Berichte: Kabinettsmitglieder wollen May wegen Brexit-Chaos zum Rücktritt zwingen

AFP
LONDON
Veröffentlicht 24.03.2019 00:00
Aktualisiert 24.03.2019 17:10
AFP

Im Brexit-Chaos wächst der Druck auf Premierministerin Theresa May von allen Seiten: Wie britische Medien am Sonntag berichteten, wollen mehrere Mitglieder ihres Kabinetts wegen des festgefahrenen Streits über den Brexit-Kurs einen Rücktritt der Regierungschefin erzwingen.

Als mögliche Nachfolger wurden Vize-Premierminister David Lidington und Umweltminister Michael Gove genannt. In London demonstrierten am Samstag zudem hunderttausende Briten gegen den EU-Ausstieg ihres Landes und für ein zweites Brexit-Referendum.

Die Zeitung "Sunday Times" berichtete, May sei "einem ausgewachsenen Kabinettscoup ausgeliefert". Elf Minister hätten "bestätigt, dass sie wollen, dass die Premierministerin Platz für jemand anderes macht". May solle am Montag in der Kabinettssitzung mit den Rücktrittsforderungen konfrontiert werden. Als Interims-Regierungschef soll demnach Mays Stellvertreter Lidington eingesetzt werden.

Die Zeitung "Mail on Sunday" berichtete, May könne "binnen Tagen" abgelöst werden. Als Interims-Nachfolger wird allerdings Umweltminister Gove genannt, ein prominenter Brexit-Befürworter.

In dem Chaos hoffen die Brexit-Gegner darauf, den EU-Austritt Großbritanniens doch noch verhindern zu können. In London versammelten sich am Samstag hunderttausende Demonstranten am Hyde Park und zogen in einem riesigen Protestzug durchs Regierungsviertel in Westminster zum Parlament. Die Veranstalter der Kampagne "People's Vote" (Volksabstimmung) schätzten die Zahl der Teilnehmer auf rund eine Million.

"Ich liebe die EU", "Macht Artikel 50 rückgängig" und "Wir fordern eine Volksabstimmung" stand auf den Plakaten der Demonstranten, die aus dem ganzen Land in die britische Hauptstadt gekommen waren. Viele hatten EU-Flaggen dabei - teilweise sogar in Herzform. Viele Demonstranten machten Premierministerin May mit Puppen und Karikaturen für die vertrackte Situation verantwortlich.

Eine Online-Petition für ein zweites Referendum haben mittlerweile mehr als 4,9 Millionen Briten unterzeichnet.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten der britischen Regierung am Donnerstag einen Aufschub beim Brexit gewährt. Nimmt das britische Parlament das von May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen in der kommenden Woche doch noch an, wird der Brexit auf den 22. Mai verschoben. Allerdings haben die Abgeordneten das Abkommen bereits am 15. Januar und am 12. März mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Sollte das Unterhaus den Austrittsvertrag erneut ablehnen, ist der Stichtag der 12. April. Vor diesem Termin müsste Großbritannien dann "Angaben zum weiteren Vorgehen" machen. Konkret geht es um die Entscheidung, ob das Vereinigte Königreich an der Europawahl Ende Mai teilnimmt oder nicht. Bei einer Nicht-Teilnahme droht der harte Brexit ohne Abkommen - bei einer Teilnahme stünde eine weitere Verschiebung des Austrittsdatums an.

May erwägt nun allerdings, auf die geplante dritte Abstimmung im Unterhaus zu verzichten. Sie werde das Abkommen in der kommenden Woche nur dann erneut zur Abstimmung stellen, wenn sich eine "ausreichende Unterstützung" abzeichne, schrieb May am Freitag in einem Brief an die Abgeordneten.

Eine Parlamentsmehrheit für das Abkommen zeichnet sich aber weiterhin nicht ab. Bereits am Freitag hatte die nordirische DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Unterhaus angewiesen ist, durchblicken lassen, dass sie das Abkommen weiter ablehnt.

In London wird nun darüber spekuliert, dass May statt einer dritten Abstimmung über das Abkommen eine ganze Reihe von Abstimmungen im Unterhaus ansetzen könnte, um herauszufinden, ob es im Parlament eine Mehrheit für andere Szenarien gibt, etwa für den Verbleib Großbritanniens in der EU-Zollunion.

Die Brexit-Hardliner dürften gegen solche Probeabstimmungen Sturm laufen, weil sie fürchten, dass das Parlament im Brexit-Streit die Kontrolle übernimmt. Die Abstimmungen seien die "lächerlichste, kindischste und unrealistischste Idee, die ich je gesehen habe", erklärte der konservative Abgeordnete Marcus Fysh.

Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen