Europas extreme Rechte macht die Muslime zu den neuen Sündenböcken

MEHMET ÇELIK @celik
ISTANBUL
Veröffentlicht 28.04.2017 00:00
Aktualisiert 29.04.2017 13:32
Europas extreme Rechte macht die Muslime zu den neuen Sündenböcken

Die intensivierte rechtsextreme populistische Rhetorik in der Politik, ist das neue Gespenst, das die europäischen Lliberalen und demokratischen Werte der europäischen Gesellschaft verfolgt. Die Muslime dienen dabei oft als neue Sündenböcke. Dies führt zu einer Atmosphäre der Diskriminierung auf dem europäischen Kontinent. Experten bezeichnen die Muslime dort zu Lande als die neuen Juden. Der Antisemitismus wurde ersetzt durch die Islamphobie.

Der Aufstieg der Gewalt gegen Migranten im Allgemeinen und insbesondere gegen Muslime sowie Türken, ist in den letzten Jahren sichtbarer geworden, vor allem aufgrund der Flüchtlingsströme aus Konfliktzonen im Nahen Osten und Nordafrika, die mittlerweile den Kontinent erreicht haben.

Nach einem kürzlich veröffentlichten Bericht des deutschen Innenministeriums haben zum Beispiel die von rechtsextremen Tendenzen motivierten Verbrechen im Jahr 2016 einen Rekordhoch von 23.555 Fällen erreicht, davon wurden 1.698 als gewalttätige Angriffe identifiziert. Die Nachrichtenagentur Anadolu zitierte Innenminister Thomas de Maiziere, derie zunehmende Maßstab der Gewalt würde eine beunruhigende Entwicklung darstellen. „Gewalttätige Straftaten haben sich deutlich erhöht; Dies betrifft uns alle. Wir sehen vor allem einen Anstieg der zugefügten schweren körperlichen Schäden.", sagte De Maiziere auf einer Pressekonferenz am Montag in Berlin.

Ein von „EUROPOL" erstellter Bericht mit dem Titel „European Union Terrorism Situation and Trend Report 2016", der die rechtsgerichtete Gewalt unter der Überschrift „Terrorismus" klassifiziert, zeigt folgendes auf: „Im Jahr 2015 stiegen die islamfeindlich motivierten Verbrechen gegen Moscheen und muslimische Gemeinschaften. Im Vergleich zu 2013/2014 hat sich die Zahl der Fälle beispielsweise in Polen verdoppelt und auch in Frankreich wurde ein Anstieg verzeichnet. Es gab zahlreiche Vorfälle von islamophoben Hassverbrechen mit Feuerbomben, Vandalismus an entsprechenden Einrichtungen und Drohungen."

„Anti-muslimische Rhetorik ist der neue Antisemitismus"

Farid Hafez, ein Forscher am Institut für Soziologie und Politikwissenschaften an der Universität Salzburg, sagte, dass die Motive der heutigen anti-muslimischen Tendenzen nicht anders seien als die des Antisemitismus.

„Offensichtlich hat sich die Rechtsaußen-Bewegung heute dazu entschieden, sich strategisch vom Antisemitismus abzuwenden und sich eher der Islamophobie zuzuwenden, während sie im Grunde noch sehr antisemitisch ist."

Am 20. April beschädigten unbekannte Angreifer eine Moschee in der Oststadt Leipzig. Die Angreifer beschmierten die Wände mit anti-türkischen Slogans. Es war bereits der dritte Angriff in Deutschland innerhalb einer Woche, der auf die türkischen Moscheen und Organisationen zielte.
Im Jahr 2016 wurden 91 Moscheen, quer durch Deutschland, angegriffen, was auch ein weiteres Indiz für die Zunahme der anti-muslimischen Gewalt ist.

„Die allgemeinen fremdenfeindlichen Kampagnen der achtziger Jahre haben dieen Islamophobie begünstigt, wodurch er nun eine spezielle Form des Rassismus darstellt. Diese Form erscheint den Leuten vernünftig, da die Islamophobie irgendwie zu einer Art ,akzeptierten Rassismus' geworden ist und nicht nur am Rande der europäischen Gesellschaften zu finden ist, sondern auch in der Mitte, so dass Europas Rechte versucht, mit einem breiteren Wählerkreis kompatibel zu werden", sagte Hafez in einem Artikel, der mit dem Titel "From Anti-Semitisim to Islamophobia: The European Far Right's Strategic Shift," 2015 veröffentlicht wurde.

Die österreichischen Behörden haben im Jahr 2015, in etwa 1.690 Rechtsstreitigkeiten Zusammenhänge mit Rechtsextremismus ermitteln können, die bisher höchste Zahl in einem Jahr. Im Jahr 2014 lag die Zahl noch auf 1.200, laut einem Bericht des österreichischen Geheimdienstes „BVT". Darüber hinaus hat Österreichs rechtsextreme „Freiheitspartei" (FPO), um ein Gesetz gebeten, das muslimische Symbole verbieten soll. Der Islam hätte das Potenzial, die europäische Gesellschaft auslöschen zu können. Der niederländische Abgeordnete Geert Wilders und seine rechtsextreme „Freiheitspartei" haben ähnliche Aktionen gegen die muslimischen Minderheiten im Land aufgerufen.

Sophia Rose Arjana, eine Gastprofessorin für islamische Studien an der „Illiff School of Theology", und Auorin von „Muslime in der westlichen Vorstellungskraft" (2015), erklärte: „Zur Bezeichnung der Muslime als , das Neue Andere' würde ich – mit meinem akademischen Hintergrund - sagen, die Muslime sind schon seit langer Zeit ,die Anderen'. Arjana fügt hinzu, dass „anti-muslimische Rhetorik durch fiktive muslimische Charaktere ausgedrückt worden ist - ein Prozess, der seit über 1.000 Jahren andauere.

Auch Karin Creutz, Forscherin am Zentrum für Ethnische Zukunftsforschung und Nationalismus (CEREN Universität Helsinki), sagte, es gebe Ähnlichkeiten zwischen der Antisemitismus-Periode und der neuen anti-muslimischen Ära. „Wenn man sich die Rhetorik auf den sozialen Netzwerken und in der Politik der extremen Rechten anschaut, kann man schon eine gewisse Ähnlichkeit mit der antisemitischen Propaganda vor dem Holocaust entdecken".

„Der Anstieg der Anti-Islam-Politiker ist schon seit einem Jahrzehnt mit Vertretern wie Marine Le Pen und Geert Wilders aktuell. Um diese Tendenz der unterdrückenden Politik zu beenden, muss es mehr Wissen über die Gefahren der polarisierenden Rhetorik und über die wichtige Rolle der Einwanderer und des Islam in der europäischen Geschichte geben.", fügte Creutz hinzu.

„Westliche Medien ignorieren Anti-Türkei-Rhetorik"

Darüber hinaus wurden im Jahr 2016 über eine große Anzahl von gewalttätigen Angriffen gegen Moscheen, Flüchtlingszentren und Betriebe, die türkischen Staatsbürgern gehörten, in Medien berichtet. Dies war insbesondere in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich der Fall. In einem kürzlich veröffentlichten Artikel für die Nachrichtenagentur Anadolu sagte Adam McConnel, ein Schriftsteller, der türkische Geschichte an der Sabancı Universität in Istanbul lehrt, die Türken seien die neuen Opfern, jene wären in früheren Jahrhunderten als Bedrohungen angesehen worden. „Die fiebrigen Darstellungen der europäischen Medien von der Türkei haben längst an Objektivität eingebüßt. So wie die religiösen Kriege Europas die gegenseitige Gewalt nicht beendet haben, so haben die Weltkriege und der Nationalsozialismus auch nicht zum Ende ihres Rassismus oder der rassistisch angeheizten Politik geführt. Es ist auch beunruhigend zu sehen, dass die internationale Presse den Aufstieg der Rechten in Europa und die spezifischen anti-türkischen Äußerungen weitgehend ignoriert."

Die Anti-Türkei-Position ist in einigen europäischen Ländern vor allem während der Kampagne für das Verfassungsreferendum der Türkei über die Verfassungsänderungen sichtbar geworden. Deutschland, Österreich, die Schweiz und die Niederlande stornierten die von den türkischen Gemeinden organisierten Veranstaltungen für türkische Minister zur Unterstützung der Veränderungen. Die Deportation ders türkischen Ministeriniums für Familien- und Sozialpolitik, Fatma Betül Sayan Kaya war ein weiterer Eklat. Mehrere rechtsextreme Politiker in ganz Europa riefen auch die Türken, die die „Ja" -Kampagne unterstützten, dazu auf Europa zu verlassen und in die Türkei zurückzukehren. Die türkischen Medien berichteten am 21. April, dass deutsch-türkische Staatsbürger in der deutschen Stadt Brühl unsignierte Briefe bekamen, die sie aufriefen, Deutschland zu verlassen.

Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen