Angriffsziel ist nicht die Türkei - sondern die Weltwirtschaft

Veröffentlicht 04.09.2018 00:00
Aktualisiert 04.09.2018 10:43

Ende 2017 stellte die Trump-Administration ihre neue Sicherheitsstrategie vor.

Damals, am 21. Dezember 2017, hatte ich in meiner Kolumne geschrieben, dass das Dokument der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA, welches Präsident Donald Trump wie eine Wahlerklärung vorgelesen hat, sowohl darüber berichtet, was sich in unserer Region abspielt, als auch Prognosen für Wirtschaft und Außenpolitik beinhaltet. Der Inhalt deutet darauf hin, dass die USA nun ihre absolute wirtschaftliche und politische Macht des vorherigen Jahrhunderts langsam schwinden sieht und dies, wenn auch mit Unbehagen, akzeptieren muss.

Dieser «Angstzustand» beruht auf der Tatsache, dass die Institutionen und Regeln des wirtschaftlichen und politischen Systems, welches nach dem Zweiten Weltkrieg unter US-Führung errichtet wurde, nicht mehr funktionieren. Die USA sieht die IWF und die WB als Mittel zum Zweck; in der Vergangenheit wurden der IWF und die WB effizient und gewinnbringend eingesetzt. Jedoch wurden die Geld- und Handelssysteme sowie relevante Institutionen mit der Zeit zunehmend unfähiger im Welthandel zugunsten der USA einzugreifen und dadurch das System zu regulieren.

Bretton-Woods-Institutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) verloren in den Augen der Entwicklungsländer in dem subversiven Prozess nach der Krise von 2008 schnell ihren Ruf und ihre Effizienz.

Diese Länder räumten ein, dass, je unabhängiger sie von diesen Institutionen handelten, welche die US-amerikanische Hegemonie und die von ihnen entwickelten Narrative begründeten - desto besser gelinge es ihnen den neueren Wohlstands- und Entwicklungspfad auch wirklich zu erreichen. In der Tat galt das Gleiche für die Politik.

Die hegemoniale Strategie der USA und das politische- und diplomatische Paradigma, die diese Strategie ausmachten, verloren schnell an Legitimität. Henry Kissinger hatte diese (alte) Strategie aufgestellt und allen anderen Staaten nahegelegt, dass die USA das beste Verwaltungssystem der Welt hätten und der Rest der Menschheit nur dann Frieden und Wohlstand erreichen könne, wenn auch die restlichen Staaten die traditionelle Diplomatie aufgeben und an internationales Recht und Demokratie gebunden sein würden.

Diese Bemerkungen stellen eine klare Bedrohung für die Welt dar. Man hat demnach die Wahl: entweder man akzeptiert die Hegemonie der USA oder man rückt von Frieden und Wohlfahrt ab. Staatssekretärin Madeleine Albright erklärte während der Ära von Bill Clinton: "Wenn wir Gewalt anwenden müssen, dann deshalb, weil wir Amerika sind."

Eigentlich paraphrasierte sie das, was bereits Kissinger gesagt hatte. Diese These von Kissinger sollte später unter dem Titel "Kissinger-Doktrin" Geschichte schreiben; denn die Phrase "in Bezug auf die gemeinsamen Interessen der Menschheit" bedeutet in Wahrheit nur, die eigenen Interessen zu verfolgen und über allem stets die Kontrolle zu haben - wenn nötig auch durch Gewaltanwendung.

Das neue US-Sicherheitsdokument, das nach Trumps Amtsantritt erstellt worden ist, hat die Liste der potenziellen Bedrohungen für die US-Sicherheit erweitert, und auch Länder eingeschlossen, die die absolute Hegemonie der Bretton-Woods-Wirtschaftsinstitutionen ablehnen oder etwa die Struktur der UN politisch kritisieren und diese auch ändern wollen. Ein weiterer Dorn im Auge der Trump-Administration sind jene Länder, die Atomkraft besitzen, aber nicht Teil der Nato sind.

Somit ist nicht nur die Türkei, sondern sind auch neue EU-Mitglieder und einige asiatisch-pazifische Staaten, die das Niveau von Industriestaaten erreichen konnten, eine Bedrohung für die USA.

Das neue US-Sicherheitsdokument betrachtet primär Russland und China als eine Bedrohung – und das nicht nur, weil ihre Wirtschaft und technologische Macht außerhalb des von den USA kontrollierten und auferlegten Geldsystems wächst. Obwohl das Sicherheitsdokument China und Russland eindeutig erwähnt, sind alle sich wirtschaftlich entwickelnden Länder, die außerhalb der von den USA nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Wirtschaftsordnung geortet sind, eine indirekte Bedrohung für die Vereinigten Staaten.

Aber auch umgekehrt herrscht die gleiche Angst: Die USA sind eine große Bedrohung für alle - zunächst für alle Entwicklungsländer und dann für Länder (ausser einigen Ausnahmen wie Israel), die die absoluten Interessen der USA nicht als ihre eigenen Interessen betrachten.

Die USA sehen in dem nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten Handels- und Währungssystem eine nationale Institution. Länder, die außerhalb der US-Kontrolle wachsen, gelten als Nutznießer, die die «US»-Institutionen benutzen und zugleich die US-Wirtschaft bedrohen. Aus diesem Grund kontrollieren sie in der jüngsten Zeit nicht nur den globalen Dollarzyklus, sondern schränken sie auch ein, verzögern den Cashflow und verhindern den "natürlichen Fluss" des Welthandels durch Wirtschaftssanktionen und Zollbeschränkungen.

In der Tat, die aktuelle USA-Türkei-Krise geht nicht um den in der Türkei inhaftierten Pastor Brunson oder andere Personen, sondern um einen Krieg, den die USA gegen die ganze Welt führen. Vorerst geht dieser Krieg mit globalem Banditentum weiter, was eine Verletzung des allgemeinen Konsenses darstellt - so wie der US-Protektionismus und die globale Erwärmung. Der Liberale Handel und der Wirtschaftskreislauf werden eingeschränkt, sobald gegen die US-Interessen gehandelt wird. Natürlich wird das - die Geschichte beweist dies immer wieder - nicht gut für denjenigen enden, die diesen Krieg gegen das Wohle der Menschheit angezettelt haben.

Es gibt vieles, was die Türkei und andere Länder gegen den erklärten Wirtschaftskrieg tun können. Der US-Angriff auf nationale und internationale Märkte könnte beendet werden.

Der Wirtschaftskrieg wird eine Suche nach neuen Regeln und Institutionen nach sich ziehen. Zunächst werden die Bretton-Woods-Währungsordnung und ihre Institutionen, also das Gesamtparadigma, ungültig werden. Alle Länder, außer den USA, werden in Zukunft entschlossener über eine neue Währungs- und Handelsordnung diskutieren. Dies wird auch neue Allianzen, neue Währungsunionen und Handelsabkommen hervorbringen.

Die Türkei hat sämtliche Instrumente sowie auch Mittel und besitzt die wirtschaftlichen Dynamiken, um diesen Währungsschock vor einer möglichen Wirtschaftskrise schützen können. Dies bringt gleichzeitig ein neues Equilibrium für die Wirtschaft und eine Chance für Erneuerung und einen Ausweg auf der Grundlage dieses Gleichgewichts. Natürlich wird das alle nicht unbeschadet vollzogen werden können.

Dies ist aber auch ein beispielloser Wirtschaftskrieg, der nicht nur gegen die Türkei, sondern auch gegen den Rest der Menschheit geführt wird. Die Türkei ist das Zentrum der neuen politischen und wirtschaftlichen Ordnung, sowohl in Europa und Asien als auch in der gesamten Welt. In diesem Sinne ist das Streben der Türkei nach neuen Allianzen nicht ungewöhnlich, sondern realpolitisch getrieben. Zweifellos ist die Schaffung einer neuen Weltordnung in diesem Zusammenhang keine Wunschvorstellung, sondern eine nüchterne, momentane Zeitaufnahme.

Nach dem Putschversuch vom 15. Juli hat die Türkei einen großen Konsens über die Schaffung einer neuen politisch-wirtschaftlichen Struktur entwickelt. Dieser große Konsens im Parlament und im Volk, welcher am 24. Juni mit einem neuen Präsidialsystem gekrönt wurde, ist ein wichtiger politischer Umbruch, der anderen Entwicklungsländern ein Beispiel geben und die wirtschaftliche Erneuerung ermöglichen wird.

Seien Sie versichert, dass das, was die USA tun, nicht zu den erwarteten Konsequenzen führen wird. Im Gegenteil, es wird der Türkei eine große Chance für eine wirtschaftliche Erneuerung, sowohl in Bezug auf das Verständnis als auch auf die Mechanismen bringen. Die Welt wird dies durch die Schritte, die die Türkei in den nächsten Tagen in der Wirtschaft unternehmen wird, beobachten können.

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