Was passiert falls Washington ablehnt Fethullah Gülen auszuliefern?

Veröffentlicht 27.10.2016 00:00
Aktualisiert 27.10.2016 14:06

Die Amerikaner müssen verinnerlichen, dass die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei einen ernsthaften Schlag erhalten wird, wenn Gülen nicht ausgeliefert wird.

Nach dem gescheiterten Putsch fragten sich viele Türken, ob die Vereinten Staaten eine Rolle in dem neuesten Angriff auf die türkische Demokratie hatten. Obwohl es nur als eine weitere Verschwörungstheorie abgetan wurde, basiert die Behauptung doch auf festen Tatsachen: Washington scheiterte eine öffentliche Stellung zur gewählten Regierung zu zeigen, bis die Situation wieder unter Kontrolle gebracht wurde. Manche der Jets, die von den Putsch-Soldaten genutzt wurden, starteten aus Incirlik, wo auch US-Truppen stationiert sind. Schließlich half es nicht gerade, dass der CENTCOM-Kommandeur Gen. Joseph Votel die Coup-Planer als „die engsten Verbündeten des US-Militärs im türkischen Militär" bezeichnete.

Obwohl der US-Vizepräsident Joe Biden in die Türkei reiste, um die Obama-Regierung vom gescheiterten Staatsstreich zu distanzieren, trug sein Auftreten nicht wirklich dazu bei – vor allem, weil Fethullah Gülen, der Kopf hinter dem gescheiterten Putsch, weiterhin im ländlichen Pennsylvania ausharrt. Zur selben Zeit fügte die offensichtliche Zurückhaltung Washingtons sich an den Auslieferungsvertag mit der Türkei zu halten weitere Spannungen hinzu. Zu diesem Zeitpunkt hängt das Verhältnis zwischen der US-Regierung und den Putschisten in den Augen der türkischen Öffentlichkeit ausschließlich von der Auslieferung Gülens ab. Jedes weitere Hindernis zur Gülen-Auslieferung, bestätigt den Eindruck der Türken nur noch mehr: Die USA sind nicht unschuldig am Putschversuch. „Wenn sie ihn nicht zurückschicken, heißt das, dass sie einen weiteren gemeinsamen Angriff planen", denken sich die Menschen in den Cafés. „Die USA ist gegenüber der Türkei feindlich gesinnt."

Die Amerikaner wiederum betonen, dass ein Bundesgericht über den Auslieferungsantrag der Türkei entscheiden muss. In den vergangenen Monaten haben die türkischen und US-Behörden an den Formalitäten gearbeitet. Als Reaktion auf die US-Beweisanträge stellte die Türkei mehrere Dokumente zur Verfügung, die Gülens Verbindungen zum den Putsch-Organisationen bestätigen. Aus Angst, dass der Kopf des Putschversuchs, Gülen, in ein anderes Land auswandern könnte, mit dem die Türkei kein Auslieferungsabkommen abgeschlossen hatte, baten die Türken die USA Gülen festzunehmen, wobei sie die Verpflichtungen Washingtons gegenüber des Abkommens zitierten. Doch lehnte Washington ab.

Schließlich reiste Justizminister Bekir Bozdağ nach Washington, um sich mit Amtskollegin Loretta Lynch zu treffe. Dabei legte er neue Beweise für Gülens Mitschuld vor und forderte erneut die Auslieferung der Verdächtigen an die Türkei.

Kurz nach dem gescheiterten Putschversuch waren die türkischen Beamten optimistisch über die Zusammenarbeit mit der US-Regierung. „Es gibt positive Anzeichen dafür, dass Gülen zurückgeschickt wird", sagte mir ein hoher Beamter im Juli. Aber es scheint, dass sich die Stimmung schnell verändert hat. In den letzten Wochen waren die Türken den Vereinigten Staaten gegenüber offen kritisch entgegengetreten. „Die Idee, dass Gülen nicht ausgeliefert wird, wird mit jeden Tag stärker", sagte Bozdağ einer Gruppe von Reportern in diesem Monat. „Der Prozess wird in die Länge gezogen."

Was würde die Türkei tun, falls sich die Amerikaner bei einem Auslieferungsprozess Zeit lassen würden und die Verpflichtungen des Abkommens ignoriert würden?

Die Türken erwarten von den US-Behörden so zu denken: Was wäre wenn Osama bin Laden den 11. September aus der Türkei organisiert hätte? Wie hätten sie reagiert, wenn die Türkei gesagt hätte, sie müssen auf eine gerichtliche Verfügung warten?

Parallelen zwischen dem Fall Gülen und Bin Laden zu ziehen scheint vielleicht übertrieben, aber es ist ein hilfreiches Werkzeug, um zu verstehen, was vor uns liegt. Dennoch bleibt die Reaktion der türkischen Öffentlichkeit unberechenbar. Zumindest müssen sich die Amerikaner mit der Tatsache vertraut machen, dass Washingtons Beziehungen zur Türkei einen ernsthaften Schlag erhalten werden, wenn sie Gülen nicht ausliefern. Um es noch schlimmer zu machen, würden nicht nur die Türken, sondern auch Gülen selbst, die Verweigerung Washingtons als stillschweigende Unterstützung verstehen – was bedeuten würde, dass er zukünftige Angriffe aus seinem Haus planen und durchführen könnte. So oder so wird Fethullah Gülens Präsenz zu weiteren Spannungen zwischen der Türkei und den Vereinigten Staaten führen.

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