G20 in Hamburg: 18-jähriger Fabio V. seit 4 Monaten in U-Haft

DAILY SABAH
ISTANBUL
Veröffentlicht 11.11.2017 00:00
Aktualisiert 11.11.2017 17:06
DPA

U-Haft aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration. Dies klingt wie eine Nachricht aus einem totalitären Staat – in diesem Fall muss man aber nicht so weit über die Landesgrenzen hinausblicken, denn dies geschieht auch mehrfach in der Bundesrepublik. Im aktuellen, medialen beleuchteten Fall, geht es um den 18-jährigen Italiener Fabio V. Diese war nach Hamburg zu den G-20 Demos angereist und befand sich in einer von vielen Protestzügen, die von der Polizei gewaltsam – und teilweise unrechtmäßig - aufgelöst wurden.

Anscheinend war allein diese Tatsache hinreichend genug, um ihn vor vier Monaten vorläufig einzusperren – und ihn bis heute nicht wieder rauszulassen. „Ich bin hier, weil ich politisch bin." sagte er am Dienstag vor den Richtern im Amtsgericht in Altona.

Er habe gegen die „Mächtigen der Welt" demonstrieren wollen und gegen die Gefährdung „unserer Zukunft" durch die G20-Akteure. Auch seine Heimat in der italienischen Alpenregion sei von der Profitsucht der Unternehmen betroffen, wodurch Umwelt und Wohnraum zerstört werde. Er erinnerte daran, dass inzwischen 1 Prozent der Weltbevölkerung mehr besitzen würden, als die übrigen 99 Prozent der Menschen. Diese Schere würde immer weiter auseinander gehen. Gegen das alles hätte er protestiert – außerdem lehne er jegliche Form der Gewalt ab.

Dagegen scheinen die Tatvorwürfe an den Haaren herbeigezogen. „schwerer Landfriedensbruch", „versuchte schwere Körperverletzung" und „tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte". Ihm sei es nicht um die „Vermittlung politischer Botschaften" gegangen, sondern um die „Ausübung von Gewalt", „die Begehung von Straftaten", so die Ankläger. Das Prekäre bei der Anklage: Eine direkte Gewaltausübung wird ihm nicht vorgeworfen – dennoch muss er in Haft verweilen. Es scheint so, als wolle Staat und Justiz Stärke demonstrieren und ein abschreckendes Beispiel für zukünftige Proteste statuieren.

Mitgewirkt hat da auch die Springerpresse. Die BILD-Zeitung hatte ihn direkt als „G20-Chaoten" betitelt und der Randale beschuldigt.

Damit nicht genug, denn nun will die Staatsanwaltschaft anscheinend um die Freilassung verhandeln. Laut einem bestätigten Schreiben, das dem politischen Fernsehmagazin „Panorama" vorliegt, bewertet man seine Freilassung als wahrscheinlich, sofern er sämtliche Tatvorwürfe eingestehe.

„Die Staatsanwaltschaft hält danach bei einem Geständnis, das grundsätzlich strafmildernd zu berücksichtigen ist, eine Bewährungsstrafe (und damit die Entlassung aus der Untersuchungshaft) für wahrscheinlich", so entsprechendes Zitat der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage von „Panorama"

Wieso der Angeklagte etwas zugeben soll, was auch laut Anklageschrift nicht vorliegt, ist unverständlich. „Die Hamburger Staatsanwaltschaft scheint hier vom Angeklagten eine Selbstbezichtigung, eine Selbstkritik, zu verlangen", schreibt Stefan Buchen in seinem Kommentar.

Unterstützung bekommen die Ankläger vom Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG). Dieses hat den Haftbefehl gegen Fabio bestätigt. Den Richtern zufolge muss er selbst dann eine Gefängnisstrafe verbüßen müssen, wenn das Jugendstrafgesetz zur Geltung komme. Anders seien „Anlage- oder Erziehungsmängel" sowie seine „tiefsitzende Gewaltbereitschaft" nicht zu beheben.

Fabio sagt, er müsse vielleicht einen Preis dafür zahlen, dass er seinen Unmut kundtun wollte, aber er habe „keine Angst" davor.

Dieser Fall sei ein Beispiel dafür, wie niedrig die Toleranzgrenze von Staat und Justiz gesetzt wird, wenn vermeintlich liberal-demokratische Staaten für ihr Handeln kritisiert werden.

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