Fußfessel und Einschränkung der Privatsphäre für Asylanten in Deutschland

DAILY SABAH MIT DPA
Veröffentlicht 22.05.2017 00:00
Aktualisiert 22.05.2017 14:21
DPA

Abschiebehaft, Fußfessel und Handy-Durchsuchung bei Flüchtlingen: Die Regeln für Abschiebungen und der Umgang mit Asylbewerbern werden erneut verschärft. Der Bundestag beschloss dazu am späten Donnerstagabend einen umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte die erneuten Verschärfungen. Menschenrechtsorganisationen, Sozialverbände und die Opposition rügten diese dagegen heftig und sprachen von einem Angriff auf die Grundrechte von Schutzsuchenden.

Wie die Bundesregierung diese Gesetzesverschärfung mit den Menschenrechten in Einklang bringen möchte, ist fraglich. Zuvor richtete man den Zeigefinger vornehmlich in Richtung Türkei und kritisierte gerichtliche Urteile und demokratische Entscheidungen in der Türkei – natürlich oft oberflächlich und ohne Fakten-nahe Argumentation.

Die aktuellen Verschärfungen des Asylrechts wirkten Grotesk, wenn man bedenkt, dass jene Hilfsbedürftigen Asylanten um ihre Rechte fürchten müssen, während Deutschland verurteilten Putschisten und Straftätern aus der Türkei Asyl gewährt. Nicht die Menschlichkeit scheint hier im Vordergrund zu stehen, sondern eiskaltes politisches Kalkül. Grundrechte gelten nur, wenn sie gerade als Mittel dienen. Denn Zweck an sich sind sie heutzutage eher selten.

Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Asylrechtsverschärfungen auf den Weg gebracht – und Regeln, um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu erleichtern. De Maizière bezeichnete das nun beschlossene als „Schlusspunkt in dieser Legislaturperiode bei der Schärfung des Asylrechts".

Wer kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, aber nicht freiwillig ausreist und falsche Angaben über seine Identität macht, muss künftig mit Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit rechnen. Asylsuchende ohne Bleibeperspektive sollen verpflichtet werden können, bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben.

Die Höchstdauer des Abschiebegewahrsams wird von vier auf zehn Tage verlängert. Die Abschiebehaft für ausreisepflichtige „Gefährder", denen Anschläge und andere schwere Straftaten zugetraut werden, soll ausgeweitet und ihre Überwachung per Fußfessel erleichtert werden. Dies ist auch eine Reaktion auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im vergangenen Dezember. Der Attentäter Anis Amri war ein abgelehnter Asylbewerber, der als „Gefährder" eingestuft war. Der Versuch, den Tunesier in seine Heimat abzuschieben, scheiterte.

Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Asylrechtsverschärfungen auf den Weg gebracht – und Regeln, um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu erleichtern. De Maizière bezeichnete das nun Beschlossene als „Schlusspunkt in dieser Legislaturperiode bei der Schärfung des Asylrechts".

Wer kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, aber nicht freiwillig ausreist und falsche Angaben über seine Identität macht, muss künftig mit Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit rechnen. Asylsuchende ohne Bleibeperspektive sollen verpflichtet werden können, bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben.

Die Höchstdauer des Abschiebegewahrsams wird von vier auf zehn Tage verlängert. Die Abschiebehaft für ausreisepflichtige "Gefährder", denen Anschläge und andere schwere Straftaten zugetraut werden, soll ausgeweitet und ihre Überwachung per Fußfessel erleichtert werden.
Wonach entsprechende Leute als „Gefährder" gelten sollen ist nicht bekannt. Eine Generalisierung der Asylsuchenden und willkürliche Entscheidungen scheinen in naher Zukunft auf der Tagesordnung stehen zu können.

Fußfesseln werden eigentlich bisher nur in Ausnahmefällen angeordnet, und zwar wenn „die Gefahr schwerer Straftaten, insbesondere von Gewalt- und Sexualstraftaten, besteht", so das entsprechende Gesetz.

In jüngster Zeit betreffen die repressiven Entscheidungen der Regierung vor allem Migranten und Asylanten in Deutschland. Denn diese scheinen durch ihre gesellschaftliche Stellung das kleinste Sprachrohr zu besitzen. Dorthin verlagert man die eigene politische Unfähigkeit und den Unmut des Volkes. Asylanten – vor allem wenn sie muslimisch sind - gelten als die neuen Sündenböcke.

Zugriff auf Handydaten

Besonders umstritten an dem beschlossenen Gesetzespaket: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekommt die Möglichkeit, Handydaten von Asylbewerbern ohne Ausweispapiere auszuwerten, um deren Identität zu klären. Der Behörde wird auch erlaubt, sensible Daten aus Asylverfahren – etwa aus medizinischen Attesten – in besonderen Gefahrensituationen an andere Stellen weiterzugeben.

Die Änderungen stoßen auf viel Kritik. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl beklagte, das Gesetz baue Deutschland vom Aufnahmeland zum Abschiebeland um. Durch die „Massenauslesung von Handydaten" wolle die Regierung außerdem den „gläsernen Flüchtling" schaffen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem massiven Grundrechtseingriff.

Der Sozialverband „AWO" kritisierte, durch die Verschärfungen würden Schutzsuchende immer weiter entrechtet. Caritas-Präsident Peter Neher rügte, das Gesetz sei unverhältnismäßig, einseitig und stelle Flüchtlinge unter den Generalverdacht der Identitätsverschleierung. Auch die Kirchen hatten zuvor große Bedenken angemeldet.

Mit dieser Entscheidung verstößt die Bundesregierung auf elementare Grundrechte, wie Privatsphäre und ärztliche Schweigepflicht. Skandalös ist dabei die Tatsache, dass diese Verletzungen des Grundrechts nur eine bestimmte Gruppe von Menschen betreffen. Dies deuten viele als Fremdenfeindliches Signal, denn die Bundesregierung misst hier mit zweierlei Maß. Die Grundrechte der Bürger mit deutschem Pass scheinen mehr Wert zu sein, als die der Asylanten.

„Schweinereien"

Die Linke-Innenpolitikerin Ulla Jelpke bezeichnete das Gesetz als „Sammelsurium flüchtlingsfeindlicher Schweinereien", als „widerwärtig" und „skandalös". Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck beklagte, das Vorhaben sei eine Blendgranate, um von den Versäumnissen im Fall Amri abzulenken.

Abgeordnete von Union und SPD verteidigten das Gesetz. Das tat auch de Maizière. Er sagte, bei den Nicht-Schutzbedürftigen brauche es Härte und Rückführung, „insbesondere bei denen, die täuschen, tricksen und sich strafbar machen".

Der Innenminister war erst kürzlich mit seinem „10-Punkte-Katalog zur Leitkultur" ins Rampenlicht gerückt. Ummantelt von einem weltfremden Kultur-Verständnis, waren seine Punkte primär gegen die muslimische Minderheit im Land gerichtet. Geschmückt mit mittelalterlicher Kirchen-Romantik, schien er das Abendland gegen die Muslime verteidigen zu müssen. Er rückte damit zugleich ein Stück weiter in die Ecke der AfD. Bisher haben die Muslime im Land wenig Positives von de Maizière in Bezug auf sich selbst entnommen. Denn bei seinen TV-Auftritten wettert er meistens gegen Glaubenspraktiken der Muslime und pauschalisiert sie. Er ist auch Mitwirkender vieler Scheindebatten um Kopftuchträgerinnen und Moscheen.

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