Österreich: Kurz durch Misstrauensvotum gestürzt

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Veröffentlicht 28.05.2019 09:05
AFP

Das österreichische Parlament hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Zusammenhang mit der Video-Affäre gestürzt.

Die Abgeordneten sprachen dem konservativen Regierungschef und seiner Übergangsregierung am Montag in einer turbulenten Sondersitzung des Nationalrates mehrheitlich das Misstrauen aus. Nach der Verkündung des Abstimmungsergebnisses verließ die Regierungsmannschaft geschlossen das Plenum.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen will die Minister am Dienstagvormittag von ihren Ämtern entheben, kündigte das Staatsoberhaupt am Abend an. Spätestens in einer Woche soll eine neue Übergangsregierung stehen. Bis dahin solle Vizekanzler Hartwig Löger zunächst die Geschäfte verantwortlich weiterführen. Die aktuelle Regierung werde heute zunächst von ihm entlassen und dann für die kurze Frist neu bestellt, sagte das Staatsoberhaupt. Das sei eine Art Provisorium, bis man in wenigen Tagen eine Lösung gefunden habe. "Unsere Verfassung sieht vor, dass immer alle Regierungsämter besetzt sein müssen, auch in einer Übergangszeit bis zur nächsten Nationalratswahl".

Kurz hat wenige Stunden nach dem Misstrauensvotum bereits seine Anhänger auf den anstehenden Wahlkampf eingestimmt. "Für Wut, Haß und Trauer ist überhaupt kein Platz", sagte er. Dem Präsidenten habe er eine ordentliche Übergabe an die Übergangsregierung zugesichert. Gleichzeitig zeigte er sich kämpferisch: "Heute hat das Parlament entschieden, aber am Ende des Tages im September da entscheided in einer Demokratie das Volk". Für die Kritik der Sozialdemokraten (SPÖ) zeigte er kein Verständnis. Er habe alles getan, dass Österreich handlungsfähig bleibe.

Der von der SPÖ, der größten Oppositionspartei, eingebrachte Misstrauensantrag gegen das Kabinett wurde vom bisherigen ÖVP-Bündnispartner FPÖ und der "Jetzt-Liste-Pilz" unterstützt und erreichte damit die Mehrheit. Die ÖVP und die Oppositionspartei NEOS votierten erwartungsgemäß dagegen.

Es ist das erste Mal in der Geschichte Österreichs, dass ein Misstrauensvotum erfolgreich ist und ein Kanzler auf diese Art und Weise gestürzt wird. Für den 32-jährigen, der für seinen scharfen Asylkurs bekannt ist und als jüngster Regierungschef Europas als politisches Ausnahmetalent gilt, bedeutet das einen Knick auf seinem steilen Karriereweg. Allerdings bekam die ÖVP, die im Europaparlament der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, erst am Sonntag Rückenwind. Sie legte bei der EU-Wahl deutlich zu auf knapp 35 Prozent der Stimmen und ging damit als klarer Sieger hervor. Die SPÖ landete mit 23,4 Prozent auf Platz zwei. Die FPÖ, die vor gut einer Woche von dem Skandalvideo über den mittlerweile zurückgetretenen Vizekanzler und bisherigen Parteichef Heinz-Christian Strache erschüttert wurde, verlor weniger stark als erwartet und kam auf 17,2 Prozent der Stimmen.

Schulterschluss von SPÖ und FPÖ ermöglicht Sturz von Kurz

"Die letzten Tage haben ein hässliches Bild unseres Landes gezeichnet", sagte der stellvertretende SPÖ-Fraktionsvorsitzende Jörg Leichtfried in der Debatte im Parlament.

Seine Partei wirft Kurz vor, letztendlich die Verantwortung für die akutelle Misere zu haben. Schließlich sei es Kurz gewesen, der sich "entgegen jeder Vernunft" auf eine Koalition mit der FPÖ eingelassen habe. Die rechtspopulistische FPÖ nutzte die Bühne für eine Abrechnung. Zwar hätten die Parteien gut zusammengearbeitet, doch Kurz habe das Regierungsprojekt durch Machtinteressen zerstört, sagte der bisherige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), dessen Abberufung Kurz im Zuge der Video-Affäre veranlasst hatte. Kurz habe "ein ganz anderes Gesicht gezeigt, als dasjenige, das wir immer kennen, dieses freundliche, ewig lächelnde". Er habe versucht, eine schwierige Phase des Regierungspartners auszunützen. "Dieser Griff nach Macht ist widerlich", so Kickl.

Auslöser der Regierungskrise ist ein kurz vor der Wahl veröffentlichtes Video über Ex-FPÖ-Chef Strache. Das im Sommer 2017 heimlich in Ibiza aufgenommene Video zeigt, wie Strache und der bisherige FPÖ-Fraktionsvorsitzende Johann Gudenus einer vermeintlichen Verwandten eines russischen Oligarchen offenbar Regierungsaufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellte. Das Video führte zum Bruch der rechts-konservativen Regierung in Österreich.

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