle Prozedur - keine brauchbare Option zur Behandlung von Aids darstellt. Der zweite Fall einer sogenannten Remission, bei der keinerlei Symptome der Infektion festzustellen sind, werde den Wissenschaftlern aber dabei helfen, die Zahl der Behandlungsstrategien zu einzugrenzen.

Weltweit werden Millionen HIV-Patienten mit einer antiretroviralen Therapie (ART) behandelt, die sie jedoch nicht von dem Aids-Virus befreit. Die lebenslange Einnahme von Medikamenten, die das Virus in Schach halten, ist derzeit die einzige Möglichkeit, HIV zu behandeln. Dies sei vor allem in Entwicklungsländern eine besondere Herausforderung, wo Millionen Menschen keinen Zugang zu angemessener Behandlung hätten, erklärte Gupta.

Knapp 37 Millionen Menschen weltweit sind mit dem HI-Virus infiziert, doch nur 59 Prozent von ihnen erhalten eine antiretrovirale Therapie. Jedes Jahr sterben etwa eine Million HIV-Patienten an Erkrankungen, die mit dem Virus in Zusammenhang stehen. Ein neuer, gegen Medikamente resistenter HI-Virus bereitet Experten zunehmend Sorge.

Bei dem "Londoner Patienten" war 2003 Aids diagnostiziert worden. Seit 2012 erhielt er eine antiretrovirale Therapie, im selben Jahr wurde bei ihm Lymphdrüsenkrebs, das sogenannte Hodgin-Lymphom, festgestellt, für dessen Therapie die Ärzte Knochenmark 2016 transplantierten. Der ausgewählte Spender der Stammzellen trug eine genetische Veränderung, die ihn resistent gegen eine HIV-Infektion machte und die sich mit den Stammzellen auf den Empfänger übertrug.

Nach der Transplantation behandelten die Ärzte den "Londoner Patienten" 16 weitere Monate mit einer antiretroviralen Therapie gegen HIV. Dann wurde die Therapie abgesetzt, mittlerweile sind weitere 18 Monate vergangen, in denen er keine Symptome der HIV-Infektion zeigt.

"Dies ist ein ermutigendes Zeichen, aber kein Beweis für Heilung", erklärte Hans-Georg Kräusslich, Direktor der Abteilung Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Ein Baby in den USA habe insgesamt 27 Monate nach der Therapie keine nachweisbare Virusmenge gehabt, danach sei das Virus aber wieder aufgetreten.

Gero Hüter, der im Jahr 2008 den "Berliner Patienten" Brown an der Berliner Charité behandelte, verweist darauf, dass einige Patienten, die in der Zwischenzeit die gleiche Behandlung erhalten hatten, früh an Komplikationen oder Rückfällen ihrer Krebserkrankungen gestorben seien.

Die beiden deutschen Wissenschaftler betonen, dass die Stammzellen-Transplantation auch zukünftig keine Option für die Heilung der HIV-Infektion sei, wenn die Transplantation nicht durch andere Erkrankungen des blutbildenden Systems erforderlich sei. Es handele sich um einen "massiven Eingriff" mit "signifikantem Risiko, der angesichts einer in der Regel gut verträglichen und langfristig wirksamen antiviralen Therapie nicht vertretbar wäre", erklärte Kräusslich.

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