Europa im Wahn

Veröffentlicht 04.04.2017 00:00
Aktualisiert 04.04.2017 16:25

Es waren einmal europäische Grundwerte und Menschenrechte.

EU-Vertrag - Artikel 2: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen. Diese Werte gelten in den Gesellschaften aller Mitgliedstaaten. Diese Werte zeichnen sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern aus."

Diese ‚Tugenden' mit denen man uns immer gerne belehrte, werden über Bord geworfen, wenn es um Erdoğan und die Türkei geht.

Dass die Türkei mit solch einer Offensive der europäischen Länder, allen voran Deutschlands, mit rassistischen und faschistischen Untertönen, begleitet von einer hysterischen Kampagne konfrontiert wird, öffnet wirklich vielen die Augen.

Angefangen mit den Absagen für Auftritte türkischer Minister bis zur Eskalation in den Niederlanden: Der türkischen Familienministerin wurde der Eintritt in das türkische Konsulat verwehrt und sie wurde gewaltsam an die Grenze eskortiert, Polizeihunde wurden auf türkischstämmige Bürger gehetzt.

Bilder, in denen Hunde diese Menschen attackierten, gingen um die Welt. Wo blieb da die unantastbare Würde des Menschen? Wo blieb der mediale Aufschrei? Wie hätte sich die Situation entwickelt, wäre das Ganze umgekehrt in der Türkei passiert?

Während Auftritte türkischer Regierungsvertreter verhindert wurden, durfte am 18. März der PKK-Ableger NAV-DEM mit tausenden PKK-Anhängern quer durch Frankfurt marschieren, neben PKK-Propaganda auch noch eine „Nein-Kampagne" durchführen. Die Stadt Frankfurt hatte nichts dagegen, die Bundesregierung schaute weg, keine Aufschreie wie: „Keine türkische Innenpolitik auf deutschen Straßen" und „wem es nicht passt, der kann gehen" waren zu hören. Diese abscheuliche Doppelmoral überschritt wirklich jede Grenze. Ich war zu dieser Zeit in Frankfurt und Umgebung, mir selber wurden fünf Auftritte untersagt, während eine mörderische, tief in Drogen- und Menschenhandel verstrickte Terrororganisation von dem Versammlungsrecht Gebrauch machen durfte!

Von Angst und Wahn getrieben, wurde der Höhepunkt dann ja wohl in Bern erreicht. Dort konnten PKK-Anhänger, die sich zu einem „Nein"-Wahlkampfauftritt in Bern versammeln durften, ein riesengroßes Plakat mit einer Morddrohung an den türkischen Präsidenten mitführen!

Grünen-Chef Cem Özdemir veröffentlichte auf Facebook ein Video mit einem Wahlaufruf an alle Deutsch-Türken, beim Referendum mit „Nein" zu stimmen. Wie erwartet, schaltete er sich damit wieder direkt in den türkischen Wahlkampf ein, wie auch schon 2015, wo er sich mit den Grünen offiziell in die Türkei-Wahlen einmischte und die HDP unterstützte.

Dass man sich so in die türkische Innenpolitik einmischt, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Auch das ungerechte Verbot der Daily Sabah im Europäischen Parlament ist mit der Presse- und Meinungsfreiheit nicht in Einklang zu bringen. Diese Doppelmoral zeigt, dass Meinungsfreiheit für manche in Europa nur existiert, wenn man die Mainstream-Meinung übernimmt.

Manche deutschen Medien, wie ARD, WDR, Deutsche Welle und Bild schalten sich in die Türkei-Wahl jetzt sogar direkt mit türkisch-sprachigen „Nein-Kampagnen" ein.

Deutschland steckt in einem moralischen Dilemma: „Keinen türkischen Wahlkampf auf deutschem Boden" heißt es; doch die Ironie ist, dass deutsche Politiker und vor allem die deutschen Medien selber einen aktiven Werbefeldzug mit „Nein-Kampagnen" durchführen; und das noch um das Wahlergebnis in einem anderen Land zu beeinflussen. Auf Biegen und Brechen will man Staatspräsident Erdoğan, der schon seit längerer Zeit vielen ein Dorn im Auge ist, stoppen.

Stoppt den „Erdo-Wahn" hieß es… Aber jetzt sieht es so aus, als sei Europa selber diesem Wahn verfallen. Blind von Hass und Hetze getrieben, lässt man alle Masken fallen…

Wenn die europäischen Politiker und Medien so um das Wohlbefinden des türkischen Volkes besorgt sind, sollte man einmal fragen: „Wo wart ihr, als unter der Militärdiktatur nach dem Putsch 1980 Zehntausende inhaftiert, gefoltert oder ermordet und wir unser aller Grundrechte beraubt wurden? Wo war denn da diese große Nächstenliebe der Politiker, Medien, Nichtregierungsorganisationen und den sogenannten Türkei und Islam-Experten geblieben?

Daran lässt sich eindeutig erkennen, dass der Westen das Argument der Demokratie nur dann aufbringt, wenn es in sein politisches Kalkül passt. Hinter dem aggressiven Auftreten und den faschistischen Methoden Europas stecken geopolitische und wirtschaftliche Interessen.

Staatspräsident Erdoğan, der mit der Unterstützung des Volkes, eine starke und unabhängige „Neue Türkei" aufbaut und als Regionalmacht eigene Interessen durchsetzt, sorgt schon länger in bestimmten Kreisen für großes Unbehagen.

Der Zweck heiligt die Mittel!?

Nur eine schwache und gefügige Türkei ist in diesem „Game of Thrones" akzeptabel. Europa will eine Türkei, die von außen leicht zu steuern ist.

Ein Europa, das selber taumelt.

Jugendarbeitslosigkeit, Staatsschulden und –vor allem im Süden– wachsende Armut, im Flüchtlingsdrama keine Einigung, die Eurokrise, Rechtspopulisten und Eurogegner im Aufwind; sind nur ein paar der schlimmen, diversen Krisen und Probleme, die die EU lösen muss.

Die soziale Ungleichheit hat unter der Hegemonie des Neoliberalismus zugenommen; die Schere zwischen arm und reich ist weit auseinandergegangen. Viele Menschen in der Unterschicht fühlen sich von der Existenz der Flüchtlinge bedroht. Jedenfalls glauben diese an die kommende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, dem Wohnungsmarkt und bei den Ausbildungsmöglichkeiten.

Muslimfeindliche und fremdenfeindliche Politik ist im Aufstieg. Rechtsextreme und Rassisten treiben die europäische und deutsche Politik voran. Sie schüren Angst, Hass und eine Paranoia, die sich jeder Rationalität entzieht, aber den Faschismus wieder auferstehen lässt. Faschismus ist eine permanente Bedrohung für die Demokratie. In Zeiten von Frieden und Wohlstand fühlt man seine Existenz nicht. Aber in schwierigen Zeiten, gewinnen faschistische Ideen an Stärke und treten zutage.

Von Angst und Wahn getrieben: Die Angst der globalen Machteliten vor dem Teilen. Europa sieht es als sein natürliches Recht an, einen Großteil des weltweiten Wohlstandes für sich zu beanspruchen. Schrankenloser Egoismus droht die Wertegemeinschaft Europas über Bord zu werfen. Europa ist dabei –wie einstmals Kolonialisten und Faschisten- Menschenrechte als Rechte der herrschenden Klasse und Elite zu definieren… Die Wiederkehr der Faschisten hinter der Maske der Demokraten.

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