Wenn das keine Scheinheiligkeit ist, was macht Böhmermann dann?

Veröffentlicht 26.04.2016 00:00
Aktualisiert 26.04.2016 16:42

Die obszönen und beleidigenden Bemerkungen, die der deutsche Satiriker und Komödiant Jan Böhmermann kürzlich bei seiner Sendung im ZDF gegen den Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und das türkische Volk gerichtet hatte, werden seit mehreren Tagen diskutiert. Durch Ankaras harsche Reaktion auf das unverschämte Gedicht Böhmermanns, hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Ermittlungen gegen den Komödianten erlaubt. Im Anschluss kündigte er an, dass er Deutschland verlassen würde, aber es gibt auch Menschen, die ihn unterstützen. Vor kurzem startete Douglas Murray, der für das britische wöchentliche Magazin 'Spectator' schreibt, einen Wettbewerb mit dem Titel „Der Präsident Erdoğan-Beleidigungsgedicht-Wettbewerb". Man könnte meinen, dass der kritische Aspekt des Humors bedroht ist. Allerdings ist der fragliche Punkt nichts anderes als Scheinheiligkeit, die innerhalb der Grenzen der Meinungsfreiheit toleriert wird.

Erstens kritisierte Böhmermann keine konkreten Praktiken oder Aktionen der politischen Figur, die er satirisch darstellte. Er nutzte die Fälle, die im Nahen Osten stattfinden oder den Muslimen zurückführen sind, und das mit sexueller Rhetorik. Offensichtlich ist dies ein essentieller Ansatz, der von seinen Vorurteilen genährt wird.

Zweitens ist die Person, die Böhmermann in einer systematischen und kontinuierlichen Art und Weise angegriffen hat, ein Präsident, der von der Mehrheit der türkischen Bevölkerung gewählt wurde. Daher stellt Böhmermann die Ideen und Überzeugungen eines Politikers, der den türkischen Staat und Millionen von Wählern repräsentiert, unter einen Strom von ekelhaften Bemerkungen – das Geringste dabei ist, dass Erdoğan ein Zoophiler sei. Diese Bemerkungen sind nicht nur ein Problem zwischen zwei Menschen. Natürlich sind türkische Bürger - aller politischen Ansichten - von den Bemerkungen Böhmermanns offensichtlich beleidigt.

Der dritte und konkreteste Punkt ist, dass Böhmermanns intolerante Beschimpfungen auf der ganzen Welt, sowohl moralisch als auch rechtlich, als Hassverbrechen angesehen werden. Aber abgesehen von denjenigen, die von politischer Korrektheit geschützt werden, sind alle anfällig für solche Angriffe im Westen. Einzelne Verbrechen, die gegen Schwarze, Katholiken, Homosexuelle oder Feministinnen begangen werden, gelten als kollektive Bedrohungen gegen eine Gemeinschaft. Darüber hinaus sind legale Strafmaßnahmen für solche Fälle vorhanden.

Zum Beispiel, wenn man das Ausmaß von Hitlers Völkermord mit einem jüdischen Schriftsteller diskutiert, werden sie dem Strafrecht von Europa gegenüberstehen und angeklagt, da sie mit der Leugnung des Holocausts ein Hassverbrechen gegen diese Religion und ihre Anhänger begangen haben.

Hingegen bleiben Beleidigungen gegen Asiaten, Afrikaner, Muslime oder Türken unbestraft. Wenn es um diese Menschen geht, ist man frei, sie als Pädophile, Belästiger oder Tyrann zu bezeichnen – Bezeichnungen, die aus barbarischen Geschichten der Kolonialzeit stammen. Niemand wird es rassistisch oder faschistisch nennen. Zudem erhalten sie den Titel des tabubrechenden Liberalen.

Wir wissen nicht, wieso Böhmermann seine Energie für die Beleidigung von Erdoğan und den Türken verschwendet. Vielleicht ist er ein Patient, dessen Psyche und Intelligenz in der Pubertät stecken geblieben ist, und seinen Ödipuskomplex wegen eines schweren Traumas nicht balancieren kann. Oder, wie manche behaupten, ist er ein durchschnittlicher Komiker, der im Auftrag von reichen Unterstützern arbeitet, die gute Überzeugungskräfte haben. Wer weiß, vielleicht ist er nichts mehr als einer der vertrauten, simplen Nahen Osten-Faschisten.

Unabhängig davon, was für ein Problem Böhmermann hat, seine Gleichgültigkeit hat bereits großen Schaden angerichtet. Europäer, vor allem die Menschen in Deutschland, wo Millionen von Türken, Muslimen und Menschen aus dem Nahen Osten leben, müssen eine prinzipielle Haltung gegenüber diese Scheinheiligkeit übernehmen, die die Voraussetzungen für die Integration und den gesellschaftlichen Dialog beseitigt. Falls nicht, wird die Perspektive der Brüderlichkeit der Menschen, die eine der universellen Werte der Menschheit ist, weiter schaden annehmen. Die soziale Polarisierung, die von denjenigen, die ihre Scheinheiligkeit hinter der Meinungsfreiheit wie Böhmermann verbergen, werden viele unserer unbegrenzten Probleme, wie Terrorismus, chronisch machen. Wohlbemerkt ist die Scheinheiligkeit nie lustig, egal welche Maske man ihr aufsetzt.

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