Die Rechte Gefahr: "Reichsbürger" und Extremisten

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BERLIN
Veröffentlicht 26.01.2017 00:00
Aktualisiert 26.01.2017 12:27
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Der Mann hat gar nicht erst versucht, seine Gesinnung zu verbergen: Die große schwarz-weiße Fahne mit schwarzem Adler prangt gut sichtbar in der Ladenwohnung des Verdächtigen in Berlin-Moabit - die Flagge Preußens wird in rechtsextremen Kreisen gerne als Symbol verwendet.

Im Schaufenster steht ein kleines hellrosa Schweinchen, Aufschrift: «Merkel muss weg.» Der Mann, den die Beamten des Spezialeinsatzkommandos am Mittwoch mitnehmen, trägt Flecktarn-Hose. Er soll zu einer rechtsextremistischen Vereinigung gehören, die seit Frühjahr 2016 bewaffnete Angriffe auf Juden, Polizisten und Asylsuchende geplant haben soll.

Der 62 Jahre alte Hauptverdächtige wird am Mittwoch knapp 500 Kilometer entfernt im baden-württembergischen Schwetzingen festgenommen. Nach dpa-Informationen ist er den Behörden als stark antisemitisch geprägt bekannt, er lebt in einem skurrilen Umfeld und soll der vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremistischen «Reichsbürger»-Bewegung nahestehen. Sicherheitskreise bestätigten Medienberichte, wonach sich der Hauptverdächtige als «keltischer Druide» bezeichnet.

Durchsuchungen gab es in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Die Sprecherin der Generalbundesanwaltschaft, Frauke Köhler, teilte in Karlsruhe mit, dabei seien diverse Waffen, viel Munition und auch Sprengstoff sichergestellt worden. Inwieweit Bezüge zu den sogenannten Reichsbürgern bestünden, werde nun ermittelt. «Eine gewisse ideologische Nähe ist zweifelsohne zu erkennen.»

Wichtige Fragen und Antworten zur Polizeiaktion:

Was sind «Reichsbürger»?

«Reichsbürger» wurden lange als Wirrköpfe und Querulanten beschrieben. In einem Info-Faltblatt des Berliner Landesamts für Verfassungsschutz von Ende 2014 heißt es, seit den 1980er Jahren existierten Kleingruppen und Einzelpersonen, «die davon ausgehen, dass das Deutsche Reich (wahlweise das Kaiserreich oder das Dritte Reich) fortbesteht». «Reichsbürger» erkennen die Bundesrepublik nicht an, das Grundgesetz, Behörden und Gerichte auch nicht.

Wie viele Anhänger der «Reichsbürger»-Ideologie gibt es?

Die Zahl der «Reichsbürger» ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, beziffert die Zahl im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur aktuell auf rund 10 000 - Tendenz steigend. 500 bis 600 von ihnen zählen die Verfassungsschützer zu den Rechtsextremisten.

Warum ist eine klare Zuordnung von Verdächtigen zu den «Reichsbürgern» schwierig?

Auch weil es keine einheitliche Ideologie gibt. «Die Bewegung ist ausgesprochen heterogen», sagt Maaßen. Nicht alle beriefen sich aufs Deutsche Reich. Im Oktober hatte Maaßen dem Deutschlandfunk gesagt, es gebe «nicht die Reichsbürger, es gibt keinen Vorsitzenden und keine Hierarchie, sondern es gibt unterschiedlichste Gruppen und Einzelpersonen, die auch unterschiedliche Motive haben». Teils seien es Rechtsextremisten, die einen anderen Staat wollten, teils Geschäftemacher, «die einfach Reisepässe des Deutschen Reichs verkaufen wollen für 100 Euro», teils Spinner und Querulanten.

Öffentliche Auftritte oder große Demonstrationen sind selten. Manche «Reichsbürger» kennen sich persönlich, andere kommunizieren vor allem über Chatgruppen oder Internetforen. Das macht die Beobachtung der «Reichsbürger» nicht gerade einfacher.

Wurde die Bewegung in der Vergangenheit unterschätzt?

Das kritisiert die gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eintretende Amadeu-Antonio-Stiftung. Der Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) weist den Vorwurf aber zurück. Seit Herbst sei die Gruppierung auf Initiative von de Maizière bundesweit im Visier der Verfassungsschützer von Bund und Ländern.

Wie gefährlich sind die «Reichsbürger» wirklich?

Auch hier lässt sich keine generelle Antwort geben. Ein Teil der Anhänger der Bewegung hat sich bewaffnet - die aktuelle Polizeiaktion dürfte ein neues Schlaglicht auf die rechtsextremistische Szene werfen, falls sich die Bezüge zu den «Reichsbürgern» bestätigen. Es gab auch schon tödliche Vorfälle: Im Oktober 2016 erschoss ein «Reichsbürger» bei Nürnberg einen Polizisten und verletzte drei weitere Beamte zum Teil schwer, als die Beamten die Waffen des Mannes beschlagnahmen wollten. Später verletzte ein «Reichsbürger» sechs Polizisten in Niedersachsen mit Pfefferspray.

Wie kam die Polizei den Verdächtigen im aktuellen Fall auf die Spur?

Die Sicherheitsbehörden beobachten einschlägige Auftritte von Rechtsextremen in sozialen Netzwerken - das dürfte auch in diesem Fall so gewesen sein. Sechs der sieben Beschuldigten haben sich nach Angaben des Generalbundesanwalts vorwiegend über soziale Medien miteinander vernetzt. Bei der Durchsuchungsaktion am Mittwoch wurden zahlreiche Computer und andere Kommunikationsmittel beschlagnahmt. Diese Beweismittel werden nun ausgewertet.

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